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Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Nach der Spezialvorschrift des § 6 Abs. 6 Nr. 3 der Landesbauordnung 2018 (BauO NRW 2018) bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, außer Betracht. Zu den technischen Dachaufbauten gehören auch untergeordnete Bauteile wie Solaranlagen.
Die Privilegierung setzt aber voraus, dass die Solaranlage sich der übrigen Dachfläche quantitativ unterordnet und nicht als völlig eigenständiges Bauteil in Erscheinung tritt Gädtke/Johlen, BauO NRW, Kommentar, 13. Auflage 2019, § 6, Rz. 486). Das dürfte bei der vorgesehenen Anlage nicht der Fall sein.
Allerdings wird man hierbei wertend § 6 Abs. 8 Satz 1 Nr. 2 BauO NRW 2018 heranziehen dürfen, wonach in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen , auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden, gebäudeunabhängige Solaranlagen mit einer Höhe bis zu 3 Meter zulässig sind. Überschreitet der höchste Punkt der Solaranlage im Grenzabstand von 3 Metern nicht die Höhe von 3 Metern, wird man die dachständige Solaranlage nicht schlechter behandeln können als die gebäudeunabhängige Solaranlage. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsste bei den einzelnen Varianten ausgemessen werden. Das Schmalseitenprivileg des § 6 Abs. 8 Satz 2 BauO NRW 2018 wird gewahrt.
Auf jeden Fall rate ich an, hierzu ein Beratungsgespräch mit der Bauaufsichtsbehörde (mit dieser Argumentation) zu führen.
Alle Varianten sind nach § 62 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BauO NRW 2018 nicht genehmigungsbedürftig.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rückfrage vom Fragesteller
24.04.2020 | 10:19
Sehr geehrter Herr Geißlreiter,
vielen Dank für Ihre schnelle und klare Antwort.
Sie zitieren:
"Die Privilegierung setzt aber voraus, dass die Solaranlage sich der übrigen Dachfläche quantitativ unterordnet und nicht als völlig eigenständiges Bauteil in Erscheinung tritt Gädtke/Johlen, BauO NRW, Kommentar, 13. Auflage 2019, § 6, Rz. 486)."
Mein Grenznachbar hat von keiner Stelle seines Grundstücks, auch nicht aus seinem Haus, einen Blick auf mein Pultdach. Er müsste dafür an der untersten Stelle meines Pultdaches, am Ende seines Grundstücks, auf ein Stuhl steigen - im weiter ansteigenden Verlauf bräuchte er schon eine Leiter.
Würden wir die PV-Module mit einem Meter Abstand zur Grenze verlegen, würde er
von den flach verlegten Modulen gar nichts, nicht mal den Rand sehen und
von den aufgeständerten Modulen nur die Spitze des jeweils ersten Moduls der unteren 2 Reihen sehen, also die Spitze von 2 Modulen.
Von der Strasse aus ist das Gebäude gar nicht zu erkennen.
"In Erscheinung" würde ich so auslegen, dass die Anlage keine dominante optische, ästhetische Beeinträchtigung für den Nachbarn oder das Ortsbild darstellt.
Ist das richtig interpretiert und wäre dieser Voraussetzung damit nicht Genüge getan?
Mit freundlichen Grüßen,
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt
24.04.2020 | 10:56
Sehr geehrter Fragesteller,
das "In-Erscheinung-Treten" würde ich eher technisch interpretieren dahingehend, dass dies der Fall ist, wenn man den baulichen Komplex nicht mehr in erster Linie als Dach, sondern als Halterung für Solaranlagen wahrnehmen würde (wobei die Wahrnehmung auch von gleicher Höhe oder aus der Draufsicht stattfinden kann). Deshalb erscheint mir auch die Heranziehung der Regelung für aufgeständerte Solaranlagen gerechtfertigt in Ihrem Fall. "In-Erscheinung-Treten" dürfte etwas Anderes als Sichtbarkeit aus Bodenperspektive sein, zumal dies die Worte eines Kommentators und nicht des Gesetzes sind. Worauf es ankommt, ist die Unterordnung zum Bauteil "Dach".
Die Flächenausbreitung über 56 qm bei 96 qm Dachfläche - das sind knapp 60 % - ist auch sehr kritisch.
Ich empfehle hier dringend ein Beratungsgespräch bei der Bauaufsichtsbehörde. Am besten ist es, wenn Sie dieser gleich eine nachvollziehbare Argumentation an die Hand geben können, dann fallen Bedenken schwerer.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt