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Zulässigkeit USt-Nacherhebung durch Finanzamt

2. Februar 2023 16:36 |
Preis: 63,00 € |

Steuerrecht


Beantwortet von

Mein Einmann-Betrieb, der jahrzehntelang (!) mit einer speziellen selbstgebauten Produktionsmaschine teils erhebliche umsatzsteuerpflichtige Erlöse erzielt hat, musste 2014 mit dem Selbstbau einer neuen Produktionsmaschine anfangen, weil die alte in die Jahre kam. Die Nachfolgemaschine wurde erst Anfang 2018 fertiggestellt. Die beim Bau angefallenen Vorsteuern für Materialkosten wurden in den Jahren 2014 - 2017 geltend gemacht und vom FA erstattet.

Aufgrund der Marktsituation (auch Corona) bröckelte der Abnehmermarkt ab 2017 immer mehr, bis Mitte 2018 alle Kunden vom Markt verschwunden waren. Gleichzeitig erschloss sich mein Betrieb jedoch wieder neue Kunden, die jedoch alle im umsatzsteuerfreien Markt (Ausbildung) tätig sind. Seither erzielt mein Betrieb zwar wieder Erlöse in steigendem Grad, aber ausschließlich nur noch umsatzsteuerfreie.

Bei einer Betriebsprüfung in 2020 wurde das festgestellt und der Umsatzsteuer-Korrekturzeitraum auf 5 Jahre beginnend ab 2018 festgelegt. Weil diese Maschine in 2018 in nur noch ganz geringem Umfang und dann gar nicht mehr für umsatzsteuerpflichtige Erlöse zum Einsatz kam, wurden die gesamten Vorsteuern von 2015 - 2017 (Prüfungszeitraum) zurückgefordert und die weitere Geltendmachung von Umsatzsteuern auf die laufenden Betriebskosten verneint.

Letzteres kann ich nachvollziehen. Aber die Rückforderung vom geltend gemachter Vorsteuer aus einem Zeitraum, wo ich aufgrund der Vergangenheit berechtigt davon ausgehen durfte, dass diese neue Maschine genauso umsatzsteuerpflichtige Erlöse erzielen wird, wie ihr Vorgänger, löst bei mir das Gefühl von unrichtiger Regelanwendung aus. Es kann doch nicht sein, dass ein Betrieb eine hohe Investition (über 170.000 Euro) in eine Produktionsanlage steckt zu einem Zeitpunkt, wo die Steuergrundlage noch besteht und daher im Vertrauen handelt, dann später vor einer riesigen Rückforderung steht, weil die zukünftige Steuergrundlage sich während der Bauzeit verändert hat. Die Argumentation des Finanzamtes ist, dass die Maschine ja erst fertig geworden ist, als die Situation sich schon maßgeblich geändert hat.

Mein Steuerberater sagt, das sei eben so. Ich möchte gerne wissen, ob das tatsächlich so alles richtig ist und so unangreifbar, wie mein Steuerberater sagt. Dann könnte ja kein Betrieb mehr ruhigen Gewissens in die Zukunft investieren, wenn er damit rechnen muss, dass später nicht mehr gilt, wovon er zu Baubeginn berechtigt ausgehen durfte.

2. Februar 2023 | 21:07

Antwort

von


(2239)
Wichlinghauser Markt 5
42277 Wuppertal
Tel: 0202 697 599 16
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Sehr geehrter Fragesteller,

auf Grundlage der durch Sie mitgeteilten Informationen beantworte ich Ihre Frage wie folgt:

Es ist grundsätzlich möglich, dass nachträglich die Steuerfestsetzung korrigiert wird, wenn sich bei einer Prüfung Änderungen der Besteuerungsgrundlage ergeben. Das ist innerhalb der Fristen des § 169 Abgabenordnung möglich.

Die Frage ist letztlich, ob die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Umsatzsteuergesetz in Ihrem Fall tatsächlich nie vorlagen. Beispielsweise, weil Sie den Gegenstand zu weniger als 10 Prozent für Ihr Unternehmen genutzt haben. Insoweit käme es auf die genaue Feststellung aus der Betriebsprüfung an. Das kann aber grundsätzlich möglich sein. Je nach den Umständen und je nach der Frage, ob eine Steuerverkürzung oder eine Steuerhinterziehung vorliegt auch für bis zu 10 Jahre.

Wenn Ihr Steuerberater den Fall genau kennt und zum Ergebnis gelangt, dass das nicht zu beanstanden ist, dann sollten Sie sich die steuerrechtliche Herleitung dafür nennen lassen. Dann kann man das noch einmal überprüfen.

