Die Konstellation ist sehr typisch und wichtig ist, jetzt alles sauber und korrekt darzustellen. Bei einer Geschäftsübernahme gibt es einige Fallstricke, die vor allem im Steuerrecht schnell teuer werden können. Ich gehe auf Ihre Punkte ein und fasse die wesentlichen Aspekte verständlich zusammen.
Grundsätzlich kann bei der Übertragung eines Geschäftsbetriebs die sogenannte „Geschäftsveräußerung im Ganzen" (§ 1 Abs. 1a UStG) vorliegen. Dann fällt keine Umsatzsteuer an, und eine Rechnung mit Mehrwertsteuer ist falsch. Diese Regel gilt, wenn Sie das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit fortführen. Wird dennoch Umsatzsteuer ausgewiesen, schuldet der Verkäufer sie dem Finanzamt und Sie haben trotzdem den Vorsteuerabzug, wenn Sie die Rechnung wie erhalten bezahlen. Allerdings prüft das Finanzamt später, ob es wirklich eine Geschäftsveräußerung war. Wenn ja, wird dem Verkäufer die Umsatzsteuer aberkannt, Sie können dann die Vorsteuer nicht ziehen, weil eigentlich keine Umsatzsteuer entstehen darf. Es besteht also Unsicherheit, die zu Rückforderungen führen kann.
Barzahlungen über solch hohe Summen (190.000 Euro) sind immer kritisch, weil sie gegen Geldwäschegesetze und steuerliche Aufzeichnungspflichten verstoßen können. Das Finanzamt prüft bei hohen Barzahlungen besonders streng, ob die Herkunft der Mittel klar und nachvollziehbar ist. Wenn Sie jetzt in der Umsatzsteuervoranmeldung eine sehr hohe Vorsteuer aus dieser Transaktion geltend machen, kann das zu Nachfragen und einer Betriebsprüfung führen. Problematisch ist auch, dass kein Geschäftskonto bestand – das kann zu weiteren Nachfragen führen, weil betriebliche Vorgänge grundsätzlich über das Geschäftskonto laufen sollten. Eine sofortige Auszahlung der Vorsteuer erfolgt in der Regel nur, wenn das Finanzamt keine Bedenken hat. Es kann auch sein, dass das Finanzamt wegen der Höhe erst eine Prüfung vornimmt oder das Guthaben mit künftigen Umsatzsteuerschulden verrechnet.
Die Angabe bei der Gewerbeanmeldung ist tatsächlich relevant. Wenn bei der Anmeldung eine Neugründung statt einer Übernahme angegeben wurde, kann das in der Zukunft Probleme machen, vor allem bei der steuerlichen Beurteilung. Die Abzugsfähigkeit der gezahlten Umsatzsteuer kann das Finanzamt dann bestreiten, weil formal eine Betriebsübernahme vorlag, dies aber nicht gemeldet wurde. In der Praxis kann man das oft mit einer nachträglichen Erläuterung gegenüber dem Finanzamt noch richtigstellen, aber die Ausgangslage ist dadurch komplizierter geworden.
Die geschilderte Vorgehensweise ist also in Teilen riskant. Ich empfehle dringend, alle Belege, Verträge und Zahlungsnachweise sorgfältig aufzubereiten und dem Finanzamt offen zu legen. Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Steuerberater, um das weitere Vorgehen und die Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung sicher zu gestalten. Mögliche Rückfragen des Finanzamts sollten Sie vorbereiten, um Ärger zu vermeiden.
Ich hoffe das hilft für die erste Einschätzung, viele Grüße und einen tollen Tag!
Antwort
vonRechtsanwalt Dr. Stefan Sepp Lorenz, Steuerberater, LL.M. oec., Diplom-Finanzwirt (FH)
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10119 Berlin
Tel: 030/37003161
Web: https://www.frag-einen-anwalt.de/anwalt/Rechtsanwalt-Stefan-Sepp-Lorenz-__l108700.html
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Guten Morgen und vielen Dank für die ausführliche Antwort!
Könnten Sie mir noch diese Rückfragen beantworten bitte:
1. Falls es zu einer Prüfung kommt bzw. Nachfragen seitens Finanzamt, da wird aber nicht auch der Verkäufer miteinbezogen und evtl. muss ich auf seine Rückmeldung warten. Befürchte, dann dauert es ewig, falls der Verkäufer involviert wird, weil er hat ja schon sein Geld erhalten und auch Ust. an das Finanzamt weitergeleitet oder nicht, weiß ich nicht. Ihm interessiert nicht was mit mir ist.
