Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst:
Wenn Sie den Vertrag nicht unterschrieben haben, ist kein wirksamer Vertrag mit dem FH zustande gekommen, da ein Vertrag nur bei Vorliegen übereinstimmender Willenserklärungen beider Vertragsparteien zustande kommt. Sie führen aus, dass Ihre Unterschriften gefälscht wurden. Ich kann nicht beurteilen, wie "gelungen" oder "echt" die Fälschungen geraten sind. Wenn sich der FH darauf beruft, dass die Unterschriften von Ihnen geleistet wurden, trifft ihn - falls er Rechte aus dem "Vertrag" gegen Sie gerichtlich herleiten will - insoweit die Beweislast, d.h. er muss in einem Zivilprozess (Zahlungsklage) die "Echtheit" der Unterschriften beweisen. Wahrscheinlich hat er Sie die "Reservierungen" und Bauskizzen nur unterzeichnen lassen, um Fälschungsvorlagen Ihrer Unterschriften zu bekommen. In einem Zivilprozess wird die Echtheit von Unterschriften anhand eines Schriftvergleichs sowie ggfs. durch Einholung eines graphologischen Gutachtens überprüft (§§ 441
, 442 ZPO
). In jedem Fall empfehle ich Ihnen, bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB
) gegen den FH zu erstatten, da die Staatsanwaltschaft zusätzliche Ermittlungsmöglichkeiten hat (z.B. Untersuchung der "Kaufverträge" auf Ihre Fingerabdrücke oder ggfs. DNA-Spuren hin). Die Kosten des Ermittlungsverfahrens hat entweder der Beschuldigte (FH) im Falle seiner Verurteilung oder im Falle der Einstellung oder des Freispruchs die Staatskasse zu tragen. Nur ausnahmsweise können dem Anzeigeerstatter die Kosten des Strafverfahrens auferlegt werden, wenn er vorsätzlich oder leichtfertig eine falsche Anzeige erstattet hat (§ 469 Abs. 1 StPO
). Im Falle der Einholung eines graphologischen Gutachtens können sich die Kosten dann im vierstelligen Bereich bewegen, eine genaue Kostenprognose ist im Vorhinein aber nicht möglich.
Unabhängig davon dürfte aber der Ihnen untergeschobene Hausbauvertrag unbeschadet der Frage der Echtheit Ihrer Unterschriften formunwirksam sein: Nach § 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB
bedürfen Grundstückskaufverträge zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Nach der Rechtsprechung bilden ein Grundstückskaufvertrag und ein Hausbauvertrag eine rechtliche Einheit, wenn beide Verträge der Gestalt miteinander verknüpft sind, dass sie miteinander "stehen oder fallen sollen"; hierbei reicht es auch aus, wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere Partner ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt. Es ist dabei nicht erforderlich, dass an jedem der verknüpften Rechtsgeschäfte jeweils dieselben Parteien beteiligt sind (Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 6. Dezember 1979 - VII ZR 313/78
, BGHZ 76, 43
, 48 f.; Urteil vom 6. November 1980 - VII ZR 12/80
, BGHZ 78, 346
, 349; BGH, Urteil vom 12.02.2009 Aktenzeichen: VII ZR 230/07
, NJW-RR 2009, 953
-955). Hierfür reicht es allerdings nicht aus, dass der Bauherr überhaupt gezwungen ist, ein Grundstück zu erwerben, um den Hausbau ermöglichen zu können. Auch der Umstand, dass der Bauvertrag auf einem bestimmten, bereits ins Auge gefassten Grundstück ausgeführt werden soll, reicht für sich genommen nicht. Eine Verknüpfung kann aber dann angenommen werden, wenn der Bauunternehmer maßgeblichen Einfluss auf die Durchführung des Kaufvertrages hat. Er wird dann häufig dadurch im Bauvertrag manifestiert, dass die Bebauung auf einem bestimmten Grundstück erfolgen soll. Hat der Bauunternehmer hingegen keine Einflussmöglichkeit auf die Durchführung des Kaufvertrages, bedarf es anderer, besonderer Umstände, die den Schluss zulassen, der Bauvertrag sei beurkundungsbedürftig (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2011 - Aktenzeichen: 1 U 84/10
, NJW-RR 2011, 743
-744). Ein starkes Indiz für einen einheitlichen Vertragswillen in diesem Sinn ist es, wenn die Leistungspflicht des Auftragnehmers auf ein bestimmtes Grundstück beschränkt ist. Hierfür spricht vorliegend, dass der Bau des EFH auf einem bestimmten Grundstück in der Anzeige des FH angeboten wurde. (Ob auch die "Reservierungen" an ein bestimmtes Grundstück gebunden waren, ergibt sich nicht aus dem von Ihnen mitgeteilten Sachverhalt.) Auch wurde die beabsichtigte notarielle Beurkundung vorliegend vom FH organisiert. Allerdings ist eine sichere rechtliche Bewertung zu diesem Punkt nur möglich bei Einsichtnahme in den genauen und vollständigen Text des Hausbauvertrages, des Grundstückskaufvertrages (Entwurf)und der "Reservierungen".
Folge der rechtlichen Einheit von Grundstückskaufvertrag und Hausbauvertrag ist, dass auch der Hausbauvertrag formnichtig ist, weil er nicht zusammen mit dem Grundstückskaufvertrag in einer Urkunde notariell beurkundet wurde.
