Sehr geehrter Fragesteller,
das ist eine sehr schwere Situation für Ihren Vater und für Sie. Ihre Frage hat einen traurigen Hintergrund.
Zunächst haben Sie alle Rechte auf umfassende und vollständige Information über den gesundheitlichen Zustand Ihres Vaters - nicht nur als gerichtlich bestellter Betreuer, sondern auch als sein Sohn.
Es geht hier aber auch um die Einschätzung der Ärzte über die beste Therapie, die medizinisch notwendig und verhältnismäßig ist. Damit meine ich durchaus nicht wirtschaftliche Gesichtspunkte, sondern das Recht der behandelnden Ärzte, einzuschätzen, welche Behandlung für Ihren Vater als die geeignetste und hilfreichste angesehen werden kann.
Dies ist eine genuin medizinische Entscheidung, welche die Ärzte nach eigenem Ermessen und gemäß ihrer medizinischen Expertise treffen müssen.
Die Ärzte müssen mit Ihnen sprechen und Ihnen die ihrer Entscheidung über die Verlegung Ihres Vaters zugrundeliegenden medizinischen Erwägungen erläutern. Reden Sie mit den Ärzten und fordern Sie eine Erklärung.
Ihre Sorge ist ja absolut berechtigt und muss mit medizinisch-diagnostischen Argumenten entkräftet werden können. Darauf haben Sie als betreuender Angehöriger, aber auch als besorgter Sohn jedes Recht.
Sie sollten den Ärzten sagen, dass Sie absolute Offenheit wünschen und dass Sie eine klare medizinische Meinung hören möchten. Machen Sie den Ärzten klar, dass Sie die Wahrheit vertragen können, dass Sie aber die Entscheidung, so wie sie jetzt getroffen wurde, nicht verstehen können, dass die Verlegung Ihres Vaters bei Ihnen große Sorge auslöst.
Es tut mir sehr weh, Ihnen dazu etwas sagen zu müssen, was aus meiner Sicht der Grund für die Verlegung sein kann. Wenn die Ärzte auf der Intensivstation keine Hoffnung mehr haben, dass Ihr Vater noch eine Aussicht auf Besserung seines derzeitigen Zustandes hat, dann treffen sie oftmals die zunächst unverständliche Entscheidung, den Patienten von der Intensivstation auf eine Normalstation zu verlegen.
Dies hat den Hintergrund, dass die Anwesenheit Ihres Vaters auf der Intensivstation und die intensive medizinische Betreuung selbst mit all den Apparaten, dem grellen Licht und dem ständigen Geräuschpegel eine große Belastung für Ihren Vater darstellen. Die Ärzte gehen davon aus, dass es Ihrem Vater in diesem Zustand eher hilft, in die relative Ruhe einer normalen Station verlegt zu werden.
Aus eigener Erfahrung mit Angehörigen weiß ich aber, dass diese Verlegung das Erreichen des Endstadiums bedeuten kann. Um es ganz klar zu sagen: Die Verlegung eines schwerstkranken, morbiden Menschen von der Intensivstation auf die Normalstation bedeutet meist die Erkenntnis, dass dieser Mensch hinübergeht vom Leben zum Tode.
Viele Ärzte scheuen sich, diese Wahrheit gegenüber Angehörigen auszusprechen. Sie verschweigen den Ernst der Lage und hoffen, dass die Angehörigen sich selber einen Reim darauf machen. Das stimmt aber oft nicht, und die Angehörigen sind ahnungslos und erschrecken sich dann sehr, wenn der Angehörige - nach Ihrer Wahrnehmung plötzlich - verstirbt, und es entsteht der Eindruck, dass dies darauf zurückzuführen ist, dass dem Angehörigen die Intensivbehandlung vorenthalten wurde.
Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr haben die Ärzte erkannt, dass das Ende naht und dass jede weitere intensivmedizinische Behandlung nicht mehr hilft, sondern den Sterbeprozess belastet.
Ich bitte Sie daher, mir meine offenen Worte nicht zu verübeln, sondern als Appell an Sie zu verstehen, die Ärzte zu zwingen, offen und ehrlich mit Ihnen über den Zustand Ihres Vaters zu sprechen.
Es ist möglich, dass die Ärzte davon ausgehen, dass Ihr Vater nicht mehr lange zu leben hat und deshalb auf einer Normalstation einen friedlichen Übergang haben soll.
Oftmals lernen Ärzte in ihrer Ausbildung nicht, ein solches schmerzliches Gespräch mit den Angehörigen zu führen, und deshalb schrecken sie davor zurück. Das ist einerseits menschlich, andererseits aber auch Feigheit.
