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Kaufvertrag Hund - gutgläubiger Erwerb

| 13. Juli 2025 15:36 |
Preis: 45,00 € |

Kaufrecht


Beantwortet von


16:27

MK. war Eigentümerin des Hundes J. . Sie ist verheiratet mit T.K., dem Neffen von AJ.
MK. übergab den Hund im Januar 2023 zur Pflege an ihre Verwandte AJ. wegen einer Bandscheibenoperation und anderer familiärer Probleme. Es erfolgte weder eine Schenkung noch ein Verkauf von MK an AJ. Es bestand lediglich eine mündliche Pflegevereinbarung zwischen MK und AJ über den Hund J.
Im Oktober 2024 wurde der Hund bei Tasso mit ausdrücklichem Einverständnis von MK. auf AJ. registriert, nachdem der Hund entlaufen war, um eine schnellere Erreichbarkeit im Verlustfall sicherzustellen. Diese Registrierung war rein organisatorisch und sollte kein Eigentum begründen.
Wegen eigener gesundheitlicher Probleme und einem Zerwürfnis mit der Eigentümerin MK. verkaufte AJ aus Verzweiflung den Hund im November 2024 an Frau LW.. Sie handelte dabei ausdrücklich ohne Täuschungsabsicht.
Vor dem Kauf übersandte AJ. den Heimtierausweis an Frau LW. per WhatsApp, jedoch ohne die Seite mit der Eigentümerangabe, was unbeabsichtigt geschah. Frau AJ teilte LW mit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen den Hund verkaufen muss und dass der Hund aus der Familie ihres Neffen stammt. Frau LW überprüfte diese Angaben nicht und verlangte auch keine Nachweise, dass Frau AJ tatsächlich Eigentümerin war.
Bei Abschluss des Kaufvertrages und der Übergabe des Hundes übergab AJ. den vollständigen Heimtierausweis, der MK. als Eigentümerin auswies. Der Ausweis enthielt zudem Impfvermerke und Tierarztstempel.

Rechtsfrage
Ist Frau LW gutgläubig Eigentümerin am Hund „J" geworden oder liegt grobe Fahrlässigkeit vor, da Frau LW. ihr obliegende Pflichten als Käuferin, zB Überprüfung der Eigentümerstellung von Anke J., nicht beachtet hat
(§§ 929, 932 BGB) oder bleibt MK Eigentümerin und hat einen Herausgabeanspruch gegenüber LW?
Wie schätzen Sie die Chancen für Frau LW bei einem Gerichtsprozess ein?

13. Juli 2025 | 16:04

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragestellerin,

nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt ist die zentrale Frage, ob Frau LW durch den Kauf von AJ gutgläubig Eigentum am Hund „J" nach §§ 929, 932 BGB erworben hat oder ob ihr der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden muss, sodass ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist dabei auch, ob der Hund der Eigentümerin MK „abhandengekommen" ist (§ 935 BGB), was einen gutgläubigen Erwerb ebenfalls ausschließen würde.

1. Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 929, 932 BGB

Ein gutgläubiger Erwerb setzt voraus:

- Einigung und Übergabe (§ 929 BGB)

- Nichtberechtigung des Veräußerers (hier: AJ war nicht Eigentümerin)

- Gutgläubigkeit des Erwerbers (§ 932 BGB)

- Kein Abhandenkommen der Sache beim Eigentümer (§ 935 BGB)


2. Gutgläubigkeit der Erwerberin (Frau LW)

Nach § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist. Es besteht keine allgemeine Nachforschungspflicht, aber der Erwerber muss aufdrängenden Zweifeln nachgehen.


Im vorliegenden Fall hat Frau LW vor dem Kauf lediglich eine Kopie des Heimtierausweises per WhatsApp erhalten, allerdings ohne die Seite mit der Eigentümerangabe. Erst bei der Übergabe des Hundes und des vollständigen Heimtierausweises wurde MK als Eigentümerin ersichtlich. Frau LW hat keine weiteren Nachweise verlangt und die Angaben von AJ nicht überprüft.


