Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich anhand des von Ihnen geschilderten Sachverhalts in der gebotenen Kürze beantworten möchte. Sie sollten jedoch immer bedenken, dass diese Erstberatung eine ausführliche Beratung vor Ort nicht ersetzen kann.
Das Wichtigste zuerst: Die Kündigung ist aus formellen Gründen unwirksam und kann zurückgewiesen werden. Allerdings kann die Vermieterin die Verletzung der Formvorschriften teilweise heilen, in dem sie z.B. eine erneute Kündigung ausspricht und das berechtigte Interesse an der Eigentumswohnung ausreichend darlegt. Sie haben das Recht Widerspruch gemäß § 574 Absatz 2 BGB
gegen die Kündigung einzulegen.
Die Wirksamkeit des Kündigungschreibens Ihrer neuen Vermieterin richtet sich dem Grunde nach § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB
. Ihnen als Mieter obliegt grundsätzlich die Pflicht zur Beschaffung einer Ersatzwohnung und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung zunächst formunwirksam ist. Das Kündigungsschreiben muss jedoch folgende Angaben enthalten.
1.
Der Nutzungswunsch des Vermieters, seiner Angehörigen oder nahestehenden Dritten mit Angabe des Namens, der Anschrift, Alter und Berufstätigkeit.
Dies ist nach Ihrer Aussage erfolgt, insofern gehe ich davon aus, dass das Kündigungsschreiben in dieser Hinsicht nicht zu bemängeln ist. Sofern die Vermieterin nicht selbst einzieht, müssen die Personen, die einziehen, genau benannt werden.
2.
Die aktuelle Wohnverhältnisse.
Ihre Vermieterin muss ihre aktuellen Wohnverhältnisse schildern. Sie schrieben, dass Ihnen mitgeteilt wurde, dass die Mietwohnung der Vermieterin bereits gekündigt worden ist. Deshalb gehe ich auch hier davon aus, dass diese Voraussetzung erfüllt ist.
3.
Die Darstellung des berechtigten Interesse der Vermieterin.
Ihre Vermieterin hat die Pflicht mitzuteilen, warum bei ihr ein Eigenbedarf an der Wohnung besteht. Diese Eigenbedürftigkeit muss sich aus vernünftigen Gesichtspunkten ergeben und in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung Ihres Mietverhältnisses stehen. Sie schildern, dass die Vermieterin Ihnen mitgeteilt hat, dass sie ihre eigene Mietwohnung bereits gekündigt hat. Ob dies ausreicht um einen vernünftigen Grund für den Eigenbedarf zu bilden, ist schon zweifelhaft. Denn ohne weitere Angaben, warum die Vermieterin die neue Wohnung benötigt, kann ein Eigenbedarf nicht nachvollzogen werden.
Die Voraussetzungen des "benötigen" im Sinne dieser Vorschrift sind teilweise umstritten. Allgemein kann man aber von einem Bedarf des Vermieters sprechen, wenn z.B. die eigene Mietwohnung des Vermieters zu klein, zu teuer oder zu weit entfernt vom Arbeitsplatz liegt. Auch Gründe der Lebensgestaltung (Familienzuwachs, Aufnahme einer Pflegeperson, etc.).
Hierbei muss aber auch erwähnt werden, dass Ihre Vermieterin solche Gründe auch nachschieben kann. Deshalb muss die Kündigung nicht unbedingt aus diesem Grund unwirksam sein. Sie würden also eventuell nur etwas Zeit gewinnen, wenn Sie die Kündigung aus diesen Gründen zurückweisen.
Das Kündigungsschreiben muss aber auch bestimmte Voraussetzungen an die Form einhalten.
1.
Die Kündigung muss gemäß § 568 Absatz I BGB
schriftlich erfolgen. Hierbei muss die Kündigung auch vom Vermieter unterschrieben werden und zwar durch eigenhändige Namensunterschrift! Da diese nach Ihren Angaben nicht erfolgt ist, kann die Kündigung schon aus diesem Grund zurückgewiesen werden. Allerdings gilt auch hier, dass die Kündigung nachgeholt werden kann. D.h. dass Ihre Vermieterin eine erneute Kündigung ausspricht. Also würden Sie auch hier eventuell nur Zeit gewinnen.