Sie sollten auf die Ärzte zugehen und sie mit klaren Worten auffordern, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Denn es ist sehr wichtig für Sie, dass Sie sich später keine Vorwürfe machen, diese Fragen nicht gestellt zu haben.
Sie haben das Recht darauf, zu gegebener Zeit zu erfahren, wie es um Ihren Vater tatsächlich steht, um Abschied nehmen zu können. Ich weiß, wovon ich spreche, ich hatte diese Möglichkeit einmal nicht, und ich habe dies den Ärzten nie verziehen. Es belastet meine Erinnerung sehr, und ich bin auch wütend darüber. Das möchte ich Ihnen unbedingt ersparen.
Ich hoffe, dass Sie meine Worte richtig verstehen und dass ich Ihnen Mut machen konnte, das Gespräch mit den Ärzten zu suchen.
Bitte fragen Sie nach, wenn ich etwas nicht klar verständlich gemacht habe.
Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin v. Dorrien,
der Zustand meines Vaters hat sich stabilisiert und alle Laborwerte haben sich verbessert, so sagen die Ärzte. Aber ich kann derzeit wegen des Coronavirus ihn nicht besuchen und sehen. Und das Problem des "roten Knopfes" ( wie oben beschrieben ) auf der normalen Station ( also ohne Monitor-Überwachung) bleibt bestehen.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass meine Einwilligung doch nicht erforderlich ist, und ich kann gar nichts gegen Verlegung tun ?
Sehr geehrter Fragesteller,
nein, eine Einwilligung ist zunächst einmal nur erforderlich bei Eingriffen, also bei invasiven Maßnahmen wie Operationen. Bei genuin medizinischen Entscheidungen, welche die unmittelbare Behandlung eines Angehörigen betreffen und die letztlich nur mit medizinischer Expertise getroffen werden können, haben Sie nicht von vornherein das Recht, zu widersprechen oder eine förmliche Einwilligung zu fordern.
Wenn Sie hier allerdings in Zweifel sind, können Sie das zuständige Gericht anrufen und dieses um eine richterliche Entscheidung ersuchen. Als gerichtlich bestellter Betreuer haben Sie den Anspruch auf vollfassende Aufklärung über den Gesundheitszustand Ihres Vaters sowie die bestmögliche Therapie. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Möglichkeit eines Notrufes. Wenn Sie den Eindruck haben, dass ihr Vater diesen Notruf nicht selbst betätigen könnte, müssen Sie dafür sorgen, dass dies den Ärzten bekannt ist und dass Sie entsprechend darauf reagieren.
Dies ist letztlich kein rechtliches Problem, sondern erfordert lediglich Ihr bestimmtes und durchsetzungsstarkes Auftreten gegenüber den behandelnden Ärzten. Sie müssen dafür sorgen, dass diese Ihnen zuhören. Zu oft werden Bedenken der Angehörigen abgewiegelt und abgewehrt, da der der Alltag auf einer Station eine detaillierte und aufmerksame Fürsorge unmöglich zu machen scheint. Dem müssen Sie entgegentreten und immer wieder ein persönliches Gespräch mit den behandelnden Ärzten einfordern. Dazu sind Sie berechtigt, aber auch verpflichtet.
Natürlich sind Ihre Einflussmöglichkeiten aufgrund der Corona-Beschränkungen zurzeit eingeschränkt, aber es macht mir Sorge, dass Sie Ihren Vater gar nicht besuchen und sehen können. Das müssen und dürfen Sie sich nicht gefallen lassen. Inzwischen sind die Corona-Einschränkungen an die Bedürfnisse von alten und kranken Menschen angepasst, und eine totale Isolierung ist meistens rechtswidrig, jedenfalls nicht verhältnismäßig.
Hier sollten Sie persönlich vorstellig werden und mit einer entsprechend sicheren Gesichtsmaske verlangen, dass Sie Ihren Vater sehen. Argumentieren Sie damit, dass es auch für Ihren Vater und seine Genesungfortschritte unabdingbar ist, persönlichen Kontakt zu Ihnen zu haben.
Halten Sie dies auch schriftlich fest und erklären Sie Ihre Absicht, ein Gericht um Hilfe anzurufen, wenn Ihnen der persönliche Kontakt untersagt werden soll.
Hier spielen oft Unkenntnis und Überforderung des Klinikpersonal seine Rolle. Dies darf keinesfalls zu Lasten Ihres Vaters bzw. Ihre Betreuungspflichten als Sohn und als Betreuer gehen.
Nochmals alles Gute und freundliche Grüße!
EvD