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Dereliktion eines Grundstückes

23. Juli 2005 12:51 |
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Mietrecht, Wohnungseigentum


Eine Erbengemeinschaft will ein unverkäufliches Grundstück loswerden. In Abt. 2 Grundbuch ist eine Auflassungsvormerkung aus einem gescheiterten Verkauf eingetragen. Das Grundstück liegt in Sachsen, es ist mit mehrgeschossigen Wohnhäusern bebaut, die einzustürzen beginnen.
Nehmen wir an, daß alle Eigentümer bei einem Notar die Aufgabeerklärung unterzeichnet haben und die Eigentumsaufgabe im Grundbuch eingetragen wurde.

Sind die früheren Eigentümer das Objekt dann wirklich los oder haften sie nach der Dereliktion noch für irgend etwas (z.B. öffentliche Lasten, Verkehrssicherung, usw.)?

Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Sie werden sich nicht darauf verlassen können, dass Sie infolge der Aufgabe des Eigentums an dem Grundstück kein Risiko mehr haben, für „irgendwelche“ mit diesem Grundstück verbundenen Kosten aufkommen zu müssen.

Zwar lässt § 928 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausdrücklich die Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück zu, auch wenn der Eigentümer sich dadurch öffentlichen Verpflichtungen entziehen kann. Nach § 928 Abs. 1 BGB kann das Eigentum an einem Grundstück dadurch aufgegeben werden, dass der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamt gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird.

Doch befreit ein solcher Verzicht den Eigentümer nicht von jeder Haftung. Ich darf insoweit auf eine Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Mai 1986 zur Verantwortlichkeit für die Beseitigung der Folgen sogenannter Altlasten verweisen. In der Entscheidung wurde ausdrücklich festgehalten, dass eine ausschließlich auf das Eigentum gegründete Zustandshaftung den jeweiligen Grundstückseigentümer im bürgerlich-rechtlichen Sinn trifft. Zwar trifft diese Zustandshaftung regelmäßig nicht einen früheren Eigentümer. Für den „Sonderfall der Dereliktion“ soll dieser Grundsatz jedoch gerade nicht gelten.

Im übrigen ist ein Grundstückseigentümer gemäß § 4 Abs. 3 des Bodenschutzgesetzes auch im Falle der Eigentumsaufgabe verpflichtet, den Grundstücksboden bei Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Ingo Kruppa
Rechtsanwalt
www.kruppa-ruprecht.de

Rückfrage vom Fragesteller 23. Juli 2005 | 15:02

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort.

Unter www.dnoti.de/faxpool/Inhalt_Faxabruf_1.rtf Faxabrufnummer 11371 auf Seite 3 unten ist von : "Verkehrssicherungspflicht trotz Dereliktion" die Rede. Mir als jur. Laie ist es nicht möglich, diesen Faxabruf zu nutzen, ich weis also nicht, worum es da geht.
Bitte, erlauben Sie daher meine Nachfrage: Wird man wirklich alle öffentlichen Lasten und auch die Verkehrssicherungspflicht los? Die Haftung bei Kontamination ist mir bekannt, dieses Risiko könnte die EG tragen, da das Grundstück seit 150 Jahren als Wohngrundstück genutzt wurde.

Mit freundlichen Grüßen!



Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 23. Juli 2005 | 18:13

Sehr geeehrte(r) Ratsuchende(r),

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Grundsätzlich geht im Falle der Dereliktion die Verkehrssicherungspflicht auf die jeweilige Gemeinde über, in der das Grundstück belegen ist. Fraglich kann allerdings sein, ob die Dereliktion tatsächlich wirksam ist. Das wäre dann nicht der Fall, wenn sich der Zweck der Eigentumsaufgabe darin erschöpft, Kostenlasten zum Nachteil Dritter zu verschieben, so dass sie gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist.

Nach § 138 Abs. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, dass gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Das Bundesverfassungsgericht hat in Beschlüssen vom 16. Februar und 24. August 2000 klargestellt, dass es der Zweck dieser Vorschrift ist, Missbräuchen der Privatautonomie entgegenzuwirken. Es hat darauf verwiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte ein Rechtsgeschäft sittenwidrig ist, das gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" verstößt. Die Sittenwidrigkeit kann aus dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, aber auch aus seinem Gesamtcharakter hergeleitet werden, wie er sich aus der Zusammenschau von Inhalt, Motiv und Zweck ergibt.

Ein Rechtsgeschäft kann demgemäß seinen Unwert auch aus den Absichten der Beteiligten erhalten. Sittenwidrigkeit ist daher bejaht worden, wenn die Beteiligten mit dem Rechtsgeschäft den Zweck verfolgen, Kostenlasten zum Nachteil privater Dritter zu verschieben. Ob diese Drittschädigung der Hauptzweck des Rechtsgeschäfts ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht maßgebend.

Dasselbe Unwerturteil trifft Rechtsgeschäfte, die auf eine Schädigung der Allgemeinheit gerichtet sind. Dabei kommt es entscheidend auf den aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu erschließenden Gesamtcharakter der Vereinbarung an. Dementsprechend kann eine Eigentumsaufgabe mit dem Ziel, sich der mit dem Grundstück verbundenen Lasten zu entledigen, unter Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB als nichtig angesehen werden, so dass es dann bei der bisherigen Eigentumslage bleibt. Auch die Verkehrssicherungspflicht bleibt dann bei den bisherigen Eigentümern.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen weiteren Ausführungen Ihre Frage umfassend beantwortet zu haben und wünsche Ihnen noch ein schönes Wochenende.

Mit freundlichen Grüßen


Ingo Kruppa
Rechtsanwalt
www.kruppa-ruprecht.de

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