Nach der allgemeiner Rechtsauffassung ist die Gutgläubigkeit grundsätzlich zu bejahen, wenn dem Erwerber keine Umstände bekannt sind, die ernsthafte Zweifel an der Eigentümerstellung des Veräußerers begründen. Die Vorlage eines Heimtierausweises ohne Eigentümerseite begründet für sich genommen noch keine grobe Fahrlässigkeit, da – anders als beim Kfz-Kauf – keine gesetzliche Pflicht zur Vorlage einer Eigentumsurkunde besteht.


Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei der Übergabe des Hundes der vollständige Heimtierausweis mit der Eigentümerangabe auf MK übergeben wurde. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte Frau LW erkennen können, dass AJ nicht Eigentümerin ist. Die Frage ist, ob dies den Erwerbsvorgang noch beeinflusst oder ob der Erwerb bereits mit Einigung und Übergabe des Hundes vollzogen war.


3. Zeitpunkt der Gutgläubigkeit

Entscheidend ist, dass die Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung, also bei Einigung und Übergabe, vorliegen muss. Wenn bei der Übergabe des Hundes und des vollständigen Heimtierausweises Frau LW erkennen konnte, dass MK als Eigentümerin eingetragen ist, spricht dies gegen ihre Gutgläubigkeit. In diesem Fall wäre sie nicht mehr gutgläubig und könnte kein Eigentum erwerben.


4. Abhandenkommen (§ 935 BGB)

Ein gutgläubiger Erwerb ist nach § 935 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer abhandengekommen ist, also ohne deren Willen aus dem Besitz gelangt ist. Im vorliegenden Fall hat MK den Hund freiwillig an AJ zur Pflege übergeben. Ein Abhandenkommen liegt nach der herrschenden Meinung nicht vor, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz freiwillig überträgt, auch wenn der Besitzmittler (hier: AJ) die Sache später unbefugt weiterveräußert.


5. Ergebnis und prozessuale Chancen

Nach der dargestellten Sachlage spricht vieles dafür, dass Frau LW nicht gutgläubig war, da sie bei der Übergabe des Hundes und des vollständigen Heimtierausweises erkennen konnte, dass MK als Eigentümerin eingetragen war. Das Übersehen dieser Information könnte als grob fahrlässig gewertet werden, da der Heimtierausweis ein offizielles Dokument ist, das regelmäßig zur Identifikation des Eigentümers dient. Die Rechtsprechung verlangt zwar keine umfassende Nachforschung, aber offensichtliche Hinweise auf eine fehlende Berechtigung dürfen nicht ignoriert werden.

Daher ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Gericht die Gutgläubigkeit von Frau LW verneint und MK als Eigentümerin ansieht. MK hätte dann einen Herausgabeanspruch gegen Frau LW aus § 985 BGB.

Die Chancen für Frau LW, in einem Gerichtsprozess als Eigentümerin anerkannt zu werden, sind nach der Sachlage und der herrschenden Rechtsauffassung als gering einzuschätzen. Entscheidend ist, dass sie bei der Übergabe des Hundes und des vollständigen Heimtierausweises die Eigentümerstellung von MK hätte erkennen können und müssen.


Zusammenfassung:

- Ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929, 932 BGB ist grundsätzlich möglich, wenn kein Abhandenkommen vorliegt und der Erwerber gutgläubig ist.

- Im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass Frau LW grob fahrlässig gehandelt hat, da sie bei Übergabe des vollständigen Heimtierausweises die Eigentümerstellung von MK hätte erkennen können.

- MK bleibt Eigentümerin und hat einen Herausgabeanspruch gegen Frau LW (§ 985 BGB).

- Die Erfolgsaussichten für Frau LW in einem Gerichtsprozess sind daher als gering einzuschätzen.


Mit freundlichen Grüßen


Rechtsanwalt Olaf Tank, Wirtschaftsjurist

Rückfrage vom Fragesteller 13. Juli 2025 | 16:16

Sehr geehrter Herr Tank,

vielen Dank für Ihre schnelle und präzise Antwort.

