Wir haben für unsere 2 Grundschulkinder (1.+3. Klasse) im Frühjahr 2021 einen Betreuungsvertrag für den "Pakt für den Nachmittag" (Nachmittagsbetreuung an der Grundschule) mit einem Träger abgeschlossen. Dieser Träger erlaubt eine Kündigung des Vertrags (der sich ansonsten automatisch um je ein volles Schuljahr verlängert und mit Ende der 4.Klasse automatisch endet) ausschließlich bis zum 30.04. des vorangehenden Schuljahres, d.h. ab dem 01.05. eines Jahres ist man bis zum 31.07. des Folgejahres gebunden, ohne jede Ausstiegsmöglichkeit (außer bei Schulwechsel). Unsere Kosten belaufen sich (für beide Kinder, incl. Essen) auf rund 400€ im Monat. Ich habe mir einige andere hessiche Pakt-Verträge angesehen (es sind genug im Internet einsehbar) und sehe bei fast allen (neben günstigeren Preisen für die gleiche Leistung) mindestens eine Kündigungsmöglichkeit zum Halbjahr, oft auch zum Quartals- oder gar Monatsende, mit Kündigungsfristen zwischen einem und drei Monaten.
Wir haben am 30.06.22 zum 31.07.22 gekündigt, da unsere Kinder nicht mehr in die Betreuung gehen möchten, weil sie inzwischen andere Interessen haben und ungenügend "ich-Zeit" zuhause bzw. Zeit zum Spielen mit den Nachbarkindern haben. Der Träger hat die Kündigung "zum 31.07.23" bestätigt und ist nicht bereit, uns entgegenzukommen.
Ist eine derart elternfeindliche Kündigungsfrist bei dem staatlich reguliertem "Pakt für den Nachmittag" rechtmäßig?
auf Grundlage der durch Sie mitgeteilten Informationen beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Es gibt eine Entscheidung des AG München, die in Ihrem Sinne argumentiert und ebenfalls darauf abstellt, dass die Möglichkeit nur einmal im Jahr zu kündigen zu knapp ist. Dabei handelt es sich um eine Entscheidung, die sich auf einen Kitavertrag bezog. Die Grundsätze dürften aber auf die Betreuung von Grundschulkindern entsprechend übertragbar sein.
Die Entscheidung finden Sie unter dem Aktenzeichen über das Internet: AG München, 09.07.2015 - 213 C 13499/15
Die Empfehlung in Ihrem Fall wäre, dass Sie der Schule bzw. dem Betreuungsträger noch einmal eine Kündigung mit einer Frist von drei Monaten zukommen lassen, also innerhalb des Julis noch einmal hilfsweise zu Ende Oktober kündigen. (Das müssen Sie nur dann nicht tun, wenn Sie bereits hilfsweise mit einer Frist von drei Monaten gekündigt haben.)
Sie können dann auf das Urteil hinweisen. Außerdem können Sie noch schreiben:
Zitat:
Aus dem Urteil des AG München, 09.07.2015 - 213 C 13499/15 ergibt sich, dass eine Kündigungsfrist, die länger als drei Monate ist unzulässig ist. Deshalb dürfte die Klausel im Kita-Vertrag unwirksam sein. Damit gehen wir davon aus, dass die Kündigung mit Wirkung zum 31.07.2022 greift.
Hilfsweise kündigen wir unter Bezugnahme auf unsere Kündigung vom 30.06.2022 zum 31.10.2022.
Wir widerrufen die erteilte Einzugsermächtigung mit sofortiger Wirkung.
Danach sollten Sie die Reaktion abwarten. Falls man weiterhin das Geld von Ihnen verlangt rate ich Ihnen sich vor Ort an den zuständigen Schulträger bzw. Träger der Betreuungseinrichtung zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
-Rechtsanwältin-
Rückfrage vom Fragesteller6. Juli 2022 | 08:08
Sehr geehrte Frau Stadler,
vielen Dank für Ihre Antwort. Eine einzelne AG-Entscheidung aus einem anderen Bundesland zu einem anderen (wenn auch ähnlichen) Sachverhalt ist leider kein sehr solides Fundament.
Ich hatte die Frage bewußt im Fachgebiet "Schule" eingestellt, da ich gezielt auf eine staatliche Regulierung der Kündigungsfristen für das staatlich geregelte Programm "Pakt" gehofft hatte. Leider hat die Plattform nach gerade mal einer Nacht meine Frage ungefragt nach "allgemein" verschoben.
Wohin kann ich mich wenden, um hierüber etwas zu erfahren oder gar die Einführung einer Regelung zu bewirken?
viele Grüße!
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt6. Juli 2022 | 08:37
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne nehme ich noch ergänzend Stellung: unabhängig von der Gerichtsentscheidung ist nach allgemeinen Regeln zu Inhaltskontrolle diese Klausel zur Kündigungsfrist mit einer großen Wahrscheinlichkeit unwirksam. Die Entscheidung habe ich deshalb zitiert, weil diese anders als juristische Fachliteratur eine ständig verfügbare Quelle darstellt.
Es gibt keine staatliche Regulierung dieser Verträge die über die Regelungen zu AGB in den §§ 305 ff. BGB hinaus geht. Rechtlich gesehen handelt es sich deshalb auch um eine vertragsrechtliche Frage.
Die Thematik, die Sie schildern ist nicht in landesrechtlichen Regelungen zum Schulrecht geregelt, da es sich um eine zivilrechtliche Vereinbarung handelt.
Sie können sich jederzeit an Ihre Landtags- und Bundestagsabgeordneten wenden oder auf einschlägigen Plattformen eine Petition starten. Rechtlich ist diese Frage jedoch aus den in meiner Antwort aufgezeigten Gründen sehr eindeutig und nicht kontrovers. Einen weitergehenden Regulierungsbedarf müsste man deshalb noch mit speziellere Argumenten untermauern.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin
Ergänzung vom Anwalt6. Juli 2022 | 19:02
Sehr geehrter Fragesteller,
bitte lassen Sie mich meine Antwort noch ergänzen und korrigieren: Ihre erste Kündigung war wirksam. Sie müssen nicht noch einmal kündigen.
Aufgrund der Neufassung von § 309 Nr. 9 BGB zum 01.03.2022 muss es Ihnen möglich sein einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag mit einer Frist von einem Monat zu kündigen. Auch wenn der Vertrag für ein Schuljahr geschlossen und dann automatisch verlängert wird greift diese Regelung:
"bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat,
a)
eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags,
b)
eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses, es sei denn das Vertragsverhältnis wird nur auf unbestimmte Zeit verlängert und dem anderen Vertragsteil wird das Recht eingeräumt, das verlängerte Vertragsverhältnis jederzeit mit einer Frist von höchstens einem Monat zu kündigen, oder
c)
eine zu Lasten des anderen Vertragsteils längere Kündigungsfrist als einen Monat vor Ablauf der zunächst vorgesehenen Vertragsdauer;"
Verweisen Sie den Träger einfach auf diese Regelung. Das sollte ausreichend sein um ein Einlenken zu bewirken. Anderenfalls würde ich den Gang zur Verbraucherzentrale empfehlen.