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§ 258 I, IV StGB (Versuchte) Strafvereitelung, Amtsträger, Polizei

| 12. Mai 2025 21:10 |
Preis: 50,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von

Sehr geehrte Damen und Herren,

Bitte prüfen Sie den vorliegenden Fall in einem Rechtsgutachten. Bitte legen Sie besonderen Wert auf die Abwandlung 2.

Fall:
A ist zu Gast bei einem Freund F in Untergünzelshausen, Bayern. Unwichtig U wählt den Polizeinotruf und gibt dort an, A hätte ihn soeben beleidigt.

Die Einsatzstreife B (Landespolizei) begibt sich zur Wohnung des F, wo sie A antrifft und zu der Sache befragt. A beteuert seine Unschuld und gibt bei der Feststellung der Personalien an, bei F nur mehrere Tage, vielleicht ein paar Wochen zu Gast zu sein. Seinen regelmäßigen Wohnsitz habe er in Lettland (EU Mitgliedsstaat, §37IStPO, §183IIZPO, EUZVO sind als gegeben anzunehmen, das Gericht kann nach Lettland zustellen), wohin er wieder zurück reisen wird, sobald es ihm in Bayern nicht mehr gefällt.

B fragt, wohin A denn mögliche Post empfangen will, es muss eine deutsche Adresse angegeben werden, da nach Lettland nicht zugestellt werden kann. A erwidert, das sei seines Wissens nach nicht der Fall, Amtspost könne problemlos zwischen Bayern und Lettland zugestellt werden, B liege falsch.

B erklärt daraufhin, er würde dann eben die Adresse des F als Zustelladresse angeben, worauf A erwidert, das sei ihm nicht genehm.

3 Monate später geht ein Strafbefehl (Geldstrafe 20 Tagessätze) wegen Beleidigung bei F ein, adressiert an "A, c/o F".

(Hinweis: § 132 StPO ist nicht zu prüfen.)

A (wieder zurück in Lettland), der vom F ohne dessen Kenntnis des Inhalts vom Eingang des als Amtspost erkennbaren Schriftstücks unterrichtet wird, weist F an, den Brief in eine Schublade zu legen, das interessiere ihn alles nicht.

5 Jahre später erfährt A bei einem erneuten Besuch des F, dass aus dem Strafbefehl gegen ihn vollstreckt werden soll. A macht erfolgreich fehlerhafte Zustellung geltend, legt gegen den Strafbefehl erfolgreich Einspruch ein und rügt (ebenfalls erfolgreich), dass die Sache verjährt und nicht mehr verfolgbar sei. A bleibt damit straffrei.

Bei Einsichtnahme in die Akte stellt sich heraus, dass B bei der Erstellung der Ermittlungsakte zwar die lettische Adresse des A aufgenommen hat, jedoch zusätzlich die folgende Angabe gemacht hat: "A hat glaubhaft versichert, an der Adresse des F einen festen Wohnsitz begründet zu haben."
Die Staatsanwaltschaft / das Gericht glaubten den Ausführungen des B, adressierte an "c/o F", und hat zudem darauf verzichtet, den Strafbefehl nach Lettland zu senden.

1. Bitte prüfen Sie, ob sich B wegen Strafvereitelung gem. § 258 I StGB schuldig gemacht hat.

Abwandlung:

A erfährt von F von dem Schreiben, bittet F sofort um Weiterleitung an einen Rechtsanwalt, der daraufhin fristgerecht Einspruch einlegt. In der Hauptverhandlung willigt A vor der Beweisaufnahme unter weiterer Beteuerung seiner Unschuld auf Anraten seines Anwalts in eine Einstellung gegen Auflage gem. § 153a StPO ein und bleibt ebenfalls straffrei.

2. Bitte prüfen Sie, ob sich B wegen versuchter Strafvereitelung gem. § 258 IV StGB (unter Würdigung von weiteren Normen, insb. §§ 22, 23, 258a StGB) schuldig gemacht hat. Unterstellen Sie dabei im Zweifel Wissen des B darüber, dass seine Erklärung, A wäre bei F dauerhaft wohnhaft, falsch war. Nehmen Sie zudem an, dass B fälschlicherweise davon überzeugt war, eine Zustellung von Amtspost nach Lettland wäre nicht möglich.

13. Mai 2025 | 02:03

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

I. Strafbarkeit des B nach § 258 StGB (Grundfall)

Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

Gemäß § 258 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird.

a) Vortat eines anderen

Es muss eine rechtswidrige Tat eines Dritten vorliegen. A wurde wegen Beleidigung (§ 185 StGB) beschuldigt. Diese ist tatbestandlich, rechtswidrig und strafbar. Ob A tatsächlich beleidigt hat, ist für § 258 StGB irrelevant – es genügt die Strafbarkeit nach dem äußeren Erscheinungsbild. A wurde später wegen Verjährung nicht verurteilt, aber bis dahin war die Strafverfolgung zulässig.

b) Tathandlung: Vereitelung der Bestrafung

B hat den Zustellvorgang durch unzutreffende Angabe des Wohnsitzes beeinflusst, indem er angab, A habe bei F einen festen Wohnsitz begründet – obwohl A erklärt hatte, dauerhaft in Lettland zu wohnen. Die Angabe eines falschen Wohnsitzes führte dazu, dass der Strafbefehl nicht wirksam zugestellt wurde, was letztlich zur Verjährung der Tat und damit zur endgültigen Straflosigkeit führte.

