Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre online-Anfrage, zu der ich wie folgt Stellung nehme:
Gem. § 7 Abs. 1 VVG
hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB sowie die in der VVG-InfoV bestimmten Informationen mitzuteilen. Hiermit hat der Gesetzgeber das sog. Policenmodell abgeschafft. Die Informationspflichten werden durch § 7 Abs. 2 VVG
2008 und in der danach erlassenen „Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen“ (VVG-InfoV) vom 18. 12. 2007 konkretisiert. § 4 VVG-InfoV
bestimmt, dass dem Kunden ein Produktinformationsblatt auszuhändigen ist, in dem in einer vorgegebenen Reihenfolge unter Hinweis auf die jeweils maßgebliche Vertragsbestimmung vor allem Angaben über das versicherte Risiko, die Prämienzahlungshöhe und –dauer, die Leistungs- und Risikoausschlüsse, die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers und die Vertragsbeendigung zu machen sind. Das Produktinformationsblatt ist gem. § 4 Abs. 5 VVG-InfoV
als solches zu bezeichnen und den anderen Informationen voranzustellen.
Zu beachten ist, dass das Produktinformationsblatt nur Verbrauchern i. S. d. § 13 BGB
auszuhändigen ist. Weiterhin ist dann, wenn der Vertrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers im Fernabsatz (vgl. § 312 b Abs. 1 S. 1 BGB
) geschossen wurde, eine Information vor Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Nach § 7 Abs. 1 S. 3 VVG
besteht zudem die Möglichkeit, auf die Informationen durch eine gesonderte schriftliche Erklärung vor Vertragsschluss ausdrücklich zu verzichten. In beiden Fällen muss die Information unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden. Haben Sie nicht auf die Informationen verzichtet und liegt insbesondere kein telefonischer Vertragsschluss vor, dann spricht in Ihrem Fall meiner ersten Einschätzung nach viel für eine Informationspflichtverletzung nach § 7 VVG
i.V. m § 4 VVG
InfoV und damit einen fristgerechten Widerruf.
Die Rechtsfolgen des form- und fristgerecht erklärten Widerrufs bestimmen sich nach § 9 VVG
in Verbindung mit §§ 357 Abs. 1
, 346
ff. BGB . Hiernach hat der Versicherer bei einem wirksamen Widerruf den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien zu erstatten, wenn der Versicherungsnehmer in der Belehrung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG
auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt. Dies bedeutet, dass die Zahlungen, die über die vereinbarten Prämien hinausgehen, zurückerstatten sein werden.
Ich hoffe, Ihnen eine hilfreiche erste Orientierung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
J. Petry-Berger
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 28.01.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Hallo Frau Petry-Berger,
vielen Dank für Ihre zügige Antwort. Ich bitte noch um drei kleine Erläuterungen.
1. Den unterschriebenen Versicherungsantrag habe ich per Brief an meinen Finanzberater geschickt, der ihn an den Versicherer weitergeleitet hat, insofern liegt ein Vertragsabschluss per Fernabsatz vor, richtig?
2. Jedenfalls bekam ich das Produktinformationsblatt erst mehrere Wochen nach Vertragsabschluss. Wirkt es sich auf die Widerrufsfrist aus, dass diese Verspätung durch meinen Finanzberater verursacht war und nicht durch den Versicherer?
3. Ich zitiere Sie: "Dies bedeutet, dass die Zahlungen, die über die vereinbarten Prämien hinausgehen, zurückerstatten sein werden." Ich bin nicht sicher, wie das zu verstehen ist. Bis jetzt (also vor einem eventuellen Widerruf) wurden per Einzugsermächtigung einbezahlt:
- Zwei Monatsbeiträge wie im Vertrag vereinbart. Einer davon kann noch zurückgezogen werden (über meine Bank).
- Eine Einmalzahlung i.H.v. über 1000€, um steuerliche Vorteile für das vergangene Jahr zu erzielen. Diese Zahlung war im Versicherungsantrag vereinbart worden.
Was darf der Versicherer davon nun einbehalten?
Freundliche Grüße
kk
Sehr geehrter Fragesteller,
die Pflicht, das Produktinformationsblatt dem Kunden gem. § 7 VVG
in Verbindung mit § 4 VVG-InfoV
rechtzeitig vor Antragstellung zur Verfügung zu stellen, besteht nicht bei einem Fernabsatzvertrag. Der Versicherungsvertrag ist dann ein Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312b BGB
, wenn der Vertrag direkt zwischen dem Versicherer und dem Kunden unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln wie Brief, Telefon, E-Mail oder Internet zu Stande gekommenen ist. Ein Fernabsatzvertrag ohne die Informationspflichten nach § 4 VVG-InfoV
wird wohl auch dann angenommen werden müssen, wenn der Versicherungsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln über einen Vermittler zustande gekommen ist, so dass die Widerrufsfrist erst nach Erhalt der erforderlichen Informationen zu laufen beginnt. Ob in Ihrem Fall zweifelsfrei ein Fernabsatzvertrag anzunehmen ist, kann aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung nicht eindeutig beurteilt werden. - Handelte es sich bei dem Finanzberater um einen Versicherungsmakler ist überdies zu berücksichtigen, dass der Versicherer grundsätzlich davon ausgehen kann, dass der Makler auch zur Entgegennahme der Informationen bevollmächtigt ist und diese pflichtgemäß an den vertretenen Versicherungsnehmer weiterleitet, wobei der Versicherer in der Regel dem Versicherungsmakler die Informationen schuldbefreiend VORAB, stellvertretend für alle Kunden des Versicherungsmaklers, zukommen lassen kann. Hat der Versicherungsmakler auf diesem Wege bereits Kenntnis von dem Produktinformationsblatt, wird diese Kenntnis dem Versicherungsnehmer gem. § 166 BGB
zugerechnet, so dass gegenüber dem Versicherer nicht behauptet werden kann, die Informationen nicht erhalten zu haben. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Finanzberater in Ihrem Fall als Versicherungsvertreter handelte. Denn als Versicherungsvertreter hätte er Ihnen vor Versendung des Antrags auch das Produktinformationsblatt übergeben müssen, um die Widerrufsfrist nach § 8 VVG
in Gang zu setzen, es sei denn es handelte sich um einen Fernabsatzvertrag. Für den Lauf der Widerrufsfrist wird es im Ergebnis u.a. maßgeblich darauf ankommen, in welcher Funktion der Finanzberater handelte. Entscheidend wird auch sein, ob der Finanzberater in Ihrem Fall das Antragsmodell oder das Invitatio-Modell verwandt hat. Für eine verbindliche Antwort, werden daher die Vertragsunterlagen nebst der Korrespondenz mit dem Finanzberater eingesehen werden müssen, so dass Sie ggf. einen Rechtsanwalt vor Ort mit der Prüfung der Vertragsunterlagen beauftragen sollten.
Weiterhin ist unter dem Begriff der „Prämie“ die vertraglich geschuldete Gegenleistung für die Gewährung des Versicherungsschutzes nebst anderen vertraglich vereinbarten Nebengebühren und die Versicherungssteuer zu verstehen. Im Hinblick hierauf wird die Einmalzahlung meiner Auffassung nach nicht unter den Prämienbegriff fallen, so dass Sie im Falle eines fristgemäßen Widerrufs mit einer Erstattung rechnen können.
Mit freundlichen Grüßen
RA Petry-Berger