Könnten Sie eventuell Ihre Argumentation zur groben Fahrlässigkeit noch mit aktuellen Urteilen oder Auszügen aus Kommentierungen untermauern?

Vielen Dank und herzliche Grüße

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 13. Juli 2025 | 16:27

1. Definition und Maßstab der groben Fahrlässigkeit

Die Rechtsprechung definiert grobe Fahrlässigkeit als ein Verhalten, bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei sind auch subjektive, in der Person des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen.

„Unter grober Fahrlässigkeit im allgemeinen [ist] ein Handeln [zu] verstehen, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (stRspr., vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11 mwN). Wann nach diesem Maßstab davon auszugehen ist, dass der Erwerbsprätendent bei Besitzerwerb das Fehlen der eigenen Rechtsstellung als Eigentumserwerber infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden."
(BGH, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11)

2. Einzelfallbetrachtung und Sorgfaltsanforderungen

Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist stets anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Es gibt keine starren Regeln, vielmehr ist eine umfassende Abwägung aller relevanten Umstände erforderlich.

„Wann nach diesem Maßstab davon auszugehen ist, dass der Erwerbsprätendent bei Besitzerwerb das Fehlen der eigenen Rechtsstellung als Eigentumserwerber infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt, kann nicht allgemein, sondern nur anhand der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden."
(BGH, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11)

3. Übertragung auf den gutgläubigen Erwerb

Die Anforderungen an die Sorgfalt beim gutgläubigen Erwerb richten sich nach den Umständen des jeweiligen Marktes und der Art des Gegenstandes. Für den Erwerb von Alltagsgegenständen (wie etwa Hunden) gelten weniger strenge Anforderungen als etwa beim Erwerb von Kunstgegenständen oder Kraftfahrzeugen.

„Die sich aus § 937 Abs. 2 BGB ergebenden Sorgfaltsanforderungen unterscheiden sich im Grundsatz nicht von den Sorgfaltsanforderungen, die sich beim gutgläubigen Erwerb aus § 932 Abs. 2 BGB, etwa für den Erwerb von gebrauchten Kraftfahrzeugen ergeben."
(BGH, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11)

4. Subjektive Komponente

Auch die subjektive Seite ist zu berücksichtigen. Grobe Fahrlässigkeit liegt nicht schon bei jedem objektiv schwerwiegenden Verstoß vor, sondern es müssen auch die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Handelnden einbezogen werden.

„Grobe Fahrlässigkeit erfordert eine objektiv schwere und subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß an Fahrlässigkeit erheblich übersteigt. [...] Die verkehrserforderliche Sorgfalt muss dabei in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen."
(BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13)

5. Zusammenfassung der Kommentarliteratur

Die Kommentarliteratur bestätigt, dass für die Annahme grober Fahrlässigkeit ein besonders schwerwiegender Sorgfaltsverstoß vorliegen muss, der auch subjektiv unentschuldbar ist. Die Beurteilung ist stets einzelfallbezogen.

„Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, d. h. wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss."
(BSG, Urteil vom 11.6.1987 – 7 RAr 105/85 – BSGE 62, 32, 35 mwN)

6. Anwendung auf den vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall ist nach diesen Maßstäben zu prüfen, ob Frau LW die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt hat, indem sie die Eigentümerstellung der Veräußerin nicht weiter überprüft hat. Nach der dargestellten Rechtsprechung und Kommentarliteratur ist dies nicht der Fall, solange keine besonderen Verdachtsmomente vorlagen, die eine weitergehende Nachforschung zwingend erforderlich gemacht hätten.

Fazit:
Die Argumentation zur groben Fahrlässigkeit stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (u.a. BGH, Urteil vom 1. März 2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11; BGH, Urteil vom 18. Februar 2014 – VI ZR 51/13) sowie die einschlägige Kommentarliteratur. Entscheidend ist stets die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung sowohl objektiver als auch subjektiver Kriterien.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Nachfrage damit beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Olaf Tank

Bewertung des Fragestellers 13. Juli 2025 | 16:56

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