Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
vielen Dank für Ihre prozessrechtliche Anfrage, die mir vor wenigen Minuten zugewiesen wurde. Diese möchte ich anhand der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt beantworten.
Ihren Frust kann ich sehr nachvollziehen. Die Dauer eines derart langen Verfahrens ist ärgerlich und in Ihrem Fall auch nicht mehr zumutbar. Ihr Prozess muss schnellstmöglich zu einem Ende finden - nur so können für Sie nachteilige Folgeschäden vermieden werden.
Zunächst muss ich Ihnen mitteilen, dass es ab und zu vorkommen kann, dass ein gerichtliches Verfahren derart lange dauert. Manchmal sind die Gerichte schlichtweg überlastet und unterbesetzt; meistens ist dies aber eher bei sehr komplexen Streitigkeiten der Fall, wo eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme erforderlich ist. So sind zum Beispiel regelmäßig im privaten Baurecht sehr lange Rechtsstreitigkeiten zu finden, wo oft mehrere und zum Teil sehr komplexe Sachverständigengutachten einzuholen sind. Doch eine Anfechtungsklage - wie bei Ihnen der Fall - sollte ohne Vorliegen besonderer Umstände keine ganzen sieben Jahre dauern.
Wenn das Gericht zögerlich handelt, ist Ihr Anwalt leider zunächst machtlos - das Gericht bzw. der Richter bestimmt den Prozessablauf grundsätzlich allein. Jedoch steht dem Anwalt ab einen bestimmten Zeitpunkt ein besonderes Rechtsmittel zur Verfügung - nämlich die sog. Verzögerungsrüge und der damit verbundene Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz). Die Absätze 1-4 dieser Vorschrift lauten wie folgt:
Zitat:"(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. [b]Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden.[/b] Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar."
Ihr Anwalt hätte schon längst die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 GVG erheben können - ich hoffe, dass er das in Ihrem Fall getan hat. Jedoch hätte er auch die sechsmonatige Frist gemäß § 198 Abs. 5 GVG zur Klage auf Entschädigung beachten müssen.
Wenn Ihr Anwalt die Verzögerungsrüge nicht verfasst und die Frist nach § 198 Abs. 5 GVG pflichtwidrig hat verstreichen lassen, könnten Sie Ihren Rechtsanwalt mit Schadensersatzansprüchen in Regress nehmen. Denn durch sein Fehlverhalten wäre Ihnen ein Schaden entstanden - nämlich eine Zahlung in Höhe von 1.200,00 € pro verzögertem Jahr gemäß § 198 Abs. 2 GVG.
Ich empfehle Ihnen das folgende Vorgehen: Weisen Sie Ihren Rechtsanwalt für das Berufungsverfahren auf die Verzögerungsrüge hin und verlangen Sie, dass er diese nun umgehend erklärt. Fordern Sie Ihren Anwalt außerdem auf schriftlich zu erklären, ob und wann er für das Verfahren in der ersten Instanz eine Verzögerungsrüge erhoben und Entschädigungsansprüche geltend gemacht hat. Verneint er diesen Umstand oder schweigt er, so können Sie den Rechtsanwalt womöglich in Regress nehmen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen nachvollziehbar beantworten konnte. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Cedric Hohnstock
Rechtsanwalt