Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
bevor ich Ihre eigentlichen Fragen beantworte, möchte ich noch kurz ein paar Ausführungen zu der Ihnen vorgeworfenen Urkundenfälschung (vgl. § 267 StGB
) machen:
Ein amtliches KfZ-Kennzeichenschild stellt zusammen mit dem Dienststempel der Zulassungsbehörde und dem Fahrzeug eine sog. „zusammengesetzte Urkunde“ dar. Durch die Verwendung des Leichtkraftradkennzeichens zusammen mit den via Post erhaltenen Plaketten und Siegel haben Sie eine „unechte Urkunde hergestellt“. Unecht war diese Urkunde deshalb, weil das Kennzeichen den Anschein erweckte, in diesem Zustand von der Zulassungsstelle ausgegeben worden zu sein, was in Wirklichkeit nicht der Fall war. Sie haben auch „zur Täuschung im Rechtsverkehr“ gehandelt. Dazu bedarf es nach herrschender Meinung (und Rechtsprechung) keiner TäuschungsABSICHT im Sinne eines „Draufankommens“ (Sie haben das Kennzeichen ja „eigentlich“ nur montiert, weil es besser ausschaute als das Original), sondern es genügt der (direkte) Wille zur Täuschung. Dieser Wille war bei Ihnen vorhanden, denn schließlich wollten Sie (zumindest auch), dass die Unechtheit des Kennzeichens bei Polizeikontrollen nicht auffällt (= Täuschung der Polizeibeamten).
Nun zu Ihren eigentlichen Fragen:
1. Wie lange es dauert, bis Ihnen Akteneinsicht gewährt wird, lässt sich nicht abschätzen, weil dies von Fall zu Fall ganz verschieden sein kann. Es kommt beispielsweise darauf an, wie lange die Polizei braucht, um die Akte fertigzustellen, diese dann an die Staatsanwaltschaft zu übersenden (nur diese darf Akteneinsicht gewähren), wie viel der zuständige Sachbearbeiter bei der Staatsanwaltschaft zu tun hat, etc. Ihr Verteidiger kann „Glück“ haben und die Akteneinsicht in wenigen Wochen nach Beantragung erhalten, es kann aber auch mehrere Monate dauern.
2. Eine Prognose ohne Akteneinsicht ist sehr schwierig. Eine Freiheitsstrafe OHNE Bewährung kann ich ausschließen, eine Freiheitsstrafe MIT Bewährung halte ich für sehr unwahrscheinlich. Wenn Sie verurteilt werden sollten, müssen Sie realistischerweise mit einer Geldstrafe rechnen, die in Tagessätzen (TS) ausgedrückt wird. Ein TS entspricht Ihrem monatlichen Nettoeinkommen geteilt durch 30. Bei der Anzahl der Tagessätze halte ich es für eher wahrscheinlich, dass diese jedenfalls max. 90 beträgt. Erst ab 91 TS würde in Ihrem Fall ein Eintrag in Ihr Führungszeugnis erfolgen. Sie dürften sich dann als „nicht vorbetraft“ bezeichnen.
Ich halte es aber auch nicht für ausgeschlossen, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, entweder wegen „geringer Schuld“ (eher unwahrscheinlich) oder gegen Zahlung einer Geldbuße. Sollte das Verfahren nicht eingestellt werden, kann auch ein Strafbefehl erlassen werden, den Sie dann akzeptieren können oder nicht. Nur im letzten Fall käme es dann zu einer Hauptverhandlung.
Zu Ihren Gunsten spricht insb., dass Sie nicht vorbestraft und geständig sind sowie, dass es sich letztlich um eine „Dummheit“ gehandelt hat und Sie keinerlei Vorteile durch die Verwendung des Kennzeichens hatten (das Original lag ja zu Hause).
3. Eine Rechtsschutzversicherung wird den Fall nicht übernehmen, weil diese bei vorsätzlichen Straftaten keinen Versicherungsschutz bietet.
4. Die Gerichtskosten betragen bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen 120,00 EUR, bei Verurteilung zu Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr oder zu Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen 240,00 EUR. Bei Erlass eines Strafbefehls ermäßigen sich die Kosten um die Hälfte (wenn Sie keinen Einspruch einlegen, sonst sind die Kosten die gleichen).
