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Arzt-Patientenverhältnis im Strafverfahren und danach

| 26. Dezember 2016 12:23 |
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Strafrecht


Beantwortet von

Rechtsanwältin Liubov Zelinskij-Zunik, M.mel.

Zusammenfassung

ärztliche Schweigepflicht und § 203 StGB

Wenn ein Beschuldigter in einem Strafverfahren vor dem Verfahren Patient bei einem Arzt, z. B. Psychiater war und nun in der öffentlichen mündlichen Verhandlung bzw. in dem folgenden schriftlichen Urteil auch medizinische Dinge Thema waren, z. B. dieser Arzt auch als Zeuge in der Verhandlung aufgetreten ist, ist dann der Arzt des Patienten/Beschuldigten generell von der Schweigepflicht nach §203 StGB entbunden? D.h. darf er nun in der Öffentlichkeit, z. B. in öffentlichen Ausbildungskursen oder auch "vor der Haustüre" zu irgendwelchen Personen bezüglich dieses Patienten über Inhalte aus dem Arzt-Patientenverhältnis reden, ohne von dem Patienten generell von der Schweigepflicht entbunden worden sein (eine möglicherweise gegebene Schweigepflichtsentbindung bezog sich ja nur auf das Gericht bzw. die ermittelnden Behörden)?

Die Antwort bitte mit rechtlicher Begründung.

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Ihre Frage stelle ich mal so um:
1. Ist ein Arzt, der als Zeuge in der Verhandlung aufgetreten ist, generell von der Schweigepflicht nach §203 StGB entbunden?
Eindeutig NEIN
rechtliche Begründung:
Es gibt keine generelle Entbindung von der Schweigepflicht nach §203 StGB oder nach anderen Gesetzen. Die Entbindung von der Schweigepflicht macht das an sich strafbare Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB ) nicht rechtswidrig und somit nicht strafbar. Sie ist eine Art von Willenserklärung eines Patienten und wie jede Erklärung muss sie „ausgelegt" werden, d.h., was hat der Patient mit dieser Erklärung gewollt? Mangels Angaben im Sachverhalt folgendes Beispiel: angenommen, der Angeklagte hat seinen Arzt für die Aussage im Strafverfahren von der Schweigepflicht entbunden; diese Erklärung darf aber nicht so verstanden werden, dass das auch außerhalb des Strafverfahrens gilt, denn der Personenkreis, dem die Tatsachen bekannt geworden sind, ist – trotz Öffentlichkeit der Verhandlung- begrenzt und bestimmbar war. Redet der Arzt außerhalb der Verhandlung über das Patientenverhältnis, macht er sich nach § 203 StGB strafbar, es sei denn es liegen ANDERE RECHTFERTIGUNGSGRÜNDE VOR (nicht die Entbindung von der Schweigepflicht). Dazu s. 2

2. macht sich der Arzt, der als Zeuge in der öff. Verhandlung aufgetreten ist und über den angeklagten Patienten ausgesagt hat bzw. sich schriftlich geäußert hat, nach § 203 StGB strafbar, wenn er danach in der Öffentlichkeit, z. B. in öffentlichen Ausbildungskursen oder auch "vor der Haustüre" zu irgendwelchen Personen bezüglich dieses Patienten über Inhalte aus dem Arzt-Patientenverhältnis redet, ohne von dem Patienten generell von der Schweigepflicht entbunden worden sein.

