Sehr geehrte/r Ratsuchende/r,
vielen Dank für Ihre Frage. Vor der Beantwortung möchte ich darauf hinweisen, dass diese Plattform nur dazu gedacht ist, eine erste rechtliche Orientierung zu geben. Eine eingehende persönliche anwaltliche Beratung kann und soll dadurch nicht ersetzt werden. Die Beantwortung der Frage erfolgt auf Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben. Durch das Hinzufügen oder Weglassen von Details und Informationen kann sich die rechtliche Beurteilung u. U. erheblich verändern.
Dies vorangeschickt komme ich nun zu Ihren Fragen:
Sofern eine Wohnung mit Mängeln belastet ist, steht dem Mieter ab Eintritt des Mangels von Gesetzes wegen ein Minderungsrecht zu, § 536 Abs. 1 BGB
. Grundsätzlich ist es gem. § 536 Abs. 4 BGB
bei der Wohnraummiete nicht zulässig, eine für den Mieter nachteilige Vereinbarung zu treffen. Es ist daher schon fraglich, ob die Klausel im Mietvertrag, die ein Minderung ausschließt überhaupt wirksam ist. Ich tendiere dazu, die Klausel für unwirksam zu halten.
Allerdings entfällt das Recht zur Minderung, wenn der Mangel bereits bei Vertragsschluss bekannt ist oder aber mit dem Eintritt von Beeinträchtigungen/Mängeln aufgrund von Informationen des Vermieters künftig zu rechnen (Bauarbeiten) ist und der Mieter den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände abschließt, ohne sich seine Rechte ausdrücklich vorzubehalten, § 536 b BGB
. Da Ihnen bei Vertragsschluss bekannt war, dass Sanierungs- und Bauarbeiten erfolgen, könnte das Minderungsrecht daher nach § 536 b BGB
ausgeschlossen sein.
Um zu beurteilen, ob wegen der Kenntnis der Mängel das Minderungsrecht für die gesamte Dauer der Bauarbeiten ausgeschlossen ist oder nur für das 1. Jahr, müssten alle Umstände bei Vertragsschluss herangezogen werden, wozu z. B. der gesamte Vertragstext sowie evtl. schriftliche Zusagen o. ä. des Vermieters bei Vertragsschluss gehören würden. Des weiteren wäre eingehend zu prüfen, ob Sie sich die (spätere) Geltendmachung einer Mietminderung entsprechend § 536 b BGB
vorbehalten haben. Diese Prüfungen gehen aber über eine Erstberatung hinaus und können daher im Rahmen dieses Forums nicht erfolgen.
Vorläufig ergeben sich aufgrund Ihrer Angaben folgende denkbare Konstellationen:
Wurden die Bauarbeiten verbindlich auf eine Dauer von maximal einem Jahr festgelegt - was von Ihnen im Zweifel zu beweisen wäre - ist es denkbar, dass das Minderungsrecht nach Ablauf dieser "Frist" wieder auflebt bzw. Sie sich damit u. U. vorbehalten haben danach Ihr Minderungsrecht wieder auszuüben. Sicher ist dies aber nicht, zumal der Ausschluss im Mietvertrag - auch wenn er wegen § 536 Abs. 4 BGB
nicht wirksam wäre - keine exakte zeitliche Begrenzung für den Verzicht des Minderungsrechts enthält. Die Formulierung im Mietvertrag "im Laufe von einem Jahr ab Mietbeginn" ist m. E. keine verbindliche zeitliche Beschränkung für die Dauer der Bauarbeiten. Da die Formulierung relativ "schwammig" ist, könnte sie u. U. auch so verstanden werden, dass die Bauarbeiten im ersten Jahr ab Mietverhältnis erst beginnen, ohne dass ein genaues Ende oder eine ungefähre Dauer angegeben wird.
Da der Zustand der Wohnung (fehlender Balkon) und des Treppenhauses sowie die Beeinträchtigungen durch die Bauarbeiten bereits bei Vertragsschluss bekannt waren, möchte ich zumindest nicht ausschließen, dass das Minderungsrecht für die gesamte Dauer der Bauarbeiten ausgeschlossen ist, auch wenn die Arbeiten länger als 1 Jahr dauern.
Sofern Sie sich die Mietminderung bei Vertragsschluss ausdrücklich vorbehalten haben, sollte die Mietminderung dagegen grundsätzlich noch möglich sein.
Ergibt sich aus den Gesamtumständen in Verbindung mit der relativ weichen Formulierung aus dem Mietvertrag, dass die Dauer der Bauarbeiten auf 1 Jahr festgelegt werden sollte und haben Sie sich das Minderungsrecht bei Vertragsschluss vorbehalten, könnte ebenfalls eine Berechtigung für die Minderung nach Ablauf der Jahresfrist angenommen werden.
