Sehr geehrter Fragesteller,
Sie haben Fragen bezüglich der Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch einen Aufhebungsvertrag und den Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente (EMR). Nachfolgend gehe ich auf Ihre beiden Fragen ein:
A) Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber
Es besteht keine direkte gesetzliche Verpflichtung, den Arbeitgeber über die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente zu informieren. Allerdings sollten Sie den Arbeitgeber unverzüglich über die Bewilligung der Rente in Kenntnis setzen, da dies Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis haben kann. Insbesondere bei einer vollen Erwerbsminderungsrente ruht das Arbeitsverhältnis in der Regel, und der Arbeitgeber muss über Ihren Status informiert sein, um entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können.
B) Anrechnung der Abfindungszahlung auf die Erwerbsminderungsrente
Abfindungen, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, gelten nicht als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV und werden daher nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet. Dies bedeutet, dass eine solche Abfindung nicht als Hinzuverdienst gemäß § 96a SGB VI betrachtet wird und somit keine Kürzung Ihrer Rente erfolgt.
Gestaltung des Aufhebungsvertrags
Um sicherzustellen, dass die Abfindungszahlung nicht als Arbeitsentgelt eingestuft wird, sollte der Aufhebungsvertrag klar formuliert sein. Es empfiehlt sich, folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Zweck der Abfindung: Deutlich machen, dass die Zahlung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes erfolgt.
- Zeitpunkt der Zahlung: Festlegen, dass die Abfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird.
- Keine Gegenleistung: Klarstellen, dass die Abfindung nicht für bereits erbrachte Arbeitsleistungen gezahlt wird.
Eine mögliche Formulierung könnte sein:
"Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe von [Betrag] Euro in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Diese Zahlung erfolgt spätestens zum Beendigungszeitpunkt und stellt kein Arbeitsentgelt für geleistete Arbeit dar."
Durch eine solche Formulierung wird deutlich gemacht, dass die Abfindung nicht als Arbeitsentgelt gezahlt wird und somit nicht auf die Erwerbsminderungsrente anzurechnen ist.
Ich hoffe, diese Ausführungen sind hilfreich für Sie. Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Hussein Madani
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Sehr geehrter Herr Madani,
Ich bedanke mich für die schnelle und umfassende Rückmeldung, die mir sehr hilft.
Unsicherheit besteht bei mir im Hinblick auf die Mitteilungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber.
Ich bin über längere Phasen arbeitsunfähig gewesen, durchgehend seit Juli 2024. Nach Bezug des Krankengeldes über den max. Zeitraum wurde ich ausgesteuert und erhielt ALG1 Leistungen im Rahmen der Nahtlosigkeit. Mein Arbeitgeber ( ein grosser Konzern) erhält von mir (aussertariflich beschäftigte Führungskraft) regelmäßig die AU Meldungen.
Man hat - da dem Arbeitgeber klar sein wird, dass ich die leitende Position nicht mehr ausfüllen kann und auch vor dem Hintergrund von Umstrukturierungsnaßnahmen- ein großes Interesse am Personalabbau.
Dementsprechend hat man ein interessantes Angebot in den Raum gestellt, das ich nun nicht gefährden möchte und aus wirtschaftlichen Gründen auch nicht gefährden kann.
Dies als Hintergrund meiner nachfolgenden Rückfrage.
Die (arbeitsvertragliche Neben?) Pflicht zur unverzügliche Mitteilung kann sich nach meinem Verständnis nur begründen lassen, wenn die Information über die befristete EMR Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis/die Pflichten des Arbeitgebers/Arbeitnehmers hätte.
Während der AU und im Rahmen der Nahtlosigkeit haben weder ich als Arbeitnehmer, noch mein Arbeitgeber Leistungen erbracht.
- Was könnte sich in Bezug auf diese Pflichten insofern durch das Ruhen ändern? Denn es werden ja auch dann keine Leistungen erbracht.
- Daraus resultierend: wenn ich mich nun auf einen Aufhebungsvertrag verständige, der die Zahlung des Betrages X zum Zweck der Beendigung des Arbeisverhältnisses vorsieht: könnte dies - bei Verschweigen der befristeten EMR - einen Anfechtungsgrund darstellen mit der Konsequenz, dass der Betrag zurückzuzahlen wäre?
Ich möchte festhalten: ich möchte meinen Arbeitgeber nicht "betrügen", muss aber auch taktisch vorgehen. Insofern würde ich mich über eine ergänzende Information freuen.
Vielen dank.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung und die ergänzenden Informationen zu Ihrer Situation. Ihre Überlegungen sind gut nachvollziehbar, und ich beantworte gerne Ihre Rückfragen wie folgt:
Mitteilungspflicht bezüglich der Erwerbsminderungsrente
Grundsätzlich besteht keine allgemeine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Bezug einer befristeten Erwerbsminderungsrente (EMR) zu melden, es sei denn, diese Information hätte konkrete Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis oder die Pflichten der Vertragsparteien. Dies könnte konkret der Fall sein, wenn im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn eine unbefristete volle Erwerbsminderungsrente in Anspruch genommen wird. Gleichzeitig wird in solchen Fällen oft eine Pflicht aufgenommen, den Arbeitgeber über entsprechende Umstände zu informieren. Dies zeigt auch, dass eine allgemeingültige Pflicht nicht besteht.
Potenzielle Anfechtungsgründe bei Verschweigen der EMR
Ein Arbeitgeber könnte einen abgeschlossenen Aufhebungsvertrag anfechten, wenn der Arbeitnehmer eine arglistige Täuschung im Sinne von § 123 BGB begeht. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bewusst eine Tatsache verschweigt, die für den Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung ist, und damit einen Irrtum beim Arbeitgeber hervorruft. Dies setzt aber auch eine entsprechende Täuschungsabsicht voraus. Ferner müsste der Arbeitgeber beweisen, dass er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn er von der EMR gewusst hätte. Dies wäre nur dann plausibel darzulegen, wenn eine wie oben beschriebene Klausel im Arbeitsvertrag enthalten wäre, die den Arbeitgeber berechtigt das Arbeitsverhältnis zu beenden, wenn eine EMR bezogen wird. Sollte eine solche Klausel enthalten sein, besteht durchaus das Risiko einer Anfechtung.
Handlungsempfehlung
1. Taktisches Vorgehen ohne Täuschung
Sie sollten zunächst prüfen, der Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Information über eine EMR enthält bzw. ob für diesen Fall die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen ist.
2. Transparenz in der Verhandlung
Falls Sie befürchten, dass der Arbeitgeber die EMR später als Grund zur Anfechtung heranziehen könnte, könnten Sie die EMR proaktiv erwähnen, jedoch klarstellen, dass diese keinen Einfluss auf die Motivation des Aufhebungsvertrags haben sollte.
Ich hoffe diese Informationen helfen Ihnen weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt