Gerne zu Ihrer umfangreichen Sachverhaltsschilderung:
Der rechtliche Kern Ihres Problem ist der, ob Sie als Mieterin bei unbestimmter Übertragung der Gartenpflege und Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen ein Mitbestimmungs- oder Gestaltungsrecht bezüglich der Heckenhöhe geltend machen können.
Das muss man aus mietrechtlicher Perspektive differenziert betrachten. Dabei sind (1.) mietvertragliche, (2.) nachbarrechtliche sowie (3.) öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte zu beachten.
1. Mietrecht: und Gestaltungshoheit bei gemeinschaftlichen Außenanlagen
Grundsätzlich liegt die Verwaltungs- und Gestaltungsbefugnis über gemeinschaftliche Außenanlagen weiterhin bei der Vermieterin, sofern nichts anderes ausdrücklich vereinbart ist. Das ergibt sich aus dem allgemeinen mietrechtlichen Prinzip, dass die Verfügungsmacht über die Mietsache im Außenbereich bzw. das Grundstück beim Eigentümer verbleibt. Zumal ja mehrere Mietparteien zu Diskussion stehen.
Die von Ihnen zitierte Passage aus dem Mietvertrag...
„Die Pflege der Nebenflächen wie Außenanlagen/Gartenanteil etc. obliegt bis auf Weiteres dem Mieter …"
...begründet nach h.M. keinen eigenen Gestaltungsanspruch, sondern lediglich eine Pflicht zur Ausführung einfacher Pflege- und Erhaltungsarbeiten („Rasen mähen, Rückschnitt, Unkraut entfernen etc."), nicht aber zur Gestaltung oder Umgestaltung oder zum eigenmächtigen Unterlassen der bisherigen Pflege.
Selbst bei umfassender Übertragung der Gartenpflege darf nach der Fachliteratur keine Eingriffe in die Bausubstanz oder in die optisch-prägende Außenwirkung vorgenommen werden, sofern die Mieterin nicht ausdrücklich hierzu ermächtigt wurde. Diese Ermächtigung sehe ich vorliegend nicht.
Fazit zu diesem Punkt: Solange keine ausdrückliche Gestattung oder Vereinbarung hinsichtlich der Gestaltungsfreiheit besteht, können Sie mietrechtlich nicht ohne Zustimmung die Hecke wachsen lassen oder auf Rückschnitt verzichten.
2. Gebot zur Rücksichtnahme / Lärm-, Sicht- und Immissionsschutz
Die Rspr. - sogar das BVerfG - betont, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) auch im Mietverhältnis Beachtung findet, etwa im Hinblick auf das berechtigte Interesse am Schutz vor öffentlicher Ausleuchtung der Privatsphäre. Wenn sich mithin die baulichen Gegebenheiten so darstellen, dass ein Sichtschutz zwingend notwendig ist, um das vertragsgemäße Wohnen zu ermöglichen, kann ein Anspruch auf Schutzmaßnahmen (z. B. durch eine höhere Hecke) in Betracht kommen. Dies ist jedoch stark einzelfallbezogen und der Anspruch würde sich gegen den Vermieter richten, berechtigt also nur im äußersten Fall zu Selbstvornahme.
Rechtsgrundlage wäre dann das Mietrecht. Nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB schuldet der Vermieter dem Mieter die Gebrauchserhaltung der Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand. Der vertraglich geschuldete Wohnwert könnte – in Ausnahmefällen – auch eine gewisse Intimsphäre und Schutz vor Einblicken, Lärm oder Emissionen umfassen, insbesondere bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse oder nicht offengelegten Umständen wie vorliegend:
- der aktuell sich offenbarte überdurchschnittlichen Verkehrs- und Urlauberfrequenz,
- einer nicht vorhersehbaren Einsichtnahme in Ihre Privaträume,
- und der Belastung durch Videoaufzeichnungen, die zu einem eigentlich unerträglichen Eingriff in Ihre Privatsphäre führen. Relativiert allerdings, solange alternative und geeignete Maßnahmen (Vorhänge, Plissees) möglich sind.
3. Nachbarschaftsrecht Mecklenburg-Vorpommern
Sie zitieren zutreffend, dass das Nachbarrechtsgesetz M-V (NachbG M-V) keine strikte Regelung zu Pflanzenhöhen in Abhängigkeit vom Abstand zur Grenze enthält.
