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Berufsunfähgikeitsversicherung: Risiken wegen bisher unbekannten Diagnose

| 7. September 2025 17:33 |
Preis: 70,00 € |

Versicherungsrecht, Privatversicherungsrecht


Beantwortet von


in unter 2 Stunden

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich habe im Sep. 2023 mein Referendariat im Lehramt begonnen und bin seit Nov. 2023 krankgeschrieben – zunächst wegen Bluthochdruck und Stresssymptomen, schnell entwickelte sich eine schwere Depression. Von Apr.–Jun. 2024 war ich zwei Monate in einer psychosomatischen Klinik. Im Dez. 2024 wurde dann, über einen Routinebesuch beim Frauenarzt, ein hormonell aktiver Tumor an der Nebenniere festgestellt (Stresshormone), im Jan. 2025 wurde dieser operativ entfernt. Aktuell bin ich weiterhin krankgeschrieben, meine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis erfolgt zum 30.09.2025.

Ich habe Leistungen aus meiner Berufsunfähigkeitsversicherung (AXA) beantragt und das amtsärztliche Gutachten sowie die Kündigung nach Anfrage, eingereicht. Im Gutachten heißt es, dass ich innerhalb der nächsten 6 Monate nicht fit und psychisch nicht belastbar genug bin; der Tumor könne mitverantwortlich für die Depression (Grund für die durchgehende Krankschreibung und auch Kündigung) sein, wenn überhaupt aber nur als Teilaspekt.

Letzte Woche erhielt ich von meiner alten Krankenkasse eine 47-seitige Akte, da diese auch von der Versicherung angefordert wurde. Gleich auf der ersten Seite steht ein Krankenhausaufenthalt von 2017 mit der Diagnose D44.1 (Raumforderung Nebenniere) sowie R10.1:„Schmerzen im Oberbauch". Daran kann ich mich nur vage erinnern: Ich weiß noch, dass ich damals wegen Bauchschmerzen im Krankenhaus war. Mein damaliger Hausarzt (inzwischen im Ruhestand) sprach mit mir darüber, leitete aber keine weiteren Untersuchungen ein und vermittelte mir, dass es sich wohl nur um Bauchschmerzen handle. Von der Diagnose D44.1 hatte ich keinerlei Kenntnis. Mir war also nicht bewusst, dass überhaupt eine solche Diagnose im Raum stand – sonst hätte ich selbstverständlich weitere Schritte unternommen.

Meine Fragen:
1. Kann die BU meinen Leistungsanspruch ablehnen, weil diese alte Diagnose auftaucht, obwohl ich nichts davon wusste?
2. Drohen mir Rückforderungen oder rechtliche Schritte wegen „falscher Angaben"?
3. Kann auch meine private Versicherung bei AXA Kosten zurückfordern (z. B. für die OP)?
4. Soll ich die neu erhaltenen Unterlagen proaktiv an die AXA weiterleiten oder eine Erklärung beifügen?

7. September 2025 | 18:57

Antwort

von


(53)
Am Kaiserkai 69
20457 Hamburg
Tel: 040 / 609 436 70
Web: https://www.komning.com
E-Mail:

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Werden Leistungsansprüche wegen Berufsunfähigkeit geltend gemacht, prüfen Versicherer nicht nur, ob der Leistungsanspruch besteht, also nach den Versicherungsbedingungen die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit vorliegen, sondern auch, ob aufgrund einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung ein Rücktritt oder eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung in Betracht kommt. Dies insbesondere dann, wenn die Anfechtungsfrist von zehn Jahren seit Vertragsabschluss noch nicht abgelaufen ist. Hintergrund ist, dass nach §§ 19 ff. VVG bei der Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht verschiedene Rechtsfolgen in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Bei diesen Fragen handelt es sich um die bei Antragsstellung zu beantwortenden Gesundheitsfragen, da auf deren Grundlage der Versicherer entscheidet, ob er den Vertrag (gegebenenfalls mit Risikozuschlag oder Leistungsausschluss) annimmt. Werden diese Anzeigepflichten verletzt, kann der Versicherer unter anderem von dem Vertrag zurücktreten und gegebenenfalls auch den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.
Entscheidend ist daher, ob die von dem Versicherer gestellten Gesundheitsfragen ordnungsgemäß beantwortet worden sind, welche Fragen in Ihrem Fall gestellt wurden und gegebenenfalls auch, wie lange die Behandlungen, aufgrund deren die Diagnosen gestellt worden sind, bei Antragsstellung zurücklagen. In der Regel werden von den Versicherern bei den Gesundheitsfragen nicht Diagnosen abgefragt, sondern es müssen alle Beschwerden, Behandlungen oder Untersuchungen in dem erfragten Zeitraum (z.B. ambulant fünf Jahre, stationär zehn Jahre) angegeben werden.