Mit freundlichen Grüßen
-Rechtsanwältin-


Rückfrage vom Fragesteller 2. Februar 2023 | 21:58

Dass es "grundsätzlich möglich ist, dass nachträglich die Steuerfestsetzung korrigiert wird, wenn sich bei einer Prüfung Änderungen der Besteuerungsgrundlage ergeben", beantwortet jetzt nicht wirklich meine konkrete Frage. Die bezog sich darauf, dass der "Wegfall der Besteuerungsgrundlage" RÜCKWIRKEND für die Vergangenheit angenommen wurde, weil sie erst in der Gegenwart weggefallen ist und das auch für die Zukunft angenommen wird.

Weil bis zum Baubeginn der neuen Maschine doch erhebliche steuerpflichtige Umsätze getätigt wurden, zielte die Neuinvestition doch berechtigterweise (!) auf die Absicht, dieses fortzusetzen. Diese Maschine war während der ganzen Bauzeit darauf ausgerichtet, wie ihre Vorgängerin umsatzsteuerpflichtige Erlöse zu erzielen. Das belegt die Vorgeschichte, die vom FA ja auch nicht bestritten wird.

Weil die Maschine während der Bauzeit noch nicht - und die alte nicht mehr - einsatzbereit war, wurden bis zur Fertigstellung kaum bis gar keine Umsätze getätigt. Nach Fertigstellung dann aufgrund des sich ERST DANN geänderten Marktes auch nur noch ausschließlich USt freie.

Also sieht das für das FA so aus, als dass diese Ersatz-Maschine noch nie für umsatzsteuerpflichtige Erlöse eingesetzt wurde. Das stimmt zwar - aber diese Maschine ist doch nur "Ersatz" einer immerhin Jahrzehnte vorbestehenden Produktionseinrichtung, die sehr wohl USt.-Erlöse produziert hat. Vorherige Maschine und 1:1 Ersatznachfolger kann man doch nicht isoliert voneinander betrachten.

Die Investition in die neue Maschine wurde in gutem Glauben und nachweislich berechtigten Vertrauen in die unveränderte Fortsetzung getätigt. Für einen sich später verändernden Markt kann doch kein Unternehmer was. Gilt da nicht der Zeitraum der Investitionsentscheidung? Dass er später dann mangels USt. keine VSt. mehr geltend machen kann, ist logo. Aber "rückwirkend" für die Zeit, wo gar keine Umsätze gemacht wurden, weil noch im Bau und daher nicht einsatzfähig?

Dann dürfte analog ja auch kein neu gegründetes Unternehmen den Neubau seiner Halle vorsteuermäßig geltend machen können, denn während der Bauphase erzielt das Unternehmen ja auch keine Erlöse. Ist das wirklich geltendes Steuerrecht? ich habe da eigentlich was anderes in Erinnerung, kann das aber nicht juristisch fassen. Deswegen habe ich jetzt mal eine Anwaltshotline befragt.

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 2. Februar 2023 | 22:08

Sehr geehrter Fragesteller,

gerne nehme ich noch ergänzend Stellung:

Das grundsätzlich bedeutet, dass es denkbar ist, dass das auch in Ihrem Fall rechtmäßig ist. Aber weder der Sachverhalt noch die Begründung des Finanzamtes sind in Ihrem Fall konkret nachvollziehbar.

Natürlich dürfen auch Gegenstände aus Gründungsgeschäften steuerlich geltend gemacht werden und es darf dafür auch die Vorsteuer gezogen werden. In Ihrer Konstellation könnte aber beispielsweise dann der Fall vorliegen, dass die Maschine nie oder fast nicht betrieblich genutzt wurde. Das wäre dann ein Fall wo das rechtmäßig wäre.

Dass die Umsätze selbst keinem Vorsteuerabzug unterlagen scheint mir als Begründung in der Tat auch weit hergeholt zu sein. Man müsste aber für eine seriöse Aussage entweder den Bescheid und die Begründung für die Änderung prüfen oder eben, wie oben aufgezeigt, den Steuerberater dazu befragen.

Was die Neugründung betrifft ist das was Sie schildern gerade ein Grund, warum Unternehmen auch in der Gründungsphase häufig bereits auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, die anscheinend bei Ihnen nachträglich dann gewählt wurde, wahrscheinlich während die Maschine noch abgeschrieben wurde. Das ist wie gesagt aus Ihrer Schilderung nicht transparent. Sie dürfen mir gerne den Bescheid oder die Korrespondenz dazu übersenden, dann kann man auch eine seriöse Aussage zu Ihrem Fall treffen. Ich würde in Ihrem Fall aber auf jeden Fall auch zusätzlich den Steuerberater in die Pflicht nehmen, der das doch etwas lapidar begründet hat.

Mit freundlichen Grüßen
-Rechtsanwältin-

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