Sehr geehrte Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Fragen zu dem geschilderten Sachverhalt wie folgt:
Frage 1.: Ich kann Ihre bereits sehr ausführlich beschriebene Auffassung nur bestätigen. Auch wenn es sich um eine variable Provision handelt und im Hinblick auf die Höhe sicherlich zu schauen ist, welche Ihnen bei der Berechnung des Urlaubsentgelts sowie Entgeltfortzahlung zusteht (dazu später), so gehört diese zu Ihrem festen Arbeitsverdienst, d.h. der Arbeitgeber kann die Provisionszahlungen nicht negieren, sondern muss diese auf jeden Fall bei den genannten Leistungen berücksichtigen.
Wenn auf das Arbeitsverhältnis mangels Regelung im Arbeitsvertrag keine Ausschluss-/Verfall-fristen Anwendung finden, unterliegen Zahlungsansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB, welche drei Jahre beträgt. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, was bedeutet, dass Sie aus heutiger Sicht Ansprüche aus dem Jahr 2022 noch geltend machen können. Damit kann ich also Ihre erste Frage mit einem klaren Ja beantworten.
Frage 2: Wie Sie auch hier bereits korrekt geschrieben haben, wird das Urlaubsentgelt auf Basis des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes der letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt ermittelt. Bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird nicht auf die Vergangenheit abgestellt, sondern die zukünftige Entwicklung berücksichtigt, was bedeutet, dass Arbeitnehmenden grundsätzlich die Vergütung weiterbezahlt werden muss, die erzielt worden wäre, wenn sie während des Arbeitsunfähigkeitszeitraums nicht an der Arbeitsleistung verhindert gewesen wären, sondern wie üblich die geschuldete Tätigkeit hätte verrichtet werden können. Da dieser "Blick in die Zukunft" natürlich nur bei weitgehend stabilen Provisionszahlungen möglich ist, ist es für einen Arbeitgeber schwierig, die mögliche Höhe konkret zu beurteilen. Also muss auch hier wieder auf die Vergangenheit abgestellt werden, nicht aber auf die letzten 13 Wochen vor der Arbeitsun-fähigkeit, sondern, insbesondere bei größeren Schwankungen, wird auf die letzten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses abgestellt.
Nun zu Ihrer letzten Frage: Sie sollten auf jeden Fall zeitnah, also vor dem Betriebsübergang die Ansprüche geltend machen, und zwar gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber. Wenn Sie von diesem eine ablehnende Mitteilung erhalten sollten und ggf. weitere Schritte von Ihrer Seite eingeleitet werden, gehen Ihre Ansprüche automatisch auf den neuen Arbeitgeber über. Nach dem 1.8.2025 haften entsprechend der Ihnen vorliegenden Erklärung dann beide. Sie hätten dann also die Wahl, ob Sie gegenüber Fa. K oder Fa. B weitere Schritte einleiten möchten.
Ich hoffe, ich konnte damit Ihre Fragen beantworten. Sollte sich noch eine weitere ergeben, können Sie gerne im Rahmen der kostenfreien Nachfrageoption nochmals an mich herantreten.
Freundliche Grüße,
Rechtsanwältin Ch. Schmauch
Antwort
vonRechtsanwältin Christina Schmauch
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Rechtsanwältin Christina Schmauch
Sehr geehrte Frau Ch. Schmauch,
vielen Dank für Ihre ausführliche und sehr aufschlussreiche Antwort auf meine Anfrage.
Ich hätte noch eine ergänzende Nachfrage zum Argument meines Arbeitgebers bezüglich des arbeitsrechtlichen Grundsatzes „Ohne Arbeit kein Lohn", welcher sich auf § 614 Satz 1 BGB stützt. Dort heißt es, dass die Vergütung erst nach Leistung der Dienste zu entrichten ist.
Mein Arbeitgeber beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass mir die variablen Vergütungsbestandteile (Provisionen) während Urlaub oder Krankheit nicht zustehen, da ich in dieser Zeit keine unmittelbaren Leistungen (Abschlüsse) erbracht habe. Daher sei nach seiner Auffassung auch keine Zahlungspflicht gegeben.
Meine Frage lautet daher konkret:
Gilt dieser Grundsatz in meinem Fall nicht, weil es sich bei den Provisionen um regelmäßige, einkommensprägende Vergütungsbestandteile handelt, die gemäß § 11 BUrlG und § 4 EFZG auch bei Abwesenheit mit einzubeziehen sind?
Oder greift hier § 614 Satz 1 BGB doch in einer Weise, die die Nachzahlungspflicht des Arbeitgebers rechtlich ausschließt?
Außerdem möchte ich Sie – mit Blick auf den Datenschutz – höflich bitten, in Ihrer veröffentlichten Antwort meinen vollen Namen durch eine anonymisierte Form zu ersetzen (z. B. „Fragesteller/in" o. Ä.), sofern dies technisch möglich ist.
Vielen Dank im Voraus für Ihre erneute Einschätzung.
Guten Tag,
gerne berücksichtige Ihren Hinweis bezüglich des Datenschutzes, mache Sie aber auch gerne für eventuelle zukünftige Anfragen darauf aufmerksam, dass Sie diese von vornherein auch in anonymisierter Form stellen können.
Gegen den Einwand Ihres Arbeitgebers sprechen die eindeutigen gesetzlichen Regelungen sowie die herrschende Rechtsprechung des BAG. Die Zahlungspflicht ergibt sich daraus, dass sowohl für die Zahlung des Urlaubsentgelts als auch für die Entgeltfortzahlung im Krankenheitsfall nicht auf das zukünftige Einkommen abgestellt wird, sondern auf die Gehaltsansprüche der Vergangenheit. Wenn das Argument zutreffend wäre, würde es auch im Hinblick auf das Grund-gehalt Bedeutung haben. Da Sie im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt sind, liegt eine eindeutige Regelung vor. Wenn eine andere vertragliche Basis gewählt worden wäre, z.B. Abschluss eines Dienstvertrages, könnte die Argumentation Ihres Arbeitgebers zu prüfen sein. Vorliegend jedoch nicht.
Daher kann ich Ihre Frage nochmals eindeutig beantworten, indem ich darauf verweise, dass in beiden Fällen eine Zahlungspflicht auf Seiten Ihres Arbeitgebers auch im Hinblick auf den variablen Teil Ihrer Vergütung, weil fester und einkommensprägender Vertragsbestandteil, besteht.
Freundliche Grüße,
Rechtsanwältin Ch. Schmauch