Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zentrale Frage ist, ob die Formulierung in § 2 Ihres gemeinsamen – vermutlich als Berliner Testament ausgestalteten – Testaments („freie und unbeschränkte Verfügung über den ½-Anteil des Längstlebenden") ein ausdrücklich oder stillschweigendes, lebenslanges Wohnrecht für die Ehefrau am gemeinsamen Haus begründet. Diese Frage betrifft sowohl erbrechtliche als auch immobilienrechtliche Aspekte.
Bereits der Wortlaut Ihres § 2 spricht primär das Erbrecht an: Es wird geregelt, wer Erbe des jeweils Versterbenden ist, und dem Überlebenden volle Verfügungsgewalt über den eigenen ½-Anteil zugesprochen.
Im deutschen Erbrecht gilt für die Testamentsauslegung der maßgebliche Grundsatz, dass nicht allein der Wortlaut entscheidend ist, sondern stets der wirkliche Wille des oder der Erblasser zu ermitteln ist (vgl. § 133, § 2084 BGB). Insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten ist vielmehr aus Sicht vernünftiger Ehegatten typischerweise die gegenseitige Versorgung und Nutzungsberechtigung der Ehewohnung gemeint; im Zweifel soll der andere Ehegatte im Haus wohnen bleiben können.
Entscheidend ist jedoch, ob sich hieraus ein dingliches Recht („Wohnrecht" im rechtlichen Sinne, d.h. grundbuchfähig nach § 1093 BGB) ergibt, oder nur eine schuldrechtlich-inhaltliche Absichtserklärung (Versorgungscharakter, Besitzschutz usw.).
Nach ständiger Rechtsprechung wird die Einräumung eines Wohnrechts durch letztwillige Verfügung grundsätzlich nicht vermutet, sondern verlangt eindeutig erklärten Testierwillen oder zumindest eindeutige Anhaltspunkte aus dem Testament und dem gelebten Beziehungsumfeld.
Die bloße gemeinschaftliche Vererbung des Hauses, und eine Verfügungsklausel wie in Ihrem Fall, führen regelmäßig nicht zur Begründung eines Wohnrechts im Sinne von § 1093 BGB.
Dies begründet allenfalls einen familienrechtlichen Besitzschutz, aber kein dingliches, im Grundbuch eintragbares Wohnrecht. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH, dass ein stillschweigendes Wohnrecht dann entstehen kann, wenn der Versorgungswille der Eheleute im Testament eindeutig, nachvollziehbar und für Dritte erkennbar niedergelegt ist, was hier fehlt. Ihr § 2 regelt nur die erbrechtliche Position und nicht das Recht, in der Immobilie wohnen zu bleiben.
Ein Wohnrecht kann nur mit ausdrücklicher Bewilligung und Antrag im Grundbuch eingetragen werden.
Es bedarf eines notariell beurkundeten Rechtsakts als „Bestellung eines Wohnrechts" nach § 1093 BGB zwischen den Berechtigten und dem (Mit-)Eigentümer.
Alle Miteigentümer müssen zustimmen. Da Ihnen beiden je ½ gehört, ist gegenseitige Eintragung zu Lebzeiten problemlos möglich (besteht allerdings nur bis zum Tod des Belasteten).
Für die Eintragung eines Wohnrechts fallen einmalig an:
Notarkosten: Je nach Geschäftswert (Bemessungsgrundlage ist der Wert des Wohnrechts; dieser richtet sich typischerweise nach dem Alter und der Lebenserwartung des Berechtigten und dem jährlichen Mietwert der Immobilie plus einer Barwerttabelle, sog. Kapitalwert gemäß § 52 GNotKG). Faustregel: Der Wert beträgt etwa das 13-fache der jährlichen ortsüblichen Miete für Wohnrechte auf Lebenszeit jüngerer Personen, bei älteren (etwa über 75 Jahre) das 8- bis 10-fache. Als Geschäftswert wird häufig (Vorsicht bei Schätzungen!) ein Wert zwischen 30.000 € und 80.000 € angesetzt.
Beispiel: Angenommen, der Wert des Wohnrechts beträgt 50.000 €. Dann beträgt die einfache Notargebühr laut Gebührentabelle etwa 330 €, hinzu kommen Schreib-, Porto-, Umsatzsteuer- und Betreuungsgebühr (insgesamt ca. 700–900 €).
Grundbuchkosten (Gerichtsgebühr): Für die Eintragung entstehen (ebenfalls nach Tabelle GNotKG) in der Regel 1/2 Gebühr; das wären bei einem Geschäftswert von 50.000 € ca. 100–150 €. Weitere Kosten entstehen ggf. für Auslagen.
Gesamtkosten (nicht rechtsverbindliche Schätzung): ca. 800 € bis 1.200 €. Der genaue Betrag hängt maßgeblich vom Wert des Wohnrechts ab. Eine individuelle Berechnung durch Ihren Notar ist empfehlenswert.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Schwartmann
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Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Familienrecht