Allerdings ist für Einfriedungen eine Höhe von bis zu 2,00 m verfahrensfrei zulässig. Das bedeutet: Eine Hecke darf bis zu dieser Höhe wachsen, sofern keine anderen Vorschriften (Gestaltungssatzung, Sichtbehinderung Straßenraum (!) etc.) entgegenstehen – was bei Ihnen nicht der Fall zu sein scheint.
Aber: Diese öffentlich-rechtliche Erlaubnis ändert nichts am zivilrechtlichen Verhältnis zwischen Mieterin und Vermieterin. Sie dürfen nicht eigenmächtig das Schneiden unterlassen oder die Hecke höher wachsen lassen, nur weil dies öffentlich-rechtlich möglich wäre. Vom stets vorrangigen Brandschutz- Zugangs und Rettungswegen ganz zu schweigen.
4. Welche Optionen sehe ich dennoch in Ihrem Sinne: Rückgriff auf das Persönlichkeitsrecht und die Vertragsauslegung
a) Unzumutbarkeit bei erheblicher Beeinträchtigung
Dokumentieren Sie Nachweise, dass:
- durch Videoaufzeichnungen und massive Einsichtnahmen in Ihre Wohnung ein erheblicher Eingriff in Ihre Privatsphäre vorliegt,
- dies durch eine einfache Maßnahme wie den Verzicht auf regelmäßigen Rückschnitt der Hecke erheblich gemindert werden könnte
- und der Wunsch nicht ästhetischer Natur ist, sondern schutzwürdige Belange (Gesundheit, Ruhe, Privatsphäre) verfolgt,
könnte eine gerichtliche oder schiedsgerichtliche Feststellung in Betracht kommen, dass der Erhalt eines höheren Bewuchses als Maßnahme zum Schutz Ihrer Wohnqualität erforderlich ist.
Ein solcher Anspruch ließe sich ggf. auf eine analoge Anwendung von § 906 BGB (verbotene Einwirkungen) oder auf die Störung der Gebrauchstauglichkeit der Wohnung i.S.v. § 536 BGB stützen (= Einwendungsrecht auf Wiederherstellung oder jedenfalls Erhaltung des vertragsgemäßen Zustandes).
b) Vertragliche Nebenpflichten des Vermieters
Zudem kann aus § 241 Abs. 2 BGB eine Nebenpflicht des Vermieters entstehen, auf berechtigte Belange des Mieters Rücksicht zu nehmen, insbesondere dann, wenn geringfügige Maßnahmen ausreichen würden, eine erhebliche Beeinträchtigung abzuwenden oder zu mildern.
Fazit:
Angesichts der von Ihnen genannten Kommunikationsform empfehle ich, eine schriftliche (Einwurfeinschreiben) , sachlich-juristisch formulierte Anfrage an die Bevollmächtigten der Vermieterin zu richten mit folgendem Inhalt:
- Verweis auf die überdurchschnittliche Belastungssituation (Sicht-, Lärm- und Emissionseinwirkungen),
- Hinweis auf öffentlich-rechtliche Zulässigkeit einer höheren Hecke (2,00 m),
- Berufung auf Art. 1 und 2 GG (Privatsphäre),
- Auslegung der mietvertraglichen Klause i.S. meiner obigen Ausführungen zu Pflegepflicht als Einbeziehung Ihrer Verantwortung,
- Bitte um Zustimmung zum Belassen und Pflege der Hecke auf einer Höhe von ca. 1,80 m aus mietvertraglichen und grundgesetzlich gewährleistetem Persönlichkeitsschutz.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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E-Mail:
Rechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt und Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer,
Nein, ich habe definitiv keine Rückfragen! Ihre Antwort übertrifft bei Weitem meine Erwartungen und ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet!
Ich werde mir jetzt überlegen, wie ich das angehe, formuliere etc., ich werde nicht mit Paragraphen um mich "schleudern", sondern eine einfache höfliche aber belastbare Formulierung ausarbeiten.
Ihre Kanzlei habe ich mir bereits gespeichert "für den Fall". Ich weiß gar nicht wie ich Ihnen danken kann!
Mit der aller höchsten Hochachtung danke ich nochmals und schicke Ihnen die besten Grüße von der Ostsee,
Ihre Fragestellerin
(den Namen haben Sie ja, will ihn nicht veröffentlichen)
Besten Dank für die positive Bewertung meiner Arbeit und die Grüße aus Ihrem schönen Bundesland an der Ostsee.
Ihnen gutes Gelingen wünscht,
Ihr
Willy Burgmer
- Rechtsanwalt