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Zwangsversteigerung und Zwangsräumung

11. Oktober 2021 17:49 |
Preis: 60,00 € |

Mietrecht, Wohnungseigentum


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Am 09.07.2021 habe ich bei einer Zwangsversteigerung im AG Hagen den Zuschlag für eine hübsche Zweizimmerwohnung mit Garage in einem Mehrfamilienhaus erhalten. Ich habe alle Rechnungen bezahlt und bin als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der bisherige Bewohner und Eigentümer ist ein durchgeknallter Desperado, der bei der Polizei, im Strafvollzug und in der Psychiatrie bekannt ist. Er ist bisher nicht ausgezogen. Er ist 50 Jahre alt und sehr kräftig. Seit Jahren terrorisiert er die gesamte Nachbarschaft. Die Nachbarn gehen vor Angst nicht mehr allein in den Keller. Bei jeder Kritik an seinem Verhalten droht er mit Selbstmord und erweitertem Selbstmord.

Auf dringlichen Wunsch der Nachbarn habe ich am 02.09.2021 die Zwangsräumung beantragt, dieser Termin wurde zum 14.10.2021 angesetzt. Leider wird der Desperado von einem hauptberuflichen Betreuer (mit Einwilligungsvorbehalt in Vermögensfragen) betreut. Dieser hat erfolgreich Räumungsschutz bis Jahresende 2021 durchgesetzt, damit der Ärmste sich nicht umbringt.

Welche Rechte hat dieser ehemalige Eigentümer ganz genau? Darf er unentgeltlich in meiner Wohnung wohnen? Und wenn ja, wie lange? Hat er einen Anspruch auf einen Mietvertrag? Ich wäre eventuell bereit, dem Betreuer bis Jahresende einen befristeten Nutzungsvertrag für seinen Schützling anzubieten, allerdings mit einem Risikozuschlag, denn der Desperado ist gefährlich, tritt Türen ein und zerkratzt Autos. Welche Haftung erwächst mir aus dem Vertrag? Was mache ich, wenn der Betreuer den Vertragsentwurf ablehnt? Wie datiere ich den Vertrag, beginnend mit dem Tag nach dem Zuschlag oder dem nächsten Ersten?

Wie sieht es mit der Kappung der Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Heizung) aus? Wenn ich Ihm die Heizung abdrehe, macht er vermutlich im Wohnzimmer ein Lagerfeuer. Muss ich dafür haften?

Der Austausch der Schließzylinder in den Wohnungs- und Hauseingangstüren in seiner Abwesenheit wäre machbar, ist aber vermutlich ungesetzlich. Wie wäre das Strafmaß in diesem Fall? Eine Mietwohnung für ihn zu finden ist unmöglich, denn sein Schufa-Score ist bei Null und kein Vermieter will diesen brutalen Berserker.

Wie werde ich dieses Monstrum auf legale Weise los? Ändert sich etwas, wenn ich in der Wohnung meinen Wohnsitz anmelde? Er selbst wird im Grundbuch als "historischer Eigentümer" mit der Anschrift seines Betreuers aufgeführt. Hat dies rechtliche Relevanz? Bitte keine Gemeinplätze wie: "Gehen Sie doch zur Polizei!" Die ist ohnehin einmal pro Woche bei Ihm.

Viele Grüße aus Dortmund!

