Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich wie folgt beantworte:
Sie machen sich nicht strafbar, wenn Sie sich nicht an die Empfehlung der Ärztin halten.
Sollte sich allerdings herausstellen, dass Ihre Stiefmutter tatsächlich nicht geschäftsfähig war, wäre sowohl die Vollmacht und die Patientenverfügung nichtig.
Es besteht letztlich die Gefahr, dass z.B durch das Krankenhaus tatsächlich beim Gericht die Bestellung eines Betreuers angeregt wird. Das Betreuungsgericht muss dann ermitteln, ob tatsächlich zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung keine Geschäftsfähigkeit bestand, da nur dann die Einsetzung eines Betreuers erforderlich ist.
Zweifel an der Geschäftsfähigkeit reichen nicht, sondern es muss feststehen, dass Ihre Stiefmutter zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung geschäftsunfähig war. Hierzu hat sich der BGH mit Beschluss vom 29.07.2020 - XII ZB 106/20 (https://openjur.de/u/2273237.html) wie folgt geäußert:
Zitat:a) Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Erteilung der Vollmacht unwirksam war, weil der Betroffene zu diesem Zeitpunkt geschäftsunfähig i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB war, steht die erteilte Vollmacht einer Betreuerbestellung nur dann nicht entgegen, wenn die Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht positiv festgestellt werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. August 2017 - XII ZB 502/16 - FamRZ 2017, 1777 Rn. 9 mwN und vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - FamRZ 2016, 701 Rn. 11).
[...]
Zutreffend nimmt das Landgericht dabei an, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine auf besonders schwierige Geschäfte beschränkte (sogenannte relative) Geschäftsunfähigkeit gibt (vgl. BGH Urteil vom 19. Juni 1970 - IV ZR 83/69 - NJW 1970, 1680, 1681 mwN). Zwar kann eine sonst bestehende Geschäftsfähigkeit für einen gegenständlich beschränkten Kreis von Angelegenheiten ausgeschlossen sein (sogenannte partielle Geschäftsunfähigkeit). Das ist der Fall, wenn es der betreffenden Person infolge einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht möglich ist, in diesem Lebensbereich ihren Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Störung zu bilden oder nach einer zutreffend gewonnenen Einsicht zu handeln, während das für andere Lebensbereiche nicht zutrifft (vgl. BGH Urteil vom 18. Mai 2001 - V ZR 126/00 - juris Rn. 9 mwN). Deshalb kann die Wirksamkeit einer Bevollmächtigung zu bejahen sein, wenn keine Zweifel bestehen, dass der Vollmachtgeber das Wesen seiner Erklärung begriffen hat und diese in Ausübung freier Willensentschließung abgibt, sollte auch seine Geschäftsfähigkeit im allgemeinen Rechtsverkehr nicht mehr gesichert sein (vgl. OLG München FamRZ 2009, 2033, 2034; Staudinger/ Bienwald BGB [2017] § 1896 Rn 274; Nedden-Boeger BtPrax 2019, 87).
Diese Form der partiellen Geschäftsfähigkeit hat die Sachverständige ihrer Einschätzung der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt der Vollmachterteilung jedoch nicht zugrunde gelegt. Sie hat vielmehr in ihren schriftlichen Gutachten und in ihrer Anhörung im Beschwerdeverfahren mehrfach ausgeführt, dass der Betroffene aufgrund seiner kognitiven Einschränkungen komplexe Sachverhalte nicht mehr ausreichend verstehen könne und er daher auch nicht in der Lage gewesen sei, die Folgen der Erteilung einer Generalvollmacht zu überblicken. Eine Geschäftsfähigkeit des Betroffenen für Geschäfte mit einem überschaubaren finanziellen Inhalt hat sie dagegen bejaht und den Betroffenen für eine in dem maßgeblichen Zeitraum vorgenommene Grundstücksübertragung für geschäftsfähig gehalten. Wie das Landgericht zu Recht ausführt, hat die Sachverständige damit ihrer Einschätzung ein Verständnis des Begriffs der Geschäftsunfähigkeit zugrunde gelegt, das rechtlich unzutreffend ist.
Sie müssen ggf. damit rechnen, dass das Krankenhaus ggf. Ihre Vollmacht nicht akzeptiert. Ob Ihre Stiefmutter geschäftsfähig ist bzw. war, kann ich natürlich nicht beurteilen und ob die Oberärztin dies wirklich sicher beurteilen kann, ist eine andere Frage. Letztlich haben Sie nicht wirklich Einfluss darauf, ob ein Dritter eine Betreuung anregt. Sollte dies passieren, wird dann im Verfahren die Geschäftsfähigkeit geklärt werden. Vorsorglich sollten Sie dann beantragen, aufgrund Ihres Verhältnisses als gesetzlicher Betreuer eingesetzt zu werden. Ggf. ergibt sich ja auch aus Ihrer Vorgeschichte, dass dies sicherlich der Wunsch Ihrer Stiefmutter gewesen wäre.
Ich wünsche Ihnen und vor allem Ihrer Stiefmutter alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen