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Erfolgsaussicht auf Klage gegen den Verstoß der Rechte behinderter Flugreisender

| 24. März 2016 09:41 |
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Reiserecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Tamas Asthoff

Hallo!

Ich selbst bin schwer gehbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen B, G und aG. Hierfür habe ich mir einen speziellen Elektrorollstuhl, der insbesondere meine Körpergröße und die Entlastung der Lendenwirbelsäule und der Beine unterstützt. Dieser spezielle Rollstuhl hat u.a. ein Höhenmaß von 105 cm (ohne Kopfstütze). Vor der eigentlichen Buchung meiner Reise habe ich die Möglichkeiten der Mitnahme meines e-Rollstuhls durch Air Berlin in den allgemeinen Transportbedingungen, den speziellen Seiten für behinderte Menschen von Air Berlin und der IATA geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass dies wohl kein Problem darstellen dürfte. Im Rahmen der Reisebuchung wurde ich gebeten, die Maße des Rollstuhls dem Reiseveranstalter mitzuteilen, damit die notwendigen Formalitäten mit Air Berlin in Bezug auf den Hin- und Rücktransport geregelt werden können.

Entgegen sämtlicher Onlineveröffentlichungen wurde mir durch den Reiseveranstalter einige Tage später mitgeteilt, dass Air Berlin die Mitnahme meines e-Rollstuhls verweigert. Dieser überschreite bei der angegebenen Höhe von 105 cm und einem Gewicht von ca. 174 kg die zulässige Höhe von 86 cm. Ein alternatives Angebot wurde mir durch Air Berlin nicht unterbreitet. Vielmehr wurde die Aussage getätigt, ich solle dann halt einen Rollstuhl im Zielland anmieten - selbstverständlich zu meinen Lasten.

Unabhängig davon, dass im Zielland ein für mich speziell ausgerichteter e-Rollstuhl nicht anmietbar gewesen wäre blieb mir keine andere Wahl, als die Reise letztendlich zu stornieren. Der Kulanz des Reiseveranstalters bleibt es zu verdanken, dass ich nicht auch noch Stornogebühren zahlen hätte müssen.

Auf mein Anschreiben vom 23.02.2016 hat Air Berlin nicht reagiert. Hier hatte ich um Stellungnahme gebeten, wie es beispielsweise sein kann, dass in den Online bereitgestellten Informationen keinerlei einschränkende Hinweise auf die Beförderung in Höhe und/oder Gewicht des e-Rollstuhls zu finden sind.

Der beispielhafte Umgang zeigt, dass es zwar Verordnungen zur Inklusion behinderter Menschen beispielsweise im Flugverkehr gibt, diese aber in der tatsächlichen Umsetzung durch ungeschriebene Regelungen durch Fluggesellschaften ausgehebelt werden können. Ich fühle mich in meinen Persönlichkeitsrechten durch meine Behinderung und durch das durch Air Berlin gezeigte Verhalten stark herabgesetzt. Obwohl ich aufgrund meiner Behinderung noch voll berufsfähig bin gewährt man mir nicht das Recht, die gleichen Unternehmungen durchzuführen, wie dies für nicht behinderte Menschen der Fall ist.

Aufgrund des geschilderten Sachverhalts überlege ich nun, in wie weit eine zivilrechtliche Klage gegen Air Berlin Aussicht auf Erfolg hätte, zumal Air Berlin offensichtlich gegen Passagen der EU-Verordnung 1107/2006 verstoßen hat. Insbesondere verweise ich hier auf Artikel 3 und 4. Die Alternative kann nicht sein, dass ich mir einen e-Rollstuhl selbst mieten soll und hierfür auch noch die Kosten tragen darf. Nachdem Air Berlin auch nicht auf meine Beschwerde reagierte, habe ich mit Datum 24.03.2016 eine formale Beschwerde eingereicht, die jedoch auf keinen Fall zivilrechtliche Ansprüche mit einschließt.

Welche Meinung vertreten sie? Wahrscheinlich lebe ich aber wieder einmal im falschen Land, um eine erfolgreiche Klage einzureichen.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Der Vorfall ist bedauerlich.

Leider ist aus meiner Erfahrung nicht damit zu rechnen, dass AirBerlin auf Schreiben von Privatpersonen eingeht. Es ist Firmenpolitik, sich nicht mit den Kunden weiter zu beschäftigen, Ansprüche nicht auszuzahlen und die Bearbeitung zu verzögern. Ich darf auf die einschlägie TV-Reportage verweisen, die Sie auch im Internet finden.

DIe erste Frage ist, ob der Rollstuhl den Beförderungsbedingungen entsprochen hat.

UNter https://www.airberlin.com/de-DE/site/landingpages/baggage_services.php?cat=2 sehen Sie, dass für Sport und Sondergepäck eine maximale Höhe von 86 cm angegeben ist. Rollstühle von Behinderten werden dort aber nicht aufgeführt.

Dazu gibt es nämlich eigens die Seite "barrierefreies Reisen", die man hier findet:
https://www.airberlin.com/site/barrierefreies_reisen.php?

