Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Sachverhaltsdarstellung und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworte:
Die Auskunft der Botschaft in Bangkok bezüglich der Erteilung eines Heiratsvisums für Ihre Verlobte ist leider zutreffend. Gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG
besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen
Ehegatten eines Deutschen beziehungsweise ein Anspruch auf Erteilung eines Heiratsvisums, wenn mit dem Aufenthalt in der Bundesrepublik die Herstellung und Wahrung einer familiären Lebensgemeinschaft bezweckt wird (§ 27 Abs. 1 AufenthG
). Außerdem ist gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG
dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge zu erteilen. Zwingende gesetzliche Voraussetzung für diese Rechtsansprüche ist jedoch, dass der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Nach der Legaldefinition in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I
hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Das bedeutet, dass der gewöhnliche Aufenthalt den Lebensmittelpunkt darstellen muss. Ein vorübergehender Aufenthalt, auch wenn er länger als ein Jahr dauert, entspricht nicht einem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Gesetzes. Voraussetzung für ein längerfristiges Aufenthaltsrecht ihrer Verlobten beziehungsweise künftigen Ehefrau ist also, dass Sie selbst in der Bundesrepublik leben und dort auch Ihren Lebensmittelpunkt haben, was in der Regel durch einen festen Wohnsitz zum Ausdruck kommt.
Nach Ihren Angaben handelt es sich bei dem geplanten Aufenthalt in der Bundesrepublik - unabhängig von der ins Auge gefassten Dauer - um einen Besuch, also um einen nur vorübergehenden Aufenthalt. Hierzu benötigt Ihre Verlobte ein Visum und zwar entweder ein Schengen-Visum oder ein nationales Visum der Bundesrepublik.
Ein Schengen-Visum bietet zwar die Möglichkeit des Aufenthalts in anderen Vertragsstaaten des Schengen Durchführungsübereinkommens, wird aber nur auf längstens 90 Tage innerhalb einer Gesamtdauer von einem halben Jahr ab dem ersten Tag der Einreise ausgestellt. Eine Verlängerung über 90 Tage hinaus ist grundsätzlich nicht möglich. Tatsächlich besteht auch die Möglichkeit, dass die Botschaft zunächst nur ein Visum für 60 Tage (innerhalb der Gesamtdauer von einem halben Jahr) ausstellt. In diesem Fall hat dann allerdings die deutsche Ausländerbehörde die Möglichkeit, bei vorliegen besonderer Gründe das Visum auf die Höchstdauer von 90 Tagen zu verlängern.
Für einen längeren Aufenthalt - allerdings nur in der Bundesrepublik - ist ein nationales Visum erforderlich. Auch die Erteilung dieses Visums steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, in Ihrem Fall also der Botschaft in Bangkok. Bei den von Ihnen angegebenen Besuchsgründen, nämlich Besuch der offenbar schwer erkrankten und pflegebedürftigen Mutter, sind Gründe für eine Ablehnung des Visums an sich nicht ersichtlich. Das Visum könnte aber abgelehnt werden, wenn die Botschaft Grund zu der Annahme hat, dass Ihre Verlobte nicht beabsichtigt, freiwillig wieder nach Ablauf des Visums wieder aus der Bundesrepublik auszureisen, also nach Thailand zurückzukehren. Sie sollten deshalb vorsichtig sein mit Äußerungen, aus denen die Botschaft entnehmen könnte, dass mit dem vorübergehende Aufenthalt in der Bundesrepublik (aufgrund eines Schengen-Visums oder nationalen Besuchs-Visums) auch zu dem Zweck erfolgt, in die Bundesrepublik einzureisen und dort zu heiraten, ohne das erforderliche Heiratsvisum zu beantragen.
Nach der Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, auch nach der Einreise mit einem Schengen-Visum oder einem nationalen Besuchs-Visum zu heiraten und im Anschluss daran eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 zum Zwecke des Familiennachzugs zu beantragen, ohne dass Ihre Verlobte beziehungsweise Ehefrau vorher nocheinmal nach Thailand ausreisen müsste um dort ein Heiratsvisums zu beantragen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Entscheidung zur Eheschließung und damit zur Begründung einer familiären Lebensgemeinschaft erst nach der Einreise gefallen ist. Wer schon mit der Absicht der Heirat in die Bundesrepublik gereist, muss jedenfalls nach der Rechtsprechung und auch der gängigen Praxis das umständliche Visumverfahren im Heimatland nachholen.
Die Frage, ob für Ihre Verlobte der Lebensunterhalt gesichert ist oder ausreichender Wohnraum besteht, ist ohne Belang, solange sie nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt beziehungsweise ihren Wohnsitz in die Bundesrepublik verlegen. Denn dies ist die Grundvoraussetzung überhaupt für eine Aufenthaltserlaubnis ihrer künftigen Ehefrau.
Ich hoffe, dass ich Ihnen eine erste rechtliche Orientierung geben konnte. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber nur auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Mit freundlichen Grüßen
Huber-Sierk
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Siegfried Huber-Sierk
Elsenheimerstraße 59
80687 München
Tel: 089-74995843
Web: https://www.huber-sierk.de
E-Mail: