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Rechtsanwalt verlangt 1500€ für Akteneinsicht und Terminabsage

11. August 2020 16:07 |
Preis: 25,00 € |

Strafrecht


Beantwortet von

Rechtsanwalt Bernhard Müller

Zusammenfassung

Muss ich die Rechnung eines Rechtsanwalts akzeptiert und bezahlen, obwohl ich noch gar kein Mandat erteilt habe?

Eine Gebühr kann nur gefordert werden, wenn eine schriftliche Gebührenvereinbarung vorliegt, was hier nicht der Fall ist, da die Fragestellerin nichts unterschrieben hat. Daher muss sie die Rechnung nicht bezahlen. Sie kann dem Anwalt schreiben, dass sie keine Gebührenvereinbarung unterschrieben hat und daher die Rechnung nicht bezahlen wird.
Wenn das Verfahren eingestellt wird, bevor Anklage erhoben wird, muss die Fragestellerin ihren Anwalt normalerweise selbst bezahlen. Wenn sie nach der Anklage freigesprochen wird, zahlt der Staat den Verteidiger, aber nur den Betrag, der sich aus einer Abrechnung nach dem RVG ergibt. Ein Ersatzanspruch gegen den Anzeigensteller kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, wenn der Anzeigensteller bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich.

Ich hatte am Sonntag ein Gespräch mit einem RA über eine Akteneinsicht und eine Terminabsage zur Vernehmung. Der RA verlangt entweder 300€ Stundenlohn oder eine Pauschale von 1500€ - dazu kommt extra noch die 16% MWST UND 1000€ bei einem Hauptverhandlungstag + 800€ jeder weitere Hauptverhandlungstag.

Ich schrieb dem RA per Email (kurz nach unserem Gespräch) das er mir Zeit geben muss damit ich abklären kann ob bzw. wie ich das bezahlen sollte und ich würde Ihn dann benachrichtigen.

Nun bekam ich heute die Rechnung(!) und die Vollmacht zum Unterschreiben - zu dem hat er den Vernehmungstermin bei der PI schon schriftlich abgesagt und seine Vertretung von mir bekanntgegeben. Ich habe nichts unterschrieben und keine mündliche zusage gemacht sondern vielmehr gesagt "ich weiß nicht was ich machen soll" - der RA antwortete darauf das er mir das alles mal zusendet und ich dann "sehen & entscheiden" könnte....

Meine Fragen wären wie folgt:
1) Muss ich diese Rechnung annehmen und begleichen?
2) Ist diese Rechnung überteuert oder "normal" bzw. geht es auch günstiger?
3) Wie kann ich es formulieren das ich seine Dienste nicht wollte bzw. erst wenn ich zusage?
4) Kann ich diese Kosten (falls ich sie begleichen muss) vom Anzeigensteller zurückfordern?
- Weil ich wegen ihm gezwungen bin mir einen Rechtsbeistand zu nehmen.....?

Es geht hier "nur" um den Verdacht des Warenbetrugs (angebl.gefälschtes Parfum) im Wert von 100€ - dieser Vorwurf des Warenbetrug dürfte schnell erledigt sein da dieses Parfum von mir bei einem gewerblichen Anbieter gekauft wurde und die Originalität in seinen Angebotenen und bei meiner expliziten Nachfrage auch schriftlich bestätigt wurde. Es dürfte sozusagen dann wohl nur Briefverkehr für die Akteneinsicht und für das Schreiben per Fax an die PI sein und noch ein Schreiben mit unseren "Beweisen" an die Staatsanwaltschaft .......... ??

Ich bin eine Alleinerziehende Hausfrau mit zwei Kindern, deren (nicht-)Vermögen sich mehr als nur in grenzen hält. Ich fühle mich von diesem RA überrumpelt, in meiner Entscheidung erst Abzuklären ignoriert und auch abgezockt :"(

Herzlichen Dank für eine Antwort

Sehr geehrte Fragestellerin,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

Zu 1. und 2.
Der Normalfall ist, dass Anwälte über das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVG abrechnen. Das RVG sieht Rahmengebühren vor. Für einen Verhandlungstag vor dem Amtsgericht fällt eine Gebühr RVG VV Nr. 4108 an. Diese liegt zwischen 70 und 480 Euro. Hierzu kommen noch 16% Umsatzsteuer. Dies macht 81,20 - 556,80 Euro einschließlich der Umsatzsteuer für jeden weiteren Verhandlungstag. Die 800 Euro für jeden weiteren Verhandlungstag liegen etwas über dem, was das RVG vorsieht.

Beim 1. Verhandlungstag muss zwar eine Verfahrensgebühr RVG VV Nr. 4106 von 40 bis 290 Euro + Umsatzsteuer hinzugezählt werden, aber selbst wenn hier die Höchstgebühren angesetzt werden, ergeben 290,00 Euro + 480,00 Euro zusammen 770 Euro. 770 Euro + 16% Umsatzsteuer sind 893,20 Euro für den 1. Verhandlungstag.

