Sehr geehrte Fragestellerin,
aufgrund Ihrer Schilderungen beantworte ich Ihre Frage in einer ersten rechtlichen Einschätzung wie folgt:
Da Sie bereits am 05.07.2010 einen Antrag auf Regelinsolvenz gestellt haben, gehe ich aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufes davon aus, dass zwischenzeitlich das Insolvenzgericht einen Sachverständigen oder einen vorläufigen (starken/schwachen) Insolvenzverwalter bestellt hat. Anderenfalls sollten Sie beim Insolvenzgericht nachfragen.
Mit dieser Person sollten Sie sodann die Sicherung Ihres Lebensunterhaltes besprechen. Grundsätzlich bestehen jedoch keine Bedenken, die notwendigen Kosten des privaten Lebensunterhaltes aus noch vorhandenen Mitteln zu bestreiten bzw. den gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen.
Auch im eröffneten Insolvenzverfahren dürfen Sie weiterhin selbstständig tätig sein. Da in diesem Fall jedoch Besonderheiten gelten, sollten Sie auch dies vorab mit dem Insolvenzverwalter besprechen. Dieser wird von Ihnen insbesondere eine Planung verlangen, um dieses Vorhaben nach den finanziellen Erfolgsaussichten derart einschätzen zu können, um eine Entscheidung nach § 35 II InsO
zu treffen. Hinsichtlich der für Sie verbleibenden Mittel kommt es sodann darauf an, ob der Insolvenzverwalter eine sog. Freigabe nach § 35 II InsO
erklärt.
Erfolgt eine solche, berechnet sich der Betrag, welchen Sie an die Insolvenzmasse aus ihrem Gewinn abführen müssten, nach § 295 II InsO
. D.h. es wird ein fiktiver Betrag zugrunde gelegt, welchen Sie aufgrund Ihrer Ausbildung und dem bisherigen Lebensweg verdienen würden (Handwerksberuf / Gastronomie?). Aus dem daraus fiktiv erzielbaren Nettoeinkommen wird der pfändbare Betrag nach §§ 850ff. ZPO
berechnet. Dieser wäre an die Insolvenzmasse abzuführen, ob Sie ihn verdienen oder nicht; ein ggf. darüber hinausgehender Gewinn verbliebe Ihnen. Auch Sie sollten deshalb planen, ob Sie derartigen Verpflichtungen nachkommen können, insbesondere ausreichende Einnahmen bzw. einen ausreichenden Gewinn aus der Tätigkeit erzielen.
Erfolgt eine solche Freigabe nicht, wird Ihnen höchstwahrscheinlich nach §§ 850c
, 850i ZPO
als frei verfügbares Einkommen der Betrag gewährt werden, der sich aus dem unpfändbaren Einkommen nach §§ 850ff ZPO
ergibt, berechnet aus dem verbleibenden „Gewinn" der selbstständigen Tätigkeit.
Die Berechnungen nach § 850ff ZPO
basieren demnach auf dem Gewinn / Nettoeinkommen sowie der Anzahl der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen gemäß den sog. Pfändungstabellen. Gemäß den aktuellen Pfändungstabellen ist sodann z.B. ein Betrag von bis zu 990,00 € unpfändbar, wenn keine Unterhaltspflicht besteht, der darüber hinausgehende Teil ist anteilig pfändbar. Dieser Betrag erhöht sich bei einer Unterhaltsverpflichtung auf 1.359,00 €, bei zwei auf 1.569,00 €; die darüber hinausgehenden Beträge sind jeweils anteilig pfändbar.
Aus diesen Mitteln haben Sie Ihre privaten Kosten, d.h. insbesondere die Miete, Lebenskosten, Unterhaltsverpflichtungen zu tragen.
Beiträge an eine PKV werden vor der Ermittlung des der Pfändung zugrunde liegenden Betrages nach § 850e I Nr. 2 ZPO
berücksichtigt, soweit sie „den Rahmen des Üblichen nicht überschreiten".
Dies sind die gesetzlichen Regelungen. Im Einzelfall können über Vereinbarungen mit den Gläubigern sowie Verwalter und Gericht über § 100 InsO
ggf. auch höhere Beträge als verbleibender Unterhalt herausgehandelt bzw. unter den Voraussetzungen des § 850f ZPO
oder § 850i ZPO
dargelegt und beantragt werden.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass eine abschließende rechtliche Bewertung Ihres Problems die Kenntnis des vollständigen Sachverhaltes erfordert. Im Rahmen dieses Forums können sich die Ausführungen aber ausschließlich auf Ihre Schilderungen stützen, und somit nur eine erste anwaltliche Einschätzung darstellen.
Ich empfehle Ihnen daher, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu beauftragen, sofern Sie eine abschließende Beurteilung erhalten möchten. Bitten beachten Sie, dass dabei weitere Kosten anfallen.
Gerne stehe auch ich Ihnen bei der weiteren Durchsetzung Ihrer Interessen zur Verfügung. Sollten Sie dies wünschen, können Sie sich jederzeit - gerne auch per eMail - mit mir in Verbindung setzen.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 22.07.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Info: Das Verfahren ist tatsächlich noch nicht eröffnet, da ich erst gestern einen Anhörungsfragebogen abgegeben habe.
Nachfrage: Sollte ich tatsächlich als Handwerker selbständig bleiben bzw. bleiben können, was passiert mit dem Soll auf dem Bankkonto des Handwerksbetriebes (wie gesagt, Einzelunternehmen). Fallen die Verbindlichkeiten die ich bei der Bank wo ich mein "Handwerkskonto" habe in die Insolvenz oder muss ich wenn ich selbständiger Handwerker bleibe die Schulden aus dem Handwerksbetrieb bezahlen?
Vielen Dank für eine kurze Antwort.
Ich gehe davon aus, dass der Anhörungsbogen von einem Insolvenzverwalterbüro übersandt worden ist und sich dieses sicherlich zeitnah auch persönlich bei Ihnen melden wird.
Auch im Rahmen vor Eröffnung des Verfahrens können bei einer sog. vorläufigen Insolvenzverwaltung Einschränkungen über die Verfügungsbefugnis über Ihr Vermögen bestehen. Achten Sie insofern auch die Beschlüsse des Gerichts bzw. Anschreiben des Verwalters.
Da Sie als Einzelunternehmer tätig waren fallen alle Ihre Verbindlichkeiten in die Insolvenz, d.h. es kommt nicht darauf an, ob diese von Ihnen privat oder beruflich veranlasst worden waren.
Mit freundlichen Grüßen
Martin P. Freisler
Rechtsanwalt