Dort heisst es:

Beförderung fluggasteigener Rollstühle

Fluggasteigene Rollstühle werden kostenfrei befördert und nicht auf das Freigepäck angerechnet. Bei Anfragen für den Transport eines Rollstuhls teilen Sie uns bitte die Maße, das Gewicht und die Art des Rollstuhls mit.

Der Transport erfolgt aus Platzgründen im Frachtraum, bitte geben Sie Ihren Rollstuhl daher transportfertig als Sondergepäck auf. Am Zielflughafen erhalten Sie Ihren Rollstuhl entweder direkt am Flugzeug oder am Gepäckausgabeband zurück.

Auch Ihren Sport- oder Rennrollstuhl können Sie als Sportgepäck kostenfrei aufgeben.

Batteriebetriebene Rollstühle können unter folgenden Voraussetzungen transportiert werden:

Die Batteriepole müssen durch Isolierung gegen Kurzschluss gesichert sein
Die Batterie darf nicht betriebsbereit angeschlossen sein



Weiter heisst es :

Eine rechtzeitige Anmeldung ist auch deshalb ratsam, weil die Anzahl der Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität pro Flug insbesondere in Abhängigkeit vom eingesetzten Flugzeugtyp begrenzt sein kann. Die folgenden Informationen benötigen wir bei der Anmeldung von Ihnen:

Name des Passagiers und ggf. der Begleitperson
Art der Behinderung

Bis hier ist nirgendwo ein Hinweis auf eine zulässige Maximalhöhe zu lesen.

Massgeblich werden aber die allgemeinen Beförderungsrichtlinien sein, die man hier einsehen kann: https://www.airberlin.com/site/affiliate/unternehmen/agb/ABB_de.pdf

Dort steht, zwar, unter welchen Bedingungen die Mitnahme möglich ist, aber auch hier- keine Spur von einem Höhenmaß!

6.5.2.
8 Die Mitnahme eines (1) Rollstuhls je behinderten Fluggast ist möglich und bei Buchung mitzuteilen. Motorbetriebene Rollstühle können wegen der eingeschränkten Frachtraumkapazität nur mit Einschränkungen befördert werden. Sie sind in einem Zustand aufzugeben, der ihre sichere Handhabung und Beförderung gewährleistet. Die Beförderung von medizinischen Geräten und Mobilitätshilfen einschließlich elektrischer Rollstühle kann nur dann gewährleistet werden, wenn diese 24 Stunden vorher unter Angabe der Abmessungen und des Gewichts angemeldet wurden, an Bord genügend Platz ist und deren Beförderung nicht den einschlägigen Vorschriften über Gefahrgüter entgegensteht. Weitere Einze lheiten werden bei der Anmeldung mitgeteilt.

Eine Volltextsuche nach 86 cm ergab ebenfalls keine Treffer, so dass nach alldem ein vertraglicher Ausschluss alleine aufgrund der Höhe unzulässig gewesen ist.

Air Berlin hätte die Mitnahme aus Kapazitätsgründen allerdings nach den Bestimmungen verweigern dürfen. Dieses war aber offenbar grade nicht der Fall; die WEigerung wurde nur mit der Höhe begründet, dieses Verhalten war somit vertragswidrig.

Auch die EU-Verordnung 1107/2006 , Art. 4 1 b ) befreit AirBerlin nicht aus der Verantwortung. Die Mitnahme kann verweigert werden, wenn wegen der Größe des Luftfahrzeugs oder seiner Türen die Anbordnahme oder die Beförderung dieses behinderten Menschen oder dieser Person mit eingeschränkter Mobilität physisch unmöglich ist. Dieses wurde gerade nicht angeführt. EIne physikalische Unmöglichkeit lag nicht vor, nur ein Hinweis auf unzutreffende, allgemeine Höchstmaße für Sportgepäck. Air Berlin hätte die Mitnahme zumindest prüfen müssen- aus meiner Sicht ein klarer Fall von Diskrimination.

Die Verletzung der Richtlinie kann sanktioniert werden; dies haben Sie bereits in die Wege geleitet.

Bei den zivilrechtlichen Ansprüchen wären diese abstrakt denkbar, müssten aber konkret beziffert werden- es sei denn, Sie machen Ansprüche wegen Nichtbeförderung geltend, diese sind pauschalisiert je nach Flugstrecke. Daneben können auch Schadenersatzansprüche treten. Urlaubszeit ist nicht kapitalisierbar und begründet nur in engem Rahmen Ausgleichansprüche; bei der entgangenen Urlaubsfreude ist die Rechtsprechung zurückhaltend- es ist aber nicht ausgeschlossen,interessant dazu Landgericht Düsseldorf vom 16.05.2003, Az: 22 S 667/01 .

DIe Klage aus der EU-Verordnung wegen Nichtbeförderung- wobei hier der Fall, auch auf die einschlägigen Zeitpunkte näher zu prüfen wäre, steht allen EU-Bürgern offen und ist auch ohne weiteres in Deutschland zu betreiben. DIe VO garantiert nicht nur ein Mindestmaß an Schutz; nach natinalen Vorschriften kann der Schadenersatzanspruch durchaus höher ausfallen.

Ein weiterer Weg ist zudem die sachgerechte Information der Presse über den Vorfall.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Bewertung des Fragestellers 26. März 2016 | 02:32

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