Die Rechtsanwaltskosten kann der Anwalt mit Ihnen natürlich frei vereinbaren und eine Vergütungsvereinbarung abschließen. Sollte es dies nicht tun und nach RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) abrechnen, betragen die durchschnittlichen Gebühren für das Ermittlungsverfahren 305,- € netto, bei Einstellung kommen noch 140,- € dazu. Sollte es zum Gerichtstermin vor dem Amtsgericht kommen gibt es eine Verfahrensgebühr in Höhe von 140,- € und pro Hauptverhandlungstag 230,- €.
Zu diesen Gebühren kommt noch die Umsatzsteuer hinzu, eine Auslagenpauschale von 20,- € und Auslagen für Kopierkosten (Akte).
5. Ob Ihr Arbeitgeber von der Strafsache erfährt bestimmt sich nach Nr. 15 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen, die ich Ihnen am Ende der Frage abgedruckt habe.
Ein Dienstvergehen liegt vor, wenn der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt (vgl. § 77 Abs. 1
Bundesbeamtengesetz). Hierunter fallen nicht nur dienstliche Pflichtverletzungen. Auch gravierendes Fehlverhalten im Privatbereich kann ein Disziplinarverfahren auslösen (z.B. bei anhängigem Strafverfahren / Bußgeldverfahren), FALLS das Vergehen Zweifel an der persönlichen Eignung aufwirft (wenn z.B. ein Polizist wegen Körperverletzung verurteilt wird) oder geeignet ist, das Ansehen der eigenen Dienststelle zu beschädigen. Werden Tatsachen bekannt, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, veranlasst der Dienstvorgesetzte die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Vorermittlungen. Nach Abschluss der Ermittlungen muss der Dienstvorgesetzte nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob das Disziplinarverfahren einzustellen oder ein förmliches Disziplinarverfahren einzuleiten ist.
In Ihrem Fall müssen Sie kaum mit beamtenrechtlichen Konsequenzen rechnen.
6. Sie gehen am besten zu einem Anwalt, der sich auf das Strafrecht spezialisiert hat, nicht zu einem Anwalt für Verkehrsrecht, weil Ihr Fall entscheidend im Strafrecht spielt.
7. Ein Fahrverbot oder Punkte drohen nicht.
Ich hoffe, Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantwortet zu haben. Bei Bedarf können Sie selbstverständlich die kostenlose Nachfragefunktion nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Björn Cziersky-Reis
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Björn Cziersky-Reis
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Web: https://www.rechtsanwalt-ausländerrecht.de
E-Mail:
Nr. 15 Mistra (Strafsachen gegen Personen in einem Beamten- oder Richterverhältnis § 125c BRRG, § 46 Abs. 1
, § 71 Abs. 3 DRiG
) lautet:
(1)In Strafsachen gegen Personen, die in einem Beamten- oder Richterverhältnis stehen, sind mitzuteilen
1. der Erlaß und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls,
2. die Anklageschrift oder eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift,
3. der Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls und
4. die einen Rechtszug abschließende Entscheidung mit Begründung sowie ggf. mit dem Hinweis, daß ein Rechtsmittel eingelegt worden ist.
(2) Absatz 1 gilt in Verfahren wegen Privatklagedelikten nur, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht hat; Nummer 29 bleibt unberührt. In Verfahren wegen fahrlässig begangener Straftaten sind Mitteilungen nach Absatz 1 Ziff. 2 bis 4 nur zu machen, wenn
1. es sich um schwere Verstöße, namentlich Vergehen der Trunkenheit im Straßenverkehr oder der fahrlässigen Tötung, handelt oder
2. in sonstigen Fällen die Kenntnis der Daten auf Grund der Umstände des Einzelfalles erforderlich ist, um zu prüfen, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind.
(3)Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen, die nicht bereits nach Absatz 1 oder 2 zu übermitteln sind, sollen übermittelt werden, wenn die in Absatz 2 Ziff. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gesichert die zu übermittelnden Erkenntnisse sind. Übermittelt werden sollen insbesondere Einstellungsentscheidungen gem. § 170 Abs. 2 StPO
, die Feststellungen zu einer Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB
enthalten. Die Mitteilung ordnen Richterinnen oder Richter, Staatsanwältinnen oder Staatsanwälte an.
(4)Übermittlungen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auch zulässig, soweit sie Daten betreffen, die dem Steuergeheimnis (§ 30 AO
) unterliegen.
(5) Die Mitteilungen sind an die zuständigen Dienstvorgesetzten oder deren Vertretung im Amt zu richten und als „Vertrauliche Personalsache“ zu kennzeichnen.