2.
Der Vermieter muss auch auf Ihr Recht auf Widerspruch gegen die Kündigung gemäß § 574 BGB
hinweisen. Allerdings ist die Vorschrift nur eine sogenannte "Soll-Vorschrift", d.h. ein Verstoß gegen diese Vorschrift hat nicht die Unwirksamkeit der gesamten Kündigung zur Folge.
Zu Ihrer Frage, ob Ihre Situation von der Vermieterin berücksichtigt werden muss, gilt folgendes. Wie gesagt, müssen Sie als Mieter sich um eine Ersatzwohnung bemühen, es sei denn, der Vermieter hat z.B. noch eine leerstehende oder leer werdende Wohnung im selben Haus.
Ich nehme an, dass dies nicht der Fall ist.
Nach Ihren Angaben gehe ich allerdings davon aus, dass bei Ihnen ein Härtefall gemäß § 574 BGB
gegeben ist. Sie müssen zwar nicht eine deutlich teurer Wohnung anmieten, jedoch ist Ihnen auch zuzumuten, dass Sie z.B. mehrere Zeitungsinserate schalten und (sofern Sie wirtschaftlich dazu in der Lage sind) auch einen Makler einzuschalten. In einem Prozess sind die Vorliegenden Härtegründe von Ihnen darzulegen und zu beweisen. Sie sollten sich also bereits jetzt schon darum kümmern, Beweise für Ihre Bemühungen um eine neue Wohnung zu sichern.
Ob Ihnen zugemutet werden kann, in einen Nachbarsort zu ziehen, hängt wesentlich von Ihren persönlichen Umständen ab (z.B. Krankheiten, lange Anfahrtswege zur Arbeit, etc.).
Was also tun? Sie könnten zunächst die Kündigung wegen der fehlenden eigenhändigen Namensunterschrift oder den fehlenden Angaben zum berechtigten Interesse zurückweisen und vielleicht etwas Zeit gewinnen. Ich würde Ihnen empfehlen, gegen die Kündigung Widerspruch gemäß § 574 Absatz 2 BGB
einzulegen, da bei Ihnen liegt ein Härtefall vor, da Sie aufgrund des aktuellen Wohnungsmangels keinen angemessenen Ersatz finden können. Sie müssen jedoch nachweisen, dass Sie sich um Wohnungen bemüht haben. Daher sei Ihnen angeraten, sich entweder schriftlich bestätigen zu lassen, dass Sie sich um die Wohnung bemüht hat oder zumindest einen Zeugen z.B. zu den Besichtigungsterminen mitzunehmen.
Ich verstehe zwar Ihren Wunsch, der neuen Eigentümerin keinen Ärger zu bereiten, Sie sollten jedoch auch an sich denken! Ihre neue Vermieterin hat eventuell die Möglichkeit in ihrer alten Wohnung so lange wohnen zu bleiben, bis Sie eine Ersatzwohnung gefunden haben. Sofern Sie sich mit der neuen Vermieterin gut verstehen, würde ich Ihnen empfehlen, ihr die Lage, in der Sie sich befinden zu schildern. Aber, dass sollte Sie nicht daran hindern, einen Widerspruch gegen die Kündigung zu erwägen. Immerhin wollen Sie ja nicht auf der Strasse landen.
Falls Sie sich entschliessen sollten einen Widerspruch einzulegen, stehe ich Ihnen natürlich gerne mit Rat und Tat zur Seite.
Ich hoffe sehr, dass Ihnen meine Antwort weitergeholfen hat und stehe für Rückfragen natürlich jederzeit zur Verfügung. Sofern Sie mit meinen Leistungen zufrieden waren, bitte ich um eine positive Bewertung.
Mit freundlichen Grüßen
Vielen Dank für diese sehr ausführliche Antwort.
Die positive Bewertung ist sicher.
Dennoch möchte ich die Möglichkeit der Nachfrage nutzen.