NEIN, wenn dies zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erforderlich und als angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr ist.
rechtliche Begründung:
Auszug aus dem Buch: Ulsenheimer in: Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2015, I. Die Bedeutung der ärztlichen Schweigepflicht für die Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitswesens:
„Trotz des hohen Rangs der ärztlichen Schweigepflicht gilt sie nicht absolut, sondern in Kollisionslagen nur relativ.* Ein Recht zur Offenbarung besteht nämlich dann, wenn diese zum Schutz eines höherrangigen Rechtsguts erforderlich und als angemessenes Mittel zur Gefahrenabwehr anzusehen ist, z.B. Offenbarung der Geisteskrankheit zum Zwecke der Anstaltsunterbringung, Information der zuständigen Verwaltungsbehörde über schwere Ausfallerscheinungen des autofahrenden Patienten,* Mitteilung an die Polizei bei schwersten Verbrechen (insbe-sondere, wenn Wiederholungsgefahr besteht, etwa bei Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung). Angesichts der Bedeutung der Verschwiegenheitspflicht verdient die strengere Auffassung den Vorzug. Danach muss das geschützte Rechtsgut (z.B. Gesundheit oder Leben anderer) das beeinträchtigte Rechtsgut (die ärztliche Schweigepflicht) wesentlich überwiegen und der Eingriff zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr zwingend notwendig sein, z.B. zur Verhinderung einer bevorstehenden Straftat nach erfolglosem Versuch, den Täter von der Tat abzuhalten".

Ob das bei Ihnen der Fall ist, kann ich nicht exakt beurteilen. Wenn es aber so ist, dass die Angaben „in öffentlichen Ausbildungskursen oder "vor der Haustüre" zu irgendwelchen Personen" gemacht werden, dann liegen wohl keine höherrangigen Rechtsgüter vor m.d.F., dass sich der Arzt nach § 2ß3 StGB strafbar gemacht hat.






Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 26. Dezember 2016 | 13:52

Zu Ihrer weiteren Information: Der Betroffene oder Beschuldigte befand sich nach der erfolgten Verurteilung in dem Zeitraum der öffentlichen Äußerungen des betreffenden Arztes bereits im Maßregelvollzug, es lag also keine gegebene Gefahr oder sonst ein berechtigtes Interesse mehr vor für diese Äußerungen.

Die Gegenseite im momentanen Rechtsstreit (Schmerzensgeldklage gegen den Arzt wg. Schweigepflichtsverletzung) argumentiert aber folgendermaßen: "Schließlich ist auch nach der Kommentierung einheitlich eine Tatsache nicht mehr als geheim anzusehen, wenn sie Gegenstand einer öffentlichen Gerichtsverhaltung oder eines polizeilichen Ermittlungsverfahrens war, falls beliebige Dritte von dem Vorhandensein wissen können. (Aus dem Beckschen Kurzkommentar, Fischer Schwarz §203 StGB , Randziffer 5)" Wie würden Sie in dem genannten Zusammenhang diesen Kommentar bewerten und was könnte man hierzu entgegnen?
(Falls die Beantwortung einen höheren Aufwand bedeutet, würde ich nochmal etwas bezahlen, die Antwort ist mir wichtig)

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 26. Dezember 2016 | 14:59

Im Kommentar, den Sie zitiert haben, ist auf Entscheidungen verwiesen, die teilweise nicht veröffentlich sind. Eine der Entscheidungen ist hier: https://openjur.de/u/296222.html
Entscheidend ist m.E. der Umstand, dass „beliebige Dritte von den Umständen des Patientenverhältnisses" Kenntnis haben können. Das ist zum einen der Fall, wenn die Entscheidung veröffentlicht wurde und den Namen des Betroffenen enthält. Das ist in der Regel nicht der Fall. Ist das der Fall gewesen, ist die Tatsache nicht mehr geheim und die Strafbarkeit nach § 203 StGB entfällt. Voraussetzung ist aber, dass das was veröffentlicht wurde mit dem was „weiter erzählt" wurde, deckungsgleich ist.

Zu Ihrer Frage der generellen Entbindung von der Schweigepflicht s. dort, Rn. 28
„Grundsätzlich gilt das Einverständnis jedoch nur in dem Verfahren, in dem es erteilt worden ist (BGHSt 38, 369 (371) )".
Freundliche Grüße aus München
Zelinskij

Bewertung des Fragestellers 26. Dezember 2016 | 19:26

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