Die Akteneinsicht hängt etwas davon ab, aus wie vielen Seiten die Akte besteht. Selbst wenn ich hier wieder die Höchstgebühren für das vorbereitende Verfahren ansetze. Grundgebühr RVG VV Nr. 4100 von 40,00 bis 360,00 Euro, Verfahrensgebühr 40 - 290 Euro und Portopauschale RVG VV Nr. 7002 von 20 Euro sind dies zusammen 670 Euro Euro. Dies + 16% Umsatzsteuer sind 777,20 Euro.

Für die ersten 50 Seiten kommt eine Dokumentenpauschale von 0,50 Euro pro Seite hinzu. Für jede weitere Seite 0,15 Euro.
Wenn ich davon ausgehe, dass die Akte 100 Seiten hat, sind dies 50 * 0,50 Euro + 50 * 0,15 Euro = 32,50 Euro. 32,50 Euro + 16 % Umsatzsteuer sind 37,70 Euro.
777,20 Euro + 37,70 Euro macht 814,90 Euro für das Ermittlungsverfahren von der Auftragserteilung bis zur Erstellung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft.

Der Betrag kann um einige Euro höher oder niedriger sein, wenn die Akte mehr oder weniger Seiten hat. Um auf 1.500 Euro zu kommen, müsste es schon eine sehr dicke Akte mit mehr als 4.000 Seiten sein.

Dies halte ich bei Ihrem Sachverhalt für sehr unwahrscheinlich.
Kurz zusammengefasst liegen die Gebühren des Kollegen etwas über dem was das RVG vorsieht.

Diese Gebühren darf der Kollege nur dann fordern, wenn eine in Textform abgefasste Gebührenvereinbarung nach §3a RVG vorliegt.

Da Sie eine solche nicht unterschrieben haben, müssen Sie auch nicht zahlen.

Anders würde es aussehen, wenn die Kanzlei nicht im Bezirk des Gerichts liegt, in dem die Verhandlung stattfindet. Dann kommen noch Bahntickets und Abwesenheitsprämie hinzu und die Beträge könnten ungefähr mit dem RVG übereinstimmen.

Zu 3.

Schreiben Sie ihm:

Zitat:
Ich habe keine Gebührenvereinbarung nach §3a RVG unterschrieben und werde daher auch diese Rechnung nicht bezahlen.


Zu 4. Wenn das Verfahren eingestellt wird, bevor Anklage erhoben wird, ist der Normalfall, dass Sie als Beschuldigte Ihren Anwalt selber zahlen müssen.
Wenn erst Anklage erhoben wird und Sie danach freigesprochen werden, zahlt der Staat Ihren Verteidiger. Der Staat zahlt jedoch nur, den Betrag, der sich aus einer Abrechnung nach dem RVG ergibt. Mehrkosten aus einer Vergütungsvereinbarung werden im Fall eines Freispruchs nicht vom Staat ersetzt. Darüber muss der Kollege Sie aufklären, bevor Sie die Gebührenvereinbarung unterschreiben.

Ein Ersatzanspruch gegen den Anzeigensteller kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht, wenn der Anzeigensteller bewusst falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat. Zu 100% ausschließen lässt sich dies ohne Aktenkenntnis nicht. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Sollte ein solcher Anspruch bestehen, wäre dieser in jeden Fall auf die Gebühren nach dem RVG beschränkt.

Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen

Rückfrage vom Fragesteller 11. August 2020 | 17:59

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort, trotz meiner spärlichen Bezahlung.

Kann mir der RA die beiden Telefonate 30min + 20min = 50min in Rechnung stellen, was würde mich dies kosten? Und das schreiben an die Pi ?

Was passiert nun bei der Pi wo er meine Vertretung schon angekündigt hat?
Ich hoffe das ganze wirkt sich dann nicht negativ bei der Staatsanwaltschaft für mich aus :"(

Herzlichen Dank nochmal und alles gute für Sie

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 11. August 2020 | 18:13

Sehr geehrte Fragestellerin,

die Telefonate und das Schreiben könnte er Ihnen in Rechnung stellen, wenn Sie ihn damit beauftragt hätten. Da Sie ihn nicht beauftragt haben, kann er Ihnen dies auch nicht in Rechnung stellen.

Ich gehe mal davon aus, dass er es auch nicht versuchen wird, wenn Sie ihn auf § 3a RVG verweisen und etwas aus dem Gebührenverzeichnis VV zitieren.

Denn dann merkt er, dass Sie sich über das Gebührenrecht informiert haben.

Die Telefonanrufe und das Schreiben wären mit den 814,90 Euro für das Ermittlungsverfahren mit abgegolten.

Sie nehmen sich einen Kollegen vor Ort, der nach dem RVG abrechnet. Der teilt der Polizei mit, dass Sie von dem anderen Anwalt nicht vertreten werden. Negative Folgen hat dies für Sie nicht.

Mit freundlichen Grüßen

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