Der Eigenbedarf wurde wie folgt begründet:
"Nachdem ich die Wohnung gekauft habe und aktuell in einer 1 Zimmerwohnung wohne, möchte ich nun meine 2 Zimmerwohnung selbst beziehen."
Die Formulierung war also korrekt, nur die Unterschrift fehlte.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass ich jetzt gegen diese unwirksame Kündigung trotzdem noch Widerspruch einlegen soll?
Vermutlich aus rechtlichen Gründen...
Die jetzige Kündigung wurde kurz vor der Mietdauer von 5 Jahren eingereicht, Frist 3 Monate.
Nun aber wohne ich seit 5 Jahren und 3 Monaten in der Wohnung.
Ergibt sich jetzt eine neue Frist von 6 Monaten oder wird die erste Kündigung nur in richtiger Form wiederholt.?
Sie haben ja Recht damit, dass ich jetzt an mich denken muss aber mir tut die ganze Sache und erst recht die plötzliche neue Situation für die Eigentümerin total leid.
Wie die Lösung unseres und vor allem ihres Problems aussehen soll müssen wir nun schnellstens bereden. Denn am 01.11.12 ist der Tag X, nun dummerweise für sie.
Gestatten Sie mir daher eine Frage für die Eigentümerin zu stellen.
Sie hatte ja ihre Wohnung regulär gekündigt und die neuen Mieter haben schon einen Mietvertrag zum 01.11.12.
Kann man in solch einer Situation "einfach" sagen: ich ziehe die Kündigung der Wohnung zurück und bleibe doch noch 3-6 Monate wohnen? Oder muss sie jetzt raus? Ich hoffe nicht, denn wie soll sie bis nächste Woche eine neue Bleibe für sich finden ?
Fällt das evtl. unter irgendeine Härtefallregelung ?
Falls hierauf eine Antwort nicht erfolgen kann, ist das schade aber für meinen Fall ist ja eigentlich alles gesagt.
Vielen Dank und freundliche Grüße.
Ob diese pauschale Formulierung der Eigentümerin ausreichend ist, lass ich einmal dahin stehen. Als Anwalt der Mieter fallen mir eine Menge Gründe ein, warum dies nicht der Fall ist.
Ihre Kündigung ist nicht automatisch unwirksam, dies müssen Sie erst geltend machen. Nun haben Sie ja in der Nachfrage geschildert, dass die Kündigung Ihnen schon vor ca 3 Monaten zugegangen ist. Ob nun eine Zurückweisung der Kündigung wegen eines solchen offensichtlichen Formmangels von gerichtlicher Seite trotz des Zeitablaufs anerkannt oder wegen § 242 BGB
abgelehnt wird, lass ich erstmal dahinstehen. Denn es kommt Ihnen ja in erster Linie darauf an Zeit zu gewinnen, deshalb würde ich vorschlagen, Sie weisen die Kündigung zurück und legen hilfsweise Widerspruch ein. Wie gesagt, stehe ich Ihnen bei der Formulierung eines solchen Schreibens gerne zur Verfügung.
Falls eine neue Kündigung ausgesprochen wird, gilt die Rechtslage des Zeitpunktes, zu dem Ihnen das Schreiben zugegangen ist. D.h. nach Ihren Angaben könnten verlängerte Kündigungsfristen zu beachten sind.
Eigentlich ist die letzte Frage nicht mehr von der Erstberatung umfasst. Ich gehe trotzdem kurz darauf ein: die Kündigung kann nicht einseitig zurückgezogen werden. Die Eigentümerin wird sich vermutlich schadensersatzpflichtig machen, wenn sie nicht fristgerecht auszieht. Einen Härtefall kann sie nicht geltend machen, denn sie hat das Ende des Mietverhältnisses durch ihre Eigenkündigung selbst herbeigeführt.
Das ist auch der Grund, warum Sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchen. Die Eigentümerin hat sich die "Suppe selbst eingebrockt", wenn Sie mir die Formulierung gestatten. Wer so handelt, wie es die Eigentümerin getan hat, wurde entweder sehr schlecht beraten oder hat sich einfach keine Gedanken gemacht und evtl Probleme einfach ignoriert. Das sollten Sie nicht zu Ihrem Problem machen.