Ihre Ausführungen zum rechtzeitigen Widerruf eines Angebots vor dessen Zugang beim anderen Teil sind im Prinzip zutreffend. Allerdings ist nach der überwiegenden Rechtsprechung ein Faxprotokoll nicht geeignet, den Zugang beim Empfänger zu beweisen (BGH, Beschluss vom 21.07.2011
Aktenzeichen: IX ZR 148/10
, IBR 2011, 733
). Der FH braucht also nur zu behaupten, dass er Ihr Fax nicht erhalten hat.
Nach § 147 Abs. 2 BGB
kann der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umstände erwarten darf, wenn nicht im Hausbauvertrag eine bestimmte Frist für die Annahme festgelegt war (§ 148 BGB
), was vorliegend zu prüfen wäre. Fehlt eine solche Frist bzw. ist sie nicht eingehalten, dann wird in der Tat bei "einfachen" Verträgen von einem Zeitraum von 14 Tagen ausgegangen - die verspätet zugegangene Annahme gilt dann als neuer Antrag, die ihrerseits der Annahme bedarf, § 150 Abs. 1 BGB
. Allerdings hat der BGH entschieden, dass bei finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträgen, deren Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, der Eingang der Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen erwartet werden kann (Urteil vom 11.06.2010 - Aktenzeichen: V ZR 85/09
, NJW 2010, 2873
-2876). Das Landgericht Bielefeld ist bei Werkverträgen von einer Annahmefrist von bis zu einem Monat ausgegangen (Urteil vom 23.09.2009 -
Aktenzeichen: 3 O 232/08
).
Allerdings ist vorliegend auch zu prüfen, ob der FH Bauträger im Sinne des § 34 c Abs. 1 Gewerbe-Ordnung (GewO) ist und damit dem Anwendungsbereich der Makler- und Bauträger-Verordnung (MaBVO) unterfällt. In diesem Fall darf er nämlich nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der MaBVO von Ihnen als Auftraggebern auch im Rahmen des Hausbaus Geld und Vermögenswerte nur entgegennehmen, wenn Ihr Anspruch auf Erwerb des Baugrundstücks im Grundbuch durch Eigentum einer Vormerkung gesichert ist.
"Bauherr" ("Bauträger") im Sinne der § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewO
, § 3 MaBVO ist derjenige, der Herr des gesamten Baugeschehens ist und nach außen im eigenen Namen auftritt, insbesondere auch gegenüber den Baubehörden; in der Regel ist er Eigentümer (oder sonst Berechtigter) des Baugrundstücks. Wesentliches Merkmal des Bauherrn ist, dass er bestimmenden Einfluss auf das gesamte Baugeschehen behält, für die wirtschaftliche Durchführung des Bauvorhabens auf seinem Grundstück im Rahmen des vereinbarten Werklohns und sonstiger zu erwartender Kosten zu sorgen hat und das so genannte Bauherrenrisiko trägt. Dabei kommt es im Regelfall auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Bauvertrages an. Befindet sich das Grundstück bei Abschluss des Werkvertrages/Bauträgervertrages noch im Eigentum des Auftragnehmers, ist seine Bauherreneigenschaft in der Regel zu bejahen. (Anschluss BGH, Urteil vom 26. Januar 1978, VII ZR 50/77
, NJW 1978, 1054
).
Die Bauherreneigenschaft des Auftragnehmers/Bauträgers i.S.v. § 34c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GewO
, § 3 MaBV
ist auch dann gegeben, wenn ein Erwerb des Grundstücks ohne Abschluss des Werkvertrages mit dem Bauträger bei der vorgesehenen Bebauung nicht möglich war, und der Bauträger bei Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages und des Werkvertrages noch Eigentümer des Grundstücks war und auch nach Umschreibung des Eigentums auf den Erwerber nach Baubeginn weiterhin Herr des Baugeschehens und Ansprechpartner der Behörden blieb, ohne Einflussmöglichkeiten des Erwerbers frei schalten und walten konnte und allein berechtigt war, die Verträge mit den Unternehmern anderer Gewerke abzuschließen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2011 - Aktenzeichen: I-23 U 87/09
, 23 U 87/09
, IBR 2011, 586
).
§ 3 MaBVO ist analog auch anzuwenden, wenn der Auftragnehmer zwar nicht Eigentümer des Baugrundstücks ist, er aber mit dem Eigentümer wirtschaftlich zusammenarbeitet bzw. der Eigentümer sich verpflichtet hat, das Grundstück auf Weisung des Auftragnehmers an den Auftragneher zu verkaufen.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend im Einzelnen anhand der Vertragskonstruktionen zu prüfen. Ist die Bauträger-Eigenschaft des FH zu bejahen, kann er schon wegen § 3 MaBVO von Ihnen keine Zahlungen verlangen.
Ich empfehle Ihnen, die Vertragstexte noch einmal einem Anwalt zur Prüfung vorzulegen. Unbeschadet dessen empfehle ich Ihnen folgende Vorgehensweise:
1. Strafanzeige gegen FH wegen Urkundenfälschung
2. Verweigerung einer Zahlung unter Verweis auf Unterschriftsfälschung, fehlende Beurkundung des Vertrages und Nichteinhaltung von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MaBVO.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Neumann, Rechtsanwalt
Berichtigung:
zu § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MaBVO muss es richtig heißen:
"...wenn Ihr Anspruch auf Erwerb des Baugrundstücks im Grundbuch durch Eintragung einer Vormerkung gesichert ist."
zur analogen Anwendung von § 3 MaBVO:
"...das Grundstück auf Weisung des Auftragnehmers an den Auftraggeber zu verkaufen."
Die Schreibfehler, die ich zu entschuldigen bitte, sind der späten Uhrzeit der Abfassung der Antwort geschuldet.