Die Frage, ob eine Möglichkeit zur Mietminderung besteht, lässt sich also ohne tiefergehende Prüfung nicht eindeutig beantworten.
In jedem Fall sollten Sie den Vermieter anschreiben und ihn auffordern, mitzuteilen, wann der Balkon angebaut wird und wann mit dem Abschluss der Bauarbeiten zu rechnen ist. Wegen beider Termine sollten Sie sich auf die Ihnen (mündlich) mitgeteilten Fristen berufen und ggf. gerade wegen des Balkons eine angemessene Frist zur Erledigung setzen. Diese Frist sollte so bemessen sein, dass die Arbeiten auch tatsächlich erledigt werden können. M. E. erschiene daher eine Frist von ca. 6 - 7 Wochen als angemessen. Gleichzeitig können Sie sich vorsorglich die Minderung für den Fall vorbehalten, dass der Balkon nicht in der Frist errichtet wird und auch für die Beeinträchtigungen wegen der Bauarbeiten nach Ablauf von 1 Jahr seit dem Einzug in die Wohnung. Der Vorbehalt bedeutet nämlich noch nicht, dass das Recht später auch tatsächlich ausgeübt wird, ist aber trotzdem eine Art "Vorwarnung" für den Vermieter.
Darüber hinaus sollten Sie sich wegen der Mietminderung als solcher sowie deren Höhe und Beginn vor der Ausübung auf jeden Fall noch einmal eingehend anwaltlich beraten lassen, und zwar unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände bei Vertragsschluss, die hier nicht näher geklärt werden können.
Was die von Ihnen angedachte Mietminderung angeht, denke ich, dass sie wohl aufgrund der von Ihnen beschriebenen Umstände im Rahmen sein sollte, wenn man sich sowohl auf den noch nicht vorhandenen Balkon als auch auf die Beeinträchtigungen durch die Baumaßnahmen berufen kann. 50% sollten dann aber das Maximum sein. Auch hierzu kann Sie ein Kollege oder eine Kollegin vor Ort - ggf. nach einer Ortsbesichtigung - sicherlich abschließend beraten. Eine Beurteilung aus der Ferne kann niemals verbindlich sein, da auch hier die Gesamtumstände zu bewerten sind.
Für das Anschreiben an den Vermieter empfehle ich ein Einschreiben mit Rückschein oder ein Einwurfeinschreiben, um den Zugang nachweisen zu können. Ein solches Schreiben könnte basierend auf Ihren Angaben in etwa wie folgt aussehen:
Sehr geehrter Herr xy,
wir haben am .... einen Mietvertrag geschlossen mit Mietbeginn zum .... Bei Vertragsschluss sagten Sie mir zu, dass innerhalb von 6 Wochen ein Balkon an meiner Wohnung angebaut wird. Des Weiteren gaben Sie an, dass die Sanierungsarbeiten und Bauarbeiten längstens ein Jahr dauern würden. Inzwischen sind 11 Monate seit meinem Einzug vergangen. Der von Ihnen zugesagte Balkon ist noch immer nicht vorhanden und ein Ende der Bauarbeiten ist für mich nicht absehbar. Zur Wahrung meiner Rechte fordere ich Sie auf, mir innerhalb von 14 Tagen verbindlich mitzuteilen, wann der zugesagte Balkon an meiner Wohnung errichtet wird und wann die Bauarbeiten beendet sein werden. Für die Errichtung des Balkons setze ich Ihnen zudem eine (letzte) Frist bis zum .... Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, behalte ich mir vorsorglich meine Mängelrechte einschließlich der Minderung vor. Sollten die Bauarbeiten über das von Ihnen mitgeteilte Jahr hinaus andauern, behalte ich mir ebenfalls mein Minderungsrecht vor. Mit freundlichen Grüßen...
Eine konkrete Ankündigung der Minderung sowie der Höhe sollten Sie vorsichtshalber erst vornehmen, wenn mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass eine Minderung wirklich möglich ist. Dabei könnte es auch von Vorteil sein, wenn das Minderungsschreiben auch die rechtliche Rechtfertigung/Grundlage trotz des Ausschlusses im Vertrag enthält. Es wäre daher sicherlich angeraten, das Schreiben von einem Anwalt/einer Anwältin verfassen zu lassen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort eine erste Hilfestellung geben und wünsche Ihnen noch ein angenehmes Wochenende.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Jacobi
Rechtsanwältin
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