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Einen Mietvertrag mit dem abzuschließen, wäre das Dümmste, was Sie tun können. Nach Ablauf des Mietvertrags müsste ein Prozess geführt werden, um festzustellen, ob die Befristung wirksam ist, oder wegen eines Formfehlers im Mietvertrag ein unbefristeter Mietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist vorliegt. Der Prozess würde im nächsten Jahr mehrere Monate dauern. Wenn Sie dann ein Urteil haben, dass die Befristung wirksam ist, beginnt die Räumungsfrist von neuem.
Auch so besteht die Gefahr, dass der Betreuer 2 Wochen vor Jahresende einen Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist stellt. § 721 Absatz 3 ZPO.
Alle Verlängerungen zusammen, dürfen nach § 721 Absatz 5 ZPO jedoch nicht mehr als 1 Jahr betragen. Wenn Sie Pech haben, werden Sie ihn also erst am 14.10.2022 los.
Wenn jetzt noch ein befristeter Mietvertrag hinzu kommt, verzögert es sich weiter und Sie werden ihn erst irgendwann in 2023 los.
Fordern Sie den Desperado vertreten durch seinen Betreuer auf nach § 571 BGB analog eine Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete ab 10.07.2021 zu zahlen ohne einen Mietvertrag abzuschließen. Am Besten lassen Sie die Aufforderung durch den Gerichtsvollzieher zustellen.
Wenn nicht gezahlt wird, teilen Sie dies dem Vollstreckungsgericht mit und widersprechen vorsorglich jedem neuen Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist. Dies können Sie auch schon machen, bevor der zu erwartende Verlängerungsantrag eingeht. Das nennt man dann eine Schutzschrift.
Wenn das Gericht erfährt, dass trotz Aufforderung nicht gezahlt wurde, verringert das die Bereitschaft des Gerichts, die Räumungsfrist zu verlängern.
Für das Lagerfeuer müssen Sie zwar nicht haften, aber ich weiß nicht, ob das Haus ausreichend versichert ist. Selbst bei einer ausreichenden Versicherung wollen Sie vermutlich nicht jahrelang warten, bis das abgebrannte Haus wieder aufgebaut wurde, sondern vermutlich irgendwann in die gekaufte Wohnung einziehen.
Deshalb sollten Sie Strom Wasser und Heizung nicht abdrehen, auch wenn unter uns Juristen umstritten ist, ob Sie das dürften.

Der Austausch des Zylinders könnte als Nötigung angesehen werden und nach § 240 StGB mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden. Außerdem könnte sein Betreuer den Zylinder auf Ihre Kosten erneut austauschen lassen, wenn Sie austauschen, bevor die Räumungsfrist abgelaufen ist. Sie müssen schon warten, bis der Gerichtsvollzieher den raus trägt. Danach können Sie den Zylinder austauschen, damit er nicht zurück kommt.

Er darf solange in der Wohnung bleiben, wie das Gericht bereit ist, die Räumungsfrist zu verlängern, muss dafür aber eine Nutzungsentschädigung zahlen. Einen Anspruch auf einen Mietvertrag hat er nicht. Alle Verlängerungen zusammen dürfen ein Jahr nicht überschreiten. Die Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen Sie einklagen, wenn er nicht freiwillig zahlt. Ob er Vermögen oder vollstreckbares Einkommen hat, ist dann eine andere Frage. Die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete entnehmen Sie dem Mietspiegel.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 10. November 2021 | 02:36

Sehr geehrter Herr RA Müller!

Bitte verzeihen Sie mir, dass ich mich nochmals melde, und das erst jetzt.

Mir ist folgendes aufgefallen:

Bei dem Räumungsschutz, den das Gericht dem Schuldner gewährt hat, beruft es sich nicht auf den § 721 ZPO (Räumungsfrist), sondern auf den § 765a ZPO (Vollstreckungschutz). Darin heißt es in Absatz 1:

"Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist."

Danach sieht es eher so aus, dass der jetzige Zustand prinzipiell bis zum natürlichen Tod des Schuldners dauern kann.

Mit freundlichen Grüßen:

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 10. November 2021 | 07:46

Sehr geehrter Fragesteller,

in dem Fall haben Sie 2 Möglichkeiten.

Möglichkeit 1: Sie stellen einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses zum Vollstreckungsschutz. (§765a Absatz 4 ZPO) Diesen Antrag begründen Sie mit allem, was seit der Beschlussfassung neu passiert ist. Störungen des Hausfriedens unter Angabe der Nachbarn als Zeugen und Nichtzahlung der Nutzungsentschädigung.

Möglichkeit 2: Sie warten bis die Maßnahme ende des Jahres endet und räumen dann. Sollte das Gericht erneut Vollstreckungsschutz gewähren, legen Sie innerhalb von 2 Wochen sofortige Beschwerde gegen den Beschluss ein.

Mit freundlichen Grüßen

FRAGESTELLER 28. September 2025 /5,0
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