Da Versicherer Leistungen nur dann erbringen möchten, wenn Sie hierzu auch verpflichtet sind, ist es in Ihrem Fall leider durchaus möglich, dass die AXA nach Prüfung der Unterlagen Ihrer gesetzlichen Krankenkasse den Rücktritt von dem Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht erklärt und/oder hilfsweise die Anfechtung wegen Täuschung. Zu klären wäre in Ihrem Fall anhand der Antragsunterlagen (Gesundheitsfragen), was genau erfragt worden ist, ob die Anzeigepflicht verletzt wurde und ob die Behandlung in den erfragten Zeitraum gefallen ist. Problematisch ist mit Sicherheit, dass die „Raumforderung Niere" sowie die „Bauchschmerzen" von dem Versicherer möglicherweise als Risiko bewertet worden wären, was zu einer Ablehnung oder einem Risikozuschlag oder Leistungsausschluss hätte führen können.

Um hier einen genaueren Überblick zu bekommen, müssten die Gesundheitsfragen geprüft werden. Sie können diese gerne über die Nachfragefunktion (gegebenenfalls geschwärzt) hochladen oder sie zur Überprüfung an mich direkt senden.

Um Ihre Fragen zu beantworten:
Entscheidend wird nicht sein, ob Ihnen die von Ihrem behandelnden Arzt gestellten Diagnosen bekannt gewesen sind, sondern, ob die Behandlung/Untersuchung in den erfragten Zeitraum gefallen und mitgeteilt worden ist. Da dies bei Ihnen vermutlich nicht der Fall war, müsste überlegt werden, wie hier argumentiert werden könnte. Ein Argument wäre mit Sicherheit, dass Ihnen gegenüber mitgeteilt worden ist, dass es sich lediglich um „Bauchschmerzen" handeln würde. Entscheidend könnte weiter sein, ob es mehrere oder nur eine Behandlung/Untersuchung gegeben hat. Sollte der Versicherer sich auf eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung berufen oder aber den Vertrag anfechten, wären die Rechtsfolgen zu überprüfen und gegebenenfalls erforderlich, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen. In dem Fall würden zunächst keine Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung fällig werden. Auch ein Zurückhalten der Unterlagen der Krankenkasse bringt hier nichts, da der Versicherer im Rahmen der Leistungsprüfung nicht nur die gesundheitlichen Voraussetzungen und die Einschränkung prüfen darf, sondern eben auch, ob der Vertrag überhaupt wirksam zustande gekommen ist. Wichtig ist aber auch, dass Sie von der Krankenkasse nur jene Unterlagen weiterleiten müssen, die in den erfragten Zeitraum gefallen sind. Da Sie, wenn ich es richtig verstanden habe, bislang noch keine Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit bezogen haben, kommt ein Rückforderungsanspruch hier nicht in Betracht.

Bei ihrer dritten Frage bin ich mir nicht sicher, was Sie meinen. Ist gemeint, dass Sie auch Ihre Krankheitskostenversicherung bei der AXA haben? Aufgrund der Konzerntrennung erfolgt hier kein interner Austausch. Zudem käme es bei der Krankheitskostenversicherung wiederum auf die bei Antragsstellung abgefragten Gesundheitsdaten an. Auch hier müsste man sich die Antragsfragen ansehen, den Zeitpunkt der Untersuchungen etc. Bei der PKV allerdings erlöschen die Rechte des Versicherers zum Rücktritt wegen vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung früherer. Allerdings bleibt auch hier die Möglichkeit des Versicherers zur Vertragsanfechtung.

Wenn der Versicherer die Unterlagen der Krankenkasse angefordert hat, wird dieser keine Leistungserklärung abgeben, bevor die Prüfung abgeschlossen werden konnte. Da die Unterlagen der gesetzlichen Krankenkassen mit 47 Seiten sehr umfangreich sind, muss in erster Linie geprüft werden, ob die erfassten Informationen überhaupt in den erfragten Zeitraum gefallen sind und ob sich aus den Unterlagen noch weitere Behandlungen/Untersuchungen ergeben, die seinerzeit nicht angegeben wurden. Das allerdings wäre im Rahmen dieses Formats aufgrund der Gesundheitsdaten und des Umfangs nicht möglich. Wenn Sie eine solche Prüfung wünschen, melden Sie sich gerne direkt bei mir. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich daher von einer Übersendung der Unterlagen noch absehen. Grundsätzlich halte ich die Beifügung einer Stellungnahme oder Erklärung für nicht sinnvoll, da Sie den Versicherer damit direkt auf das Problem hinweisen.

Gerne würde ich Ihnen andere Informationen zukommen lassen aber nach Ihrer Schilderung ist leider durchaus möglich, dass der Versicherer sich auf das Vorliegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung beruft und den Rücktritt vom Vertrag und hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt. Daher ist es wichtig, im Vorfeld die Antragsunterlagen und Gesundheitsdaten zu prüfen.

Wenn ich die Prüfung der Vertrags und Antragsunterlagen für Sie übernehmen soll, melden sich gerne direkt bei. In dem Fall würde ich Ihnen mitteilen, welche Unterlagen zur Prüfung benötigt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Birte Raguse
Fachanwältin für Versicherungsrecht


Bewertung des Fragestellers 9. September 2025 | 08:16

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