Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Wenn sich Sie richtig verstehe, hat der Anwalt Sie im Namen des Empfängers der E-Mail abgemahnt. Die in dem Brief von Ihnen aufgestellte Kritik richtet sich aber nicht gegen diese Person, sondern gegen eine andere Person (=Politikerin). In diesem Falle würde es aber an dem für eine Abmahnung erforderlichen Unterlassungsanspruch fehlen, da der Empfänger des Briefes durch die Kritik an der Politikerin selbst nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt ist.
Zum Vorwurf der Schmähkritik sei anzumerken, dass eine Politikerin als Person des öffentlichen Lebens grundsätzlich auch überspitzte Kritik hinnehmen muss. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Kritik nur dazu dient, die Person herabzuwerten und verächtlich zu machen und es nicht mehr um eine Auseinandersetzung mit der Sache selbst geht. Ansonsten schützt das Recht der freien Meinungsäußerung auch polemische und überspitzte Kritik. Etwas anderes kann nur gelten, wenn falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder die Privat- und Intimsphäre der Person betroffen sind.
Der Geschäftswert wäre hier meines Erachtens in Anlehnung an § 23 Absatz 3 RVG
aufgrund der fehlenden Öffentlichkeit bestenfalls auf 5.000,- € anzusetzen (ausführlich zur Berechnung bei ehrverletzenden Äußerungen: OLG Saarbrücken, 13.08.2010 - 5 W 198/10
- 74, dort unter II. Nr.1)
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
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Rechtsanwalt Jan Wilking
Sehr geehrter Herr Wilking,
Betr. "Persönlichkeitsrechtverletzung Dritter ín einem Privatbrief"
Sie haben mich bereits umfangreich zur obigen Anfrage beraten. Ich möchte dennoch die angebotene kostenlose Nachfragefunktion nutzen.
Die Abmahnung wurde nicht vom Empfänger der E-Mail veranlasst, sondern von der Politikerin, auf deren antisemitische Eskapaden ich in mich in dem Brief bezogen habe (und über die man in jeder Zeitung nachlesen kann).
Wie sich jetzt herausstellt, hat der Empfänger meiner Mail einen zu dieser Szene gehörenden Abmahnanwalt kontaktiert, und dieser hat dann selber die Initiative ergriffen und meine Mail an die bewusste Politikerin geleitet, und sie dann um eine Mandatierung angegangen. Das behauptet er. Ob eine solche wirklich erfolgt ist, will ich gar nicht mal behaupten.
Das heißt der Briefempfänger ist nicht von mir kritisiert worden, sondern eine Dritte, eben diese Politikerin, wobei das eigentlich Anliegen in meiner Mail völlig andersartig und privat war.
Mich interessiert vor allem, ob eine in einem Privatbrief geäußerte Meinung, die nur für eine einzige Person bestimmt war, eben den Empfänger dieser Mail, überhaupt die Verfolgung mit einer Abmahnung rechtfertigt. Durfte der Empfänger dieses wegen eines völlig anderem Anliegen an ihn gerichtete, quasi vertrauliche, Schreiben dazu missbrauchen, einen finanziell potentiell ruinösen Feldzug gegen mich und unsere jüdische Folklorekapelle in Gang zu setzen?
Die Sache scheint präzedenzlos zu sein. Oder haben Sie schon jemals von einem solchen Fall gehört?
mit bestem Dank
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Selbst bei den Straftatbeständen wie üble Nachrede (§ 186 StGB
) kann eine Mitteilung an nur eine Person ausreichen, eine öffentliche Mitteilung ist nicht zwingend erforderlich. Da es sich bei dem Briefempfänger um einen potentiellen Geschäftspartner der Politikerin handelt, ist eine Abmahnung auch aufgrund von Behauptungen in einem "Privatbrief" denkbar. Zumal dieser Brief ja ebenfalls einen zumindest teilweise geschäftlichen Hintergrund hatte, da es den Auftritt Ihrer Band betraf, also außerhalb der strenger geschützten Privat- und Intimsphäre stattfand.
Wie bereits ausgeführt habe ich aber erhebliche Zweifel, ob die Abmahnung inhaltlich gerechtfertigt ist, insbesondere ob der Politikerin bei dieser Sachlage ein nachweisbarer, auch vor Gericht durchsetzbarer Unterlassungsanspruch zusteht.
Sie haben im Übrigen auch die Möglichkeit, selbst zum Gegenschlag auszuholen und die Wirksamkeit der Abmahnung im Rahmen einer negativen Feststellungsklage gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies sollte aber erst nach konkreter Überprüfung des Sachverhaltes und aller Unterlagen durch einen Rechtsanwalt geschehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Jan Wilking, Rechtsanwalt