Sehr geehrter Fragesteller:
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich möchte anhand des geschilderten Sachverhaltes im Rahmen einer Erstberatung wie folgt beantworten:
Zunächst mal ein arbeitsrechtlicher Hinweis: Sie sollten in Erwägung ziehen, falls die 3-Wochen-Frist seit Zugang der Kündigung noch nicht abgelaufen ist, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen. Hierzu wäre aber ratsam einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt zu beauftragen, um die Lage aus dieser Sicht zu prüfen.
Zu Ihren Fragen:
1. Welche rechtlichen Konsequenzen hat es für mich, wenn ich ein nochmalige Statusprüfung mache - mit dem Ziel, dass ich meine Scheinselbstständigkeit selbst anzeige.
(Ein Nachweis, wie eingeschränkte Entscheidungsgewalt, keine Angestellten usw. sollte möglich sein).
Ich unterstelle, dass die "Einstellung" des Verfahrens als Rücknahme des Antrags (s § 18 SGB X
) zu bewerten ist. In Rahmen dieser ersten Beratung kann nicht tief geprüft werden, ob diese Entscheidung hätte angefochten werden sollte, mit der Folge, dass nun einen erneuten Antrag aus formellen Gründen zurückgewiesen wird.
Die Konsequenzen sind dieselben, die beim ersten Antrag in Betracht kamen, nämlich die Gefahr, nicht unter Scheinselbständigkeit, sondern nur unter arbeitnehmerähnlicher Selbständigkeit (§ 2 Nr. 9 SGB VI
) qualifiziert zu werden. Dies hätte zur Folge, dass Sie Nachzahlungspflichtig für 4 Jahre wären, und zwar sowohl für den AG- als auch für den AN-Anteil.
Weitere Konsequenzen siehe Antwort 4 (Rückzahlung)
2. Ist es durch solch ein Vorgehen möglich, ALG I zu beziehen, falls dies notwendig sein sollte?
Zum einen könnten Sie als Alternativ zum Statusverfahren ALG I bentragen: damit wird indirekt geprüft, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag.
Zum anderen, falls die Scheinselbständigkeit festgestellt wird, haben Sie Anspruch auf die Leistung. Beachten Sie aber, dass im Falle der Anfechtung eines zu Ihren Gunsten erlassenen Bescheids durch den Auftraggeber, bis zur endgültigen Entscheidung keine Leistungen von den Sozialversicherungsträgern zu erbringen sind.
3. Wann wäre ein günstiger Zeitpunkt - jetzt oder erst nach dem Ende des Vertragsverhältnisses?
Nach Ende des Vertragsverhältnisses wird Ihnen keine Vergütung mehr zu zahlen sein, sodass ein Regressanspruch nach 28 g SGB IV ausgeschlossen sein wird. Siehe Antwort 4.
4. Erwarten mich selber Nachzahlungen der Sozialbeiträge?
Beim Vorliegen einer Scheinselbstständigkeit hat der Arbeitgeber nach § 28 e SGB IV
den Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzuführen (AG- und AN-Anteil).
Nach § 28 g SGB IV
hat der Arbeitgeber aber gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann jedoch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden.
Es besteht also nur eine eingeschränkte Möglichkeit für den Arbeitgeber, Ihr Teil des SVbeitrages zurückzuholen.
5. Was erwartet mich bzw. uns steuerlich (ESt, USt)?
Zur Einkommensteuer: Es wäre das Brutto-Honorar anstelle des Netto-Honorars zu versteuern. Zudem wären Ihre eigenen Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben zu behandeln, sondern als Werbungskosten (was üblicherweise ein Nachteil darstellt).
Zur Umsatzsteuer: Nach § 14c Abs. 2 UStG
werden Sie die ausgewiesene Umsatzsteuer trotzdem schulden, obwohl Sie zur Abführung nicht berechtigt waren. Erst wenn der Steueranspruch des Fiskus nicht gefährdet ist, etwa weil Ihr Auftraggeber die insoweit zunächst geltend gemachte Vorsteuer vollständig zurückgezahlt hat, muss Ihnen die Umsatzsteuer-Zahllast erlassen werden und die bezahlte Umsatzsteuer zurückerstattet.
Mit freundlichen Grüßen
auch nach Schulden § 14 Abs. 3 UStGauch So schuldet der Auftragnehmer = Scheinselbständige mglw. die auf seinen früheren Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG
, während ein Vorsteuerabzug für den Auftraggeber = Arbeitgeber nicht möglich ist.
Antwort
vonRechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
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Rechtsanwalt Ernesto Grueneberg, LL.M.
Fachanwalt für Migrationsrecht
Vielen Dank für die ausführliche und genaue Antwort!
Habe ich den Zusammenhang richtig verstanden:
Eine Einstufung als "Scheinselbstständiger" hätte zur Folge, dass der Auftraggeber die AN- und AG - SV-Beiträge nachzahlen müßte - eine wahrscheinlichere Einstufung als "arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger" hieße, ich selber müßte die beiden Beiträge nachzahlen. Zudem besteht das Risiko, steuerlich schlechter abzuschneiden (Werbungskosten vs. Betriebsausgaben).
Sie haben richtig verstanden. Zur UStG beachten aber auch, dass die von Ihnen geltend gemachte Vorsteuer auch entfällt, da Sie keine Unternehmer iSv UStG wären.
Mit freundlichen Grüßen