Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ich hoffe zunächst, dass Ihr Sohn aufgrund der Folgen seiner schweren Erkrankung zeitnah wieder gesund wird. Wenn dem nicht so sein sollte und seine eingeschränkte Leistungsfähigkeit auch gegenüber den minderjährigen Kindern ärztlich bestätigt ist, so kann er dann in der Tat den aktuellen Mindestunterhalt von 691 Euro (2022) bzw. dann 754 Euro ab 2023 nicht mehr zahlen, so dass ein Mangelfall vorliegen wird. Ihr Sohn sollte dann, wenn ein Titel zu Gunsten des Kindes vorliegt, die Abänderung beantragen.
Auch wenn der Enkelunterhalt sehr selten ist, kommt er nach dem Gesetz in bestimmten Fallkonstellationen in Betracht, wobei dann in der Tat alle Großeltern anteilig nach § 1606 BGB haften. Wenn die anderen Großeltern leistungsunfähig sein sollten, dann bleiben Sie und Ihre Frau nur übrig.
Grundvoraussetzung auch beim Unterhalt für Enkel in Form der Ausfallhaftung nach § 1607 I BGB ist aber, dass Sie und Ihre Frau leistungsfähig i.S.d. § 1603 BGB sind.
Hier wird von der Rechtsprechung des BGH ein sehr großzügiger Maßstab zu Gunsten der Großeltern angesetzt, da der Enkelunterhalt nach dem Gesetz schon vom Ranverhältnis sehr schwach ausgeprägt ist und nach der Rechtsprechung des BGH Großeltern wegen möglichen Unterhaltsansprüchen Ihrer Enkel keine spürbare Beeinträchtigung Ihres Lebensstandards hinnehmen sollen (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 8. 6. 2005 - Az. XII ZR 75/04).
Demgemäß geht der BGH davon aus, dass mindestens die Selbstbehaltssätze gelten müssen, die auch für den Elternunterhalt maßgebend sind.
Die aktuellen Unterhaltsleitlinien der Oberlandesgerichte gehen (z.B. Leitlinien OLG Köln Ziff. 21.3.4) davon aus, dass der Selbstbehalt bei mindestens 2500 Euro liegt und hier zusätzlich die Hälfte des diesen Betrag übersteigenden Betrages anrechnungsfrei bleibt. Dabei gilt dieser Mindestbetrag von 2500 Euro für einen Großelternteil und in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt muss auch dem anderen Großelternteil ein Selbstbehalt verbleiben.
Dieser betrug bis zum Inkrafttreten des Angehörigenentlastungsgesetzes, der viele Fälle des Elternunterhaltes erledigt hat, in 2019 noch 1440 Euro. Heute, also in 2023, kann man diesen vor dem Hintergrund der extrem gestiegener Lebenshaltungskosten auf mindestens 2000 Euro ansetzen.
Damit haben Sie und Ihre Frau grundsätzlich erstmal einen Selbstbehalt von mindestens 4500 Euro.
Wenn ich hier Ihrer beiden Renteneinkommen zur Berechnung nehme, die Kapitalerträge berücksichtige und einen Wohnwertvortei wegen mietfreien Wohnens als Einkommensbestandteil einmal mit 1000 Euro annehme, schützt der Selbstbehalt Sie beide bereits vor dem Enkelunterhalt.
Hinzu kommt, dass der BGH beim Enkelunterhalt -ebenso wie beim Elternunterhalt- monatliche Ausgaben in sehr großzügigem Maße zulässt, so dass auch die hier aufgezählten monatlichen Belastungen Berücksichtigung finden (vgl. etwa: BGH, Urteil vom 30. 8. 2006 - Az. XII ZR 98/04 ).
Beim Enkelunterhalt spielt- wie auch sonst beim Verwandtenunterhalt- auch das Vermögen eine Rolle. Wenn also Ihr Einkommen aufgrund des Selbstbehaltes nicht ausreicht, um Enkelunterhalt zahlen zu müssen, kann man noch auf den Gedanken kommen, ob Sie beide nicht vielleicht das vorhandene Vermögen einsetzen müssen. Wiederum in Anlehnung an seine Rechtsprechung zum Elternunterhalt legt der BGH aber hier sehr großzügige Maßstäbe zu Gunsten der Großeltern an. Es gibt hier allerdings keine fixen Beträge, die immer "sicher" sind, sondern der BGH verlangt für jeden Einzelfall eine genaue Berechnung de "Schonvermögens" (BGH Az. XII ZB 269/12). Das selbstgenutzte Familienwohnheim ist immer unantastar, darüber hinaus bestehendes Vermögen muss im Einzelfall recht umfangreich untersucht und das Schonvermögen berechnet werden. Nach meiner Erfahrungen im Elternunterhalt ist aber Kapitalvermögen im Bereich von 100000 Euro je Großelternteil sicher.
Ich gehe daher hier davon aus, dass eine Inanspruchnahme wegen Enkelunterhaltes jedenfalls wegen Ihrer monatlichen Einkünfte ausscheidet.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Klein
Antwort
vonRechtsanwalt Thomas Klein
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Rechtsanwalt Thomas Klein
Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht
Hallo Herr Klein,
besten Dank für die schnelle und kompetent umfangreich ausgefallene Antwort auf mein Anliegen.
Für mich sind damit alle bestehenden Unklarheiten erst einmal ausgeräumt.
Natürlich werden wir wie bisher immer Hilfestellung geben wenn nahe Angehörige in Schwierigkeiten geraten, wollten aber vorab schon gerne wissen "was wir freiwillig leisten können" und was auf Grund gesetzlicher Vorgaben quasi "per Zwangsabgabe" unkontrolliert ausgeschüttet werden muss.
Daher nochmals Danke, Ihnen und Ihren Angehörigen einen guten Rutsch ins Jahr 2023 und uns allen Gesundheit und Frieden.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr gerne.
Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Rutsch und ein gesundes, friedvolles Jahr 2023.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Klein