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Copyright bei Inspiration durch öffentlichen Programmquelltext

| 12. Oktober 2010 08:20 |
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Internetrecht, Computerrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Dr. Roger Blum

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich stehe vor folgendem Szenario:

Mein Auftraggeber möchte eine sehr spezielle Software, für die die Emulierung diverser alter Prozessoren benötigt wird.
Für die meisten habe ich selbst entspr. Emulatoren geschrieben, doch bei einem recht speziellen alten Prozessor böte es sich an, sich von ein paar kleinen, rund 12 Jahre alten, im Internet öffentlich zugänglichen Quelltext inspirieren zu lassen.

Über diesen Quelltexten steht etwas wie "copyright 1998 by A,B,C. Based on original info found in X's emulator, with additions by Y.". Das ganze unterliegt wohl einer GPL.

Von diesen Quelltexten interessieren mich 75% NICHT.
Mich interessieren einige mathematische Verfahren, die dort zum Einsatz kommen.

Auf dieser Basis würde ich einen neuen Emulator schreiben.
Grob gesagt wäre also ein gewisser Prozentsatz von diesen fremden Quelltext "inspiriert".
Ein "normaler" Programmierer würde das allerdings wahrscheinlich nicht einmal dann erkennen können, wenn er beide Varianten vergleichen würde.

In der Natur der Sache liegt natürlich auch, dass selbst wenn ich mich NICHT von diesem Quelltext inspirieren lassen würde, die Rechenergebnisse dennoch zu 99.9% identisch sein würden, denn die Emulatoren müssen ja letztlich exakt das gleiche tun, sonst wäre ja das Thema verfehlt...

Wir reden hier übrigens über sehr kleine Quelltexte, effektiv für mich nutzbar sind lediglich wenige 100 Zeilen Programmcode.

Die Frage ist nun: wie "stark" darf man sich inspirieren lassen, bevor ein Copyright-Problem auftritt?
Oder umgekehrt: wie verschieden muss eine Implementierung sein? Gibt es da ein Maß?

Abgesehen davon stellt sich mir bei einem Blick auf obiges "Copyright-statement" auch die Frage, inwiefern das überhaupt ernst zu nehmen ist. A,B,C haben sich ja offensichtlich bei X inspirieren lassen ("found in"). Und ich habe vor, das gleich bei A,B,C zu tun...

Vielen Dank!

Sehr geehrter Fragesteller,

vielen Dank für die Anfrage, die ich gern wie folgt beantworte:

Computerprogramme sind als technische Sprachwerke geschützt. Für die Ausgestaltung dieses Schutzes gelten die §§ 69a bis 69g UrhG . Diese Normen setzen die EG-Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen um.

Es dürfen keine anderen Kriterien als die in den §§ 69a ff. UrhG genannten angewandt werden (§ 69a Abs. 3 S. 2 Urh).

Der Schutz bezieht sich vor allem auf den Programmcode sowie auf die innere Struktur und Organisation des Programms.

Das Programm ist nach § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG schutzfähig, wenn es ich um eine „eigene geistige Schöpfung" handelt. Aus der weitern Formulierung ist zu schließen, dass JEDES Computerprogramm Urheberrechtsschutz genießt, bei dem ein Minimum an Individualität des Programmierers zu erkennen ist, das über das völlig Banale hinausgeht. Letztlich ist dies eine Frage des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob eine eigene geistige Schöpfungshöhe erreicht ist. Ein konkretes Maß gibt es nicht. Es darf sich nicht um eine bewusste oder unbewusste Kopie oder sonstige Nachahmung des bestehenden Programmscodes handeln. Die Rechtsprechung überprüft dies anhand der Schlagwörter Originalität, Individualität, Gestaltungshöhe und statistische Einmaligkeit.

Der Urheberschutz des Programms bezieht sich aber nicht auf den Text oder die Grafik, die auf den Computerbildschirm dargestellt wird. Daher bilden Internetseiten kein Computerprogramm, die lediglich in HTML programmiert sind. Der Quellcode von HTML Seiten genießt keinen Urheberschutz (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.3.2005, Az.: 11 U 64/2004 ). Denn diese Programmiersprache dient nur als Hilfsmittel für die Bildschirmgestaltung.

