Gerne zu Ihren Fragen:
I. Ist trotz fehlendem schriftlichen Mietvertrag ein wirksames Mietverhältnis entstanden?
Ja. Nach Ihrer Schilderung sind Sie bereits im April 2024 eingezogen und haben die Wohnung genutzt, was regelmäßig den Abschluss eines konkludenten Mietvertrages begründet (§ 535 BGB). Die Tatsache, dass erst am 14.05.2025 ein schriftlicher Vertrag zur Unterschrift vorgelegt wurde, ändert nichts daran, dass bereits ab April 2024 ein Mietverhältnis bestand – spätestens mit dem tatsächlichen Gebrauch / Nutzung durch Einzug.
II. Mietrückstände und rückwirkende Mietzahlung
Da der Mietvertrag mündlich (zumindest konkludent) zustande gekommen ist, besteht auch ein Vergütungsanspruch des Vermieters ab April 2024. Das bedeutet: Ihre Verpflichtung zur Mietzahlung bestand von Anfang an, auch ohne schriftlichen Vertrag. Dass die Miete bislang nicht gefordert wurde, steht einem Nachzahlungsverlangen des Vermieters nicht grundsätzlich entgegen.
Allerdings können Einwendungen wegen Mängeln der Mietsache den Mietzahlungsanspruch mindern (§ 536 BGB).
III. Mangelhafte Mietsache – Voraussetzungen der Mietminderung (§ 536 BGB)
Mietminderung ist nicht vom Vorliegen eines schriftlichen Vertrags abhängig, sondern vom tatsächlichen Gebrauch und Zustand der Mietsache. Maßgeblich ist, ob die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung erheblich gemindert ist.
Zitat:Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 536 Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln
(1) Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht. (gekürzt)
1. Fehlender Aufzug, Terrasse, Gegensprechanlage
Ob hierin ein zur Mietminderung berechtigender Mangel liegt, hängt davon ab, ob diese Einrichtungen vertragsgemäß geschuldet waren. Wenn der Vermieter Ihnen bei Wohnungsbesichtigung oder Einzug die Nutzung dieser Ausstattung zugesagt oder in Aussicht gestellt hat (z. B. mündlich oder durch Exposé), gelten sie als vereinbarte Beschaffenheit Dann liegt ein Mangel i.S.d. § 536 BGB vor.
Aufzug: Bei Maisonettewohnungen je nach der Höhe*) der konkreten Etage ist ein Aufzug regelmäßig ein vertragswesentlicher Bestandteil. Fehlende Nutzbarkeit kann vorliegend *) eine Minderung von 5–10 % rechtfertigen.
Terrasse nicht nutzbar: Auch hier ist eine Minderung von bis zu 10 % denkbar, je nach Lage und Größe.
Fehlende Gegensprechanlage: Bei Neubauten in Berlin ist sie regelmäßig Teil der Ausstattung. Das Fehlen kann eine Minderung um die 5 % rechtfertigen.
2. Brandschutzmangel / Unzulässige Nutzung des Obergeschosses
Dies stellt einen sehr erheblichen Mangel dar. Die Nutzbarkeit einer Maisonettewohnung hängt ganz wesentlich davon ab, dass alle Räume legal bewohnbar sind. Die Untersagung der Nutzung durch die Behörde belegt objektiv die Gefährdungslage.
Hier ist eine Minderung bis zur provisorischen Fluchtvorrichtung theoretisch sogar bis zu 100 % des oberen Geschoss denkbar, also je nach Grundriss und Abhängigkeit von der Nutzung des oberen Geschosses.
Dass der Vermieter später einen provisorischen Rettungsweg einbauen ließ, stellt keine vollständige Behebung des Mangels dar, würde ab ab diesem Zeitpunkt Ihre Minderungsquote deutlich reduzieren-
IV. Geltendmachung der Mietminderung – rückwirkend möglich?
Ja, auch rückwirkende Geltendmachung ist grundsätzlich zulässig, sofern Sie die Mängel nicht kannten oder nicht zugeordnet haben.
Hier haben Sie aber einigen Hürden zu bewältigen in Bezug auf § 536 b BGB-
Zitat:§ 536b BGB Kenntnis des Mieters vom Mangel bei Vertragsschluss oder Annahme
Kennt der Mieter bei Vertragsschluss den Mangel der Mietsache, so stehen ihm die Rechte aus den §§ 536 und 536a nicht zu. Ist ihm der Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, so stehen ihm diese Rechte nur zu, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. Nimmt der Mieter eine mangelhafte Sache an, obwohl er den Mangel kennt, so kann er die Rechte aus den §§ 536 und 536a nur geltend machen, wenn er sich seine Rechte bei der Annahme vorbehält.
Darauf sollten Sie sich zumindest konkludent berufen, ggf. auch durch Zeugen.
Hier ist Verhandlungsgeschick angesagt wobei Ihr Joker die baurechtswidrige Nutzungsüberlassung des Obergeschosses entgegen dem unabdingbaren Brandschutz und Rettungswegegebot ist. Denn das ist ggf. sogar mit drastischen Bußgeldern bewehrt
V. Fazit und Empfehlung
Ja, Sie können unter den gegebenen Umständen eine Mietminderung auch rückwirkend geltend machen, insbesondere:
- wegen der fehlenden Fertigstellung des Aufzugs, der Terrasse und der Gegensprechanlage;
- wegen des massiven Brandschutzmangels, der die Nutzung des Obergeschosses ausschloss.
-Höhe der Minderung (ungefähre Schätzung, tatsächliche Berechnung nach Einzelfallprüfung erforderlich):
Ich empfehle Ihnen, die Minderung schriftlich gegenüber dem Vermieter geltend zu machen (unter Angabe der Mängel und Zeitraum), und die Mietrückstände entsprechend zu kürzen. Das kann mit der Nachzahlung verrechnet werden. Es empfiehlt sich, einzelfallbezogen Rechtsrat vor Ort einzuholen, ggf. mit Begehung durch Mieterverein, Gutachter oder Anwalt.
Denn diese Einschätzung erfolgt auf Grundlage der vorgetragenen Informationen im Rahmen einer Ferndiagnose der Rechtslage. Sie ersetzt keine umfassende Prüfung und individuelle anwaltliche Beratung unter Einsicht in Mietunterlagen, baurechtliche Akten und Kommunikation mit der Vermieterseite). Ich hoffe damit Ihre Frage hilfreich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Bedarf können Sie die Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen