Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für die Anfrage, die ich gern wie folgt beantworte:
Computerprogramme sind als technische Sprachwerke geschützt. Für die Ausgestaltung dieses Schutzes gelten die §§ 69a
bis 69g UrhG
. Diese Normen setzen die EG-Richtlinie 91/250/EWG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen um.
Es dürfen keine anderen Kriterien als die in den §§ 69a ff. UrhG
genannten angewandt werden (§ 69a Abs. 3 S. 2 Urh).
Der Schutz bezieht sich vor allem auf den Programmcode sowie auf die innere Struktur und Organisation des Programms.
Das Programm ist nach § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG
schutzfähig, wenn es ich um eine „eigene geistige Schöpfung" handelt. Aus der weitern Formulierung ist zu schließen, dass JEDES Computerprogramm Urheberrechtsschutz genießt, bei dem ein Minimum an Individualität des Programmierers zu erkennen ist, das über das völlig Banale hinausgeht. Letztlich ist dies eine Frage des Einzelfalls. Es kommt darauf an, ob eine eigene geistige Schöpfungshöhe erreicht ist. Ein konkretes Maß gibt es nicht. Es darf sich nicht um eine bewusste oder unbewusste Kopie oder sonstige Nachahmung des bestehenden Programmscodes handeln. Die Rechtsprechung überprüft dies anhand der Schlagwörter Originalität, Individualität, Gestaltungshöhe und statistische Einmaligkeit.
Der Urheberschutz des Programms bezieht sich aber nicht auf den Text oder die Grafik, die auf den Computerbildschirm dargestellt wird. Daher bilden Internetseiten kein Computerprogramm, die lediglich in HTML programmiert sind. Der Quellcode von HTML Seiten genießt keinen Urheberschutz (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.3.2005, Az.: 11 U 64/2004
). Denn diese Programmiersprache dient nur als Hilfsmittel für die Bildschirmgestaltung.
Ich hoffe Ihnen mit der Beantwortung geholfen zu haben. Eine Beratung innerhalb dieses Forums stellt nur eine erste rechtliche Orientierung dar. Die Baurteilung basiert auf den Angaben aus Ihrer Frage. Ich weise darauf hin, dass durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung anders ausfallen kann.
Im Rahmen der Nachfragefunktion stehe ich für eine etwaige Rückfrage zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Dr. Roger Blum
Sehr geehrter Herr Blum,
Falls möglich würde ich gerne fragen, ob dann folgende Auslegung gültig wäre:
Zunächst: HTML o.ä. ist in diesem Szenario nicht von belang.
Es geht auch nicht um ganze Programme, sondern nur um eine sehr spezielle Funktion(alität) (die nur einen kleinen aber feinen Teil des ganzen ausmacht).
Das sieht alles äußerst grau aus.
Denn wenn ich Ihre Aussage zu meinen Gunsten interpretiere, dann könnte dabei folgendes herauskommen:
- bei genauem Vergleich des Codefragment aus dem Internet und meinem Code wäre keine direkte strukturelle Gemeinsamkeit ersichtlich, es ist keine "Kopie" oder Fast-Kopie.
- beide Codefragment bewältigen dennoch exakt die gleiche Aufgabe, was in der Natur der Sache liegt, denn es soll ja ein Hardware-Prozessor 1:1 nachgebildet werden.
- daher sind Ähnlichkeiten in der Herangehensweise ebenfalls natürlich. Es gibt in diesem Fall eben nicht sonderlich viele Wege, die nach Rom führen.
- die Unterschiede in der Umsetzung (Programmierungsstil, Sprachmittel, Optimierungen, etc.) sind so groß, dass beide Varianten Urherberschutz geniessen.
Sehe ich das richtig?
Beste Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
für den urheberrechtlichen Schutz ist unerheblich, ob beide Codefragmente exakt die gleiche Aufgabe bewältigen. Geschützt ist nicht die Funktion des Programms, sondern das linguistische Konstrukt, d.h. die sprachliche Ausdrucksform. Der Programmcode wird – vereinfacht ausgedrückt - mit einem literarischen Werk gleichgesetzt.
Wenn keine strukturellen Gemeinsamkeiten bestehen und nicht nur unwesentliche Unterschiede im Programmierungsstil, Sprachmittel und Optimierungen vorhanden sind, kann von einer eigenen schöpferischen Tätigkeit ausgegangen werden. Urheberrechtlichen Bedenken bestehen dann nicht.
Allerdings weisen Sie darauf hin, dass ein Hardware-Prozessor 1:1 nachgebildet werden soll. Hierbei könnte es unter Umständen patentrechtliche Beschränkungen geben.
Der Programmcode muss stets im Zusammenhang mit dem Prozessor gesehen werden. Es entsteht durch die Arbeit des Programmierers also nicht nur das Programm als urheberrechtlich zu betrachtendes linguistisches Konstrukt, sondern es ist letztlich dazu bestimmt, auf einer körperlichen Computerhardware zu laufen. Der Programmierer formt eine Datenverarbeitungseinrichtung, die durch die im Programm ausgedrückte Funktionalität gesteuert wird und nach außen ein bestimmtes Verhalten zeigt.
Aus patentrechtlicher Sicht wird statt des linguistischen Aspekts die durch den Programmcode ausgedrückte Funktionalität betrachtet. Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind zwar gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG
eigentlich vom Patentrecht ausgeschlossen, doch wenn sich die Ideen und Grundsätze aus dem Programm als Erfindung qualifizieren (d.h., wenn sie neu sind, einen erfinderischen Schritt aufweisen, gewerblich anwendbar sind und einen ausreichenden Bezug zur Technik aufweisen), können sie als sog. computerimplementierte Erfindung patentierbar sein.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Dr. Roger Blum