Ich hoffe Ihnen mit der Beantwortung geholfen zu haben. Eine Beratung innerhalb dieses Forums stellt nur eine erste rechtliche Orientierung dar. Die Baurteilung basiert auf den Angaben aus Ihrer Frage. Ich weise darauf hin, dass durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung anders ausfallen kann.

Im Rahmen der Nachfragefunktion stehe ich für eine etwaige Rückfrage zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Dr. Roger Blum

Rückfrage vom Fragesteller 12. Oktober 2010 | 10:05

Sehr geehrter Herr Blum,

Falls möglich würde ich gerne fragen, ob dann folgende Auslegung gültig wäre:

Zunächst: HTML o.ä. ist in diesem Szenario nicht von belang.
Es geht auch nicht um ganze Programme, sondern nur um eine sehr spezielle Funktion(alität) (die nur einen kleinen aber feinen Teil des ganzen ausmacht).

Das sieht alles äußerst grau aus.
Denn wenn ich Ihre Aussage zu meinen Gunsten interpretiere, dann könnte dabei folgendes herauskommen:

- bei genauem Vergleich des Codefragment aus dem Internet und meinem Code wäre keine direkte strukturelle Gemeinsamkeit ersichtlich, es ist keine "Kopie" oder Fast-Kopie.

- beide Codefragment bewältigen dennoch exakt die gleiche Aufgabe, was in der Natur der Sache liegt, denn es soll ja ein Hardware-Prozessor 1:1 nachgebildet werden.

- daher sind Ähnlichkeiten in der Herangehensweise ebenfalls natürlich. Es gibt in diesem Fall eben nicht sonderlich viele Wege, die nach Rom führen.

- die Unterschiede in der Umsetzung (Programmierungsstil, Sprachmittel, Optimierungen, etc.) sind so groß, dass beide Varianten Urherberschutz geniessen.

Sehe ich das richtig?

Beste Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 12. Oktober 2010 | 11:39

Sehr geehrter Fragesteller,

für den urheberrechtlichen Schutz ist unerheblich, ob beide Codefragmente exakt die gleiche Aufgabe bewältigen. Geschützt ist nicht die Funktion des Programms, sondern das linguistische Konstrukt, d.h. die sprachliche Ausdrucksform. Der Programmcode wird – vereinfacht ausgedrückt - mit einem literarischen Werk gleichgesetzt.

Wenn keine strukturellen Gemeinsamkeiten bestehen und nicht nur unwesentliche Unterschiede im Programmierungsstil, Sprachmittel und Optimierungen vorhanden sind, kann von einer eigenen schöpferischen Tätigkeit ausgegangen werden. Urheberrechtlichen Bedenken bestehen dann nicht.

Allerdings weisen Sie darauf hin, dass ein Hardware-Prozessor 1:1 nachgebildet werden soll. Hierbei könnte es unter Umständen patentrechtliche Beschränkungen geben.

Der Programmcode muss stets im Zusammenhang mit dem Prozessor gesehen werden. Es entsteht durch die Arbeit des Programmierers also nicht nur das Programm als urheberrechtlich zu betrachtendes linguistisches Konstrukt, sondern es ist letztlich dazu bestimmt, auf einer körperlichen Computerhardware zu laufen. Der Programmierer formt eine Datenverarbeitungseinrichtung, die durch die im Programm ausgedrückte Funktionalität gesteuert wird und nach außen ein bestimmtes Verhalten zeigt.

Aus patentrechtlicher Sicht wird statt des linguistischen Aspekts die durch den Programmcode ausgedrückte Funktionalität betrachtet. Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind zwar gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG eigentlich vom Patentrecht ausgeschlossen, doch wenn sich die Ideen und Grundsätze aus dem Programm als Erfindung qualifizieren (d.h., wenn sie neu sind, einen erfinderischen Schritt aufweisen, gewerblich anwendbar sind und einen ausreichenden Bezug zur Technik aufweisen), können sie als sog. computerimplementierte Erfindung patentierbar sein.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Dr. Roger Blum

Bewertung des Fragestellers 12. Oktober 2010 | 11:50

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