Sehr geehrte Fragestellerin,
die von Ihnen gestellte Frage möchte ich bei einer kurzen Darstellung der Rechtslage im Bereich der Direktversicherung innerhalb der Betrieblichen Altersversorgung (baV) folgendermaßen beantworten.
Die Direktversicherung (auch diejenige, die durch den Arbeitnehmer durch Entgeltumwandlung finanziert wird) ist eine Lebens- oder Rentenversicherung, welche der Arbeitgeber abschließt und in der der Arbeitnehmer als versicherte Person und Begünstigter eingetragen wird. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber hier auch Versicherungsnehmer ist, also der eigentliche Vertragspartner des Versicherungsunternehmens. Der Arbeitnehmer erlangt die Rechte aus seinem Bezugsrecht mit Eintritt des Versicherungsfalls – im Rahmen der baV also der Eintritt in die Rente bzw. die im Versicherungsschein festgelegte Fälligkeit der Versicherung.
Da der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und Vertragspartner ist, kann eine Kündigung auch in der Tat – wenn überhaupt – nur durch den Arbeitgeber erfolgen. Sie als Arbeitnehmerin haben hier aus dem Vertragsverhältnis keinerlei Gestaltungsrechte, also Rechte, die auf Aufhebung, Kündigung oder Änderung des Vertrages gerichtet sind. Selbst wenn der Arbeitgeber kündigt, so wird ein etwaiger Rückkaufswert nach dem derzeitigen Stand in der Rechtsprechung (z.B. OLG Hamm 20 U 72/06
) nicht sofort fällig, sondern erst später zum Eintritt in die Rente. Einen Anspruch auf vorzeitige Auszahlung hat der Arbeitnehmer nicht. Hinzu kommt noch, dass der Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung durch den Arbeitgeber unter Umständen sogar dann nicht dem Arbeitnehmer, sondern dem Arbeitgeber gebühren kann. Dies liegt daran, dass der Arbeitnehmer lediglich das Bezugsrecht für den Versicherungsfall hat. Die Kündigung ist aber kein Versicherungsfall. Zu diesem Themenkomplex vertrete ich persönlich zwar eine abweichende Meinung, da hier in manchen Bereichen eine Gesetzeslücke vorliegt. Aber derzeit ist dies Stand der Rechtsprechung und damit erst mal als bestehende Rechtslage hinzunehmen. Allerdings weicht meine persönliche Meinung in dem von Ihnen beschriebenen Fall nicht ab, da hier das Gesetz und der gesetzgeberische Wille eindeutig sind.
Dies scheint zunächst aus Ihrer Sicht ausgesprochen ungerecht zu sein, liegt aber im System der baV begründet. Die baV hat das Ziel, dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Versorgung für das Alter zu ermöglichen. Eine vorzeitige Verwertung der Ansprüche ist daher im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen. Dies erfolgt deswegen, damit eben der Arbeitnehmer gerade nicht seine für die Altersversorgung gedachten Beträge für Engpässe aufbrauchen kann, die im Verlauf des Arbeitslebens auftauchen. Sonst würde hier der Gedanke der zusätzlichen Altersversorgung im Ergebnis ins Leere laufen. Für solche Fälle, wie von Ihnen hier beschrieben, ist der Arbeitnehmer darauf verwiesen, sich anderweitig privat abzusichern. Möglichkeiten hierzu gibt es viele – die baV soll hierfür allerdings nach dem Willen des Gesetzgebers nicht dienen.
Die Ihnen gegenüber durch den Versicherer gemachten Angaben sind also im Ergebnis zutreffend und rechtlich nicht zu beanstanden.
Es bedaure, Ihnen keine günstigere Mitteilung machen zu können.
Dennoch wünsche ich ein schönes Restwochenende und hoffe für Sie, dass Sie die bestehenden finanziellen Engpässe auf anderem Wege schließen können.
Mit freundlichen Grüßen,
P. Stühler-Walter,
Rechtsanwalt, Bonn
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