Sehr geehrter Ratsuchender,
lassen Sie mich Ihre Frage, "ob [Ihre] Schwester und [Sie] Anspruch auf den Erbteil am Erbe [Ihrer] Großmutter haben", wie folgt beantworten.
Da ich den Wortlaut des Testamentes Ihrer Großmutter nicht kenne und Sie etwas von anderen Auslegungsmöglichkeite schreiben, kann ich nur vorbehaltlich der Prüfung des Testamentes antworten. Ich unterstelle, dass die Großmutter die ihre gesetzlichen Erben im Testament benannt hat.
Mit dem Tod Ihrer Großmutter erbten deren Kinder zu 1/3, § 1922 BGB:
"(1) Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.
(2) Auf den Anteil eines Miterben (Erbteil) finden die sich auf die Erbschaft beziehenden Vorschriften Anwendung."
Das hießt, Ihr Vater erbte 1/3 des Vermögens der Großmutter.
Mit dem Tod Ihres Vaters erben Sie sein Vermögen (positiv wie negativ). Zum Nachlass gehört damit auch das eine Drittel des Vermögens der Großmutter.
Sie uns Ihre Schwester erben nicht direkt von der Großmutter, denn ein zur Zeit des Erfalls lebender Abkömmling (Ihr Vater) schließt die durch ihn mit dem Erblasser (Großmutter) verwandten Abkömmlinge (Sie und Ihre Schwester) von der Erbfolge aus (§1924 Abs. 2 BGB).
Da Sie das Erbe des Vaters ausgeschlagen haben (§ 1942 Abs. 1, § 1944, § 1945 BGB), werden Sie nicht Erbe Ihres Vaters, erben daher auch nicht das vom Vater geerbte Drittel des Vermögens der Großmutter.
Hätte Ihr Vater die Erbschaft seiner Mutter ausgeschlagen oder wäre vor der Großmutter verstorben, hätten Sie direkt das eine Drittel geerbt.
Ob Sie die Ausschlagung (noch) wegen Irrtums (§ 1954 BGB; § 119 Abs. 2 BGB [verkehrswesentliche Eigenschaft ist die Überschuldung des Nachlasses) anfechten können, wäre gesondert zu prüfen.
Die sechs Wochen Anfechtungsfrist beginnen jedenfalls mit Kenntnis des Anfechtungsgrundes (§ 1954 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz BGB).
Der bloße Rechtsirrtum bei Ausschlagung direkt von der Großmutter zu erben, ist allerdings wohl nur ein bloßer unbeachtlicher Motivirrtum.
Hier sind sich die Oberlandesgerichte nicht einig.
Es sollte zügig geprüft werden, ob der Wert des Drittels der Großmutter die Schulden des Vaters übersteigen, also der Vater doch (positives) Vermögen hat und dann gegebenenfalls die Ausschlagung (wegen Irrtums über die Überschuldung des Nachlasses) angefochten werden.
Mit erfolgreicher Anfechtung der Ausschlagung wären Sie (wieder) Erbe des Vaters inklusive dem Drittel der Großmutter.
Erforderlichenfalls legen Sie die nachlassgerichtlichen Schreiben einem Anwalt / einer Anwältin für Erbrecht zur Prüfung der Anfechtung der Ausschlagung vor.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Eichhorn
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Peter Eichhorn
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Sehr geehrter Herr Eichhorn,
herzlichen Dank für die schnelle und ausführlich Antwort, das hilft uns sehr.
Die einzige Frage, die noch bei uns besteht, ist nun: Warum hat uns das Amtsgericht in Bayern dann dennoch angeschrieben mit der Bitte um Beantwortung der Frage, ob wir das Erbe unserer Großmutter annehmen, wenn doch diesen Erbanteil mit ihrem Tod bereits unser Vater geerbt hat und nur noch diese eine Erbmasse bestand? Unser Gedanke war, dass das Amtsgericht in Bayern dann eigentlich beim Amtsgericht in Thüringen nachfragen hätte müssen, ob wir überhaupt das Erbe unseres Vaters annehmen oder nicht, aber nicht gesondert nach dem Erbe unserer Großmutter.
Sehr geehrter Ratsuchender,
ohne den genauen Inhalt des Schreibens zu kennen, kann ich nur spekulieren.
Sie haben ja bereits angegeben, dass es um die Auslegung des Testaments geht und möglicherweise wusste das Gericht bereits vom Tod des Vaters, sodass Sie direkt Post erhalten haben.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Eichhorn
Rechtsanwalt