Die Tathandlung ist damit erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz

B müsste absichtlich oder wissentlich gehandelt haben. Nach dem Sachverhalt wusste B, dass A keinen festen Wohnsitz in Deutschland hatte, und gab dennoch bewusst das Gegenteil an. Er wusste auch, dass dies die Zustellung beeinflussen würde.

Wissentlichkeit liegt vor.

b) Absicht der Strafvereitelung?

Hier ist entscheidend: Handelte B mit dem Ziel, A vor Bestrafung zu bewahren?

Laut Sachverhalt gibt es keine Hinweise auf eine Absicht des B, A vor Strafe zu schützen – eher handelte B fahrlässig oder aus Unkenntnis der Zustellungsmöglichkeiten ins EU-Ausland. Ein solches Verhalten genügt nicht für § 258 Abs. 1 StGB, da dieser nur vorsätzliches Handeln erfasst.

Der subjektive Tatbestand ist nicht erfüllt.

Ergebnis: Keine Strafbarkeit nach § 258 Abs. 1 StGB.

II. Abwandlung 2: Strafbarkeit des B nach § 258 Abs. IV i.V.m. §§ 22, 23 StGB (Versuchte Strafvereitelung)

1. Vorprüfung: Strafbarkeit des Versuchs

§ 258 Abs. 4 StGB erklärt den Versuch der Strafvereitelung ausdrücklich für strafbar.

2. Tatentschluss

B müsste mit dem Vorsatz zur (teilweisen) Vereitelung einer Bestrafung gehandelt haben.

a) Vorsatz bzgl. Tat des A

Wie oben: Die Beleidigung ist strafbar. B wusste, dass ein Ermittlungsverfahren gegen A lief.

b) Vorsatz bzgl. Vereitelung

Entscheidend ist, ob B die Fehlzustellung bewusst herbeiführen wollte, um die Strafverfolgung zu erschweren oder zu verhindern. Laut Aufgabenstellung ist zu unterstellen, dass B wusste, dass A in Lettland wohnte, und dass er wusste, dass seine gegenteilige Angabe falsch war.

Zudem war B fälschlich der Überzeugung, eine Zustellung nach Lettland sei nicht möglich. Das legt nahe, dass B bewusst auf eine unrichtige Inlandsadresse ausgewichen ist, um eine Zustellung überhaupt zu ermöglichen – jedoch gegen den erklärten Willen des A.

Diese Konstellation ist auslegungsbedürftig:
• Für Tatentschluss spricht: B wusste, dass eine fehlerhafte Adresse zu einer unwirksamen Zustellung führen kann. Unterstellt man, dass er dies in Kauf nahm, liegt dolus eventualis vor.
• Dagegen spricht: B wollte nicht die Bestrafung verhindern, sondern (wenn auch falsch) eine Zustellung ermöglichen.

Abgrenzung: Täuschung zur Beschleunigung vs. zur Verhinderung der Strafe

Zweck seines Handelns war (nach seiner Vorstellung), eine Zustellung zu erleichtern – nicht zu verhindern. Damit fehlt der Vorsatz zur Vereitelung. Seine Handlung war objektiv fehlerhaft, subjektiv wollte er das Verfahren aber vorantreiben, nicht unterlaufen.

Kein Tatentschluss zur Strafvereitelung.

3. Unmittelbares Ansetzen (§ 22 StGB)

Selbst wenn man einen Tatentschluss bejaht, müsste B zur Tat unmittelbar angesetzt haben. Das wäre mit der Aktennotiz („A hat glaubhaft…") wohl gegeben, da sie Grundlage für die Zustellentscheidung war.

4. Ergebnis: Kein Versuch mangels Vorsatz

Keine versuchte Strafvereitelung nach § 258 Abs. IV StGB.

III. Strafbarkeit gem. § 258a StGB (Strafvereitelung im Amt)

Diese Norm stellt dieselbe Tathandlung unter höhere Strafe, wenn sie von einem Amtsträger in Ausübung seines Amtes begangen wird.

1. Amtsträgereigenschaft

B ist Polizist – § 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB – also Amtsträger.

2. Tathandlung in Ausübung des Amtes

B handelte im Rahmen seiner Ermittlungsaufgabe – damit im Amt.

3. Ergebnis

Da § 258a StGB ebenfalls Vorsatz voraussetzt, scheitert auch diese Norm mangels Absicht, A vor Strafe zu schützen.


Gesamtergebnis

1. Im Grundfall liegt keine vollendete Strafvereitelung (§ 258 StGB) vor, da B nicht mit dem Vorsatz handelte, die Bestrafung zu verhindern.

2. In der Abwandlung liegt auch keine versuchte Strafvereitelung (§ 258 IV StGB) vor, da es an einem Tatentschluss zur Verhinderung der Bestrafung fehlt.

3. Eine Strafbarkeit nach § 258a StGB scheidet ebenfalls aus, da es an der nötigen Absicht mangelt.

B hat sich nach der hier vertretbaren Ansicht nicht strafbar gemacht, wenngleich sein Verhalten dienstrechtlich und fachlich schwer fehlerhaft war.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

El-Zaatari
Rechtsanwalt


Rechtsanwalt Mohamed El-Zaatari

Bewertung des Fragestellers 13. Mai 2025 | 08:07

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