2. Die Barzahlung in Höhe von 190.000 Euro war ja nicht auf ein Schlag. Sondern das waren ungefähr 15 Rechnungen, aber wurde innerhalb zwei Monaten beglichen, gibt es hier ein Richtwert, ab wann es kritisch angesehen wird, evtl. eine Überschreitung einer bestimmten Summe?
und die letzte Frage
3. „Geschäftsveräußerung im Ganzen" Können Sie mir hierzu Beispiele geben, ab wann ist es im Ganzen und nicht, weil ich das nicht 100 % verstehe, im Internet habe ich das bisher nicht herausgefunden. Evtl. mein Beispiel: Wenn ich die Parnterschaft mit der Deutschen Post "abkaufe" und parallel auch Rechnungen für Möbel usw., kommt zum Allen keine Ust. drauf?
Ich bedanke mich im Voraus!
Freundliche Grüße
Die Situation kommt in der Praxis häufiger vor, daher ist eine gute Vorbereitung auf Rückfragen des Finanzamts besonders wichtig.
Falls das Finanzamt Rückfragen stellt oder eine Prüfung anordnet, ist grundsätzlich Ihre eigene Mitwirkung gefragt. Das Finanzamt kann den Verkäufer hinzuziehen, um die Angaben abzugleichen, ist aber nicht verpflichtet, diesen einzubeziehen. In der Praxis werden Rückfragen meist an denjenigen gerichtet, der die Vorsteuer geltend macht, also an Sie. Sollte das Finanzamt Rückfragen zum Verkäufer haben, kann es tatsächlich vorkommen, dass sich die Bearbeitung verzögert, vor allem wenn der Verkäufer nicht mehr erreichbar ist oder nicht kooperiert. Ihr Anspruch auf Vorsteuer bleibt davon unberührt, sofern Ihre Unterlagen vollständig und plausibel sind. Die Verantwortung für die richtige Abführung der Umsatzsteuer liegt beim Verkäufer, Ihre eigene Pflicht ist die belegmäßige Dokumentation.
Bei Barzahlungen gibt es keinen gesetzlich fixierten Schwellenwert, ab dem es „kritisch" wird, aber bei Summen ab 10.000 Euro werden Banken und Behörden nach dem Geldwäschegesetz besonders aufmerksam. Mehrere Einzelzahlungen, die sich innerhalb kurzer Zeit auf hohe Beträge summieren, betrachtet das Finanzamt wie eine Gesamtsumme. Bei ca. 190.000 Euro in 15 Einzelrechnungen innerhalb von zwei Monaten ist mit verstärkter Aufmerksamkeit zu rechnen. Entscheidend ist, dass Sie die Herkunft der Mittel lückenlos nachweisen können und die Zahlungen sauber dokumentiert sind. Für hohe Barzahlungen im geschäftlichen Bereich gibt es zwar kein Verbot, aber ab einer bestimmten Größenordnung besteht immer ein Risiko, dass das Finanzamt genauer prüft.
Die Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt immer dann vor, wenn Sie alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs übernehmen und den Betrieb in ähnlicher Weise fortführen. Beispiele: Übernahme des gesamten Warenbestands, der Einrichtung, Kundenstamms, Lieferantenbeziehungen, Pacht- oder Mietvertrag, etwaige Verträge mit Partnern wie der Deutschen Post, Personal (wenn vorhanden), im Idealfall auch der Firmenname. Es ist nicht erforderlich, dass wirklich alles übernommen wird, aber der Kern des Geschäftsbetriebs muss intakt bleiben und übergehen. Bei einer reinen Übernahme von Möbeln und Einzelteilen, ohne Fortführung des Betriebs als Einheit, liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor und die Umsatzsteuer fällt regulär an. Wenn Sie also das Kiosk samt laufenden Verträgen, Inventar und Betriebsstruktur übernehmen, ist meist von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen auszugehen – dann wäre auf sämtliche Zahlungen, egal ob für Möbel oder Postpartner-Verträge, keine Umsatzsteuer geschuldet und Rechnungen hätten netto ausgestellt werden müssen. Werden allerdings nur Teile übernommen und das Kiosk wird als neues Geschäft mit komplett anderem Konzept geführt, greift die Ausnahme nicht.
Schöne Grüße!