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Gurtpflicht im Omnibus für den Fahrer?

| 11. Februar 2025 12:19 |
Preis: 80,00 € |

Verkehrsrecht


Beantwortet von

In § 21a Abs. 1 StVO steht:
Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein; [...] Das gilt nicht für [...]
5. das Betriebspersonal in Kraftomnibussen und das Begleitpersonal von besonders betreuungsbedürftigen Personengruppen während der Dienstleistungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern.

Bezieht sich der Halbsatz "während der Dienstleistungen ..." nur auf "das Begleitpersonal von besonders betreuungsbedürfiten ...." oder auf die gesamte Nummer 5. ?

Nach meiner Auffassung als juristischer Laie gilt die Ausnahme von der Gurtpflicht
- für das Betriebspersonal in Kraftomnibussen generell
und
- für das Begleitpersonal von besonders betr.bed. Pers.Gr. nur während der Dienstleistungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern.
Können Sie diese Auffassung teilen?


Nur unter der Voraussetzung, dass meine Auffassung richtig ist (also die Ausnahme von der Gurtpflicht für das Betriebspersonal in Kraftomnibussen generell gilt), ist der zweite Teil meiner Frage relevant:

Es gibt Stimmen, die behaupten, nur das Begleitpersonal, aber nicht der Fahrer gehörten zum Betriebspersonal. Ich bin der Meinung, auch der Fahrer gehört zum Betriebspersonal und würde gerne Ihre juristische Einschätzung dazu hören.

Meine Argumente:
1. Ohne Begleitpersonal kann ein Omnibus betrieben werden, aber ohne Fahrer nicht. Also gehört der Fahrer zum Betriebspersonal.
2. Es gibt in der StVO keine Definition des Betriebspersonals. Auch in den folgenden Gesetzen und Verordnungen, die direkt oder indirekt den Omnibusbetrieb betreffen, habe ich keine Definition des Betriebspersonals gefunden:
StVZO, PBefG, VO (EG) 561/2006, VO (EG) 1071/2009, VO (EG) 1073/2009, Richtlinie 2002/15/EG (dort ist nur "Fahrpersonal" definiert)

Lediglich in der BOKraft wird der Begriff "Betriebspersonal" verwendet und ist dort indirekt definiert:
§ 7: "Das im Fahrdienst eingesetzte Betriebspersonal...." Demnach gehört der Fahrer zum Betriebspersonal.
§ 8 Abs. 1: "Das Betriebspersonal, das im Fahrdienst oder zur Bedienung von Fahrgästen eingesetzt ist..." impliziert, dass "Betriebspersonal" der Oberbegriff ist und sich in Fahrpersonal und Begleitpersonal aufgliedert.
Gemäß dieser beiden Aussagen sollte eindeutig definiert sein, dass der Fahrer zum Betriebspersonal gehört. § 7 und § 8 stehen im 2. Titel "Fahrdienst".

Jedoch steht in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BOKraft ".... des Fahr- und Betriebspersonals". Hieraus könnte man ableiten, dass das Fahrpersonal keine Untermenge des Betriebspersonals sei. Allerdings steht der § 4 im 1. Titel "Betriebsleitung", sollte also den Fahrer nicht betreffen. Im 2. Titel "Fahrdienst" ist ja der Fahrer eindeutig dem Betriebspersonal zugeordnet (siehe oben).
Könnte man auch argumentieren: Bei widersprüchlichen Angaben im Zweifel "für den Angeklagten"? ;-)

Für die Annahme, dass der Fahrer/die Fahrerin zum Betriebspersonal gehört, spricht auch die Aussage im Buch Horst Krämer: "BO Kraft Textausgabe mit Erläuterungen", Huss-Verlag 2019:
Auf Seite 33 unter § 7 ist eine Tabelle abgebildet, in der der Fahrzeugführer eindeutig dem Betriebspersonal untergliedert ist und somit ihm angehört. Im Erläuterungstext steht "... für zwei Gruppen des Betriebspersonals: 1. Die im Fahrdienst und 2. die zur Bedienung von Fahrgästen eingesetzten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." Auch nach dieser Aussage gehören Fahrerin und Fahrer zum Betriebspersonal.
Der Autor des genannten Buches ist ehemaliger Geschäftsführer eines Verkehrsverbundes und kein Jurist.

Gehe ich auch nach juristischer Einschätzung recht in der Annahme, dass der Fahrer eines Omnibusses zum Betriebspersonal gehört und demnach gemäß § 21a Abs. 1 Nr. 5 StVO keinen Sicherheitsgurt anlegen muss?
Auch unter Berücksichtigung, dass in der BOKraft in § 4 Abs. 2 Nr. 2 von Fahr- und (!) Betriebspersonal die Rede ist?

Vielen Dank im Voraus für die Beantwortung!

11. Februar 2025 | 16:52

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:


1.

Auslegung der Ausnahme in § 21a Abs. 1 Nr. 5 StVO

Die Frage, ob sich der Halbsatz "während der Dienstleistungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern" nur auf das Begleitpersonal von besonders betreuungsbedürftigen Personengruppen oder auch auf das Betriebspersonal in Kraftomnibussen bezieht, ist entscheidend für die Auslegung der Gurtpflicht.

Grammatikalische Auslegung: Der Halbsatz "während der Dienstleistungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern" folgt unmittelbar auf die Erwähnung des Begleitpersonals. Dies legt nahe, dass sich die zeitliche Einschränkung primär auf das Begleitpersonal bezieht.

Systematische Auslegung: Die systematische Betrachtung der Norm könnte darauf hindeuten, dass das Betriebspersonal in Kraftomnibussen generell von der Gurtpflicht ausgenommen ist, während das Begleitpersonal nur unter bestimmten Bedingungen (Verlassen des Sitzplatzes) von der Gurtpflicht befreit ist.

Teleologische Auslegung: Der Zweck der Regelung könnte darin bestehen, die Sicherheit zu gewährleisten, während gleichzeitig die notwendige Bewegungsfreiheit für das Begleitpersonal bei der Betreuung von Fahrgästen ermöglicht wird. Dies könnte dafür sprechen, dass die Einschränkung nur für das Begleitpersonal gilt.


2.

Einordnung des Fahrers als Betriebspersonal (Argumente für die Einordnung des Fahrers als Betriebspersonal)

Fehlende Definition in der StVO: Die StVO enthält keine spezifische Definition des Begriffs "Betriebspersonal". Dies lässt Raum für eine weite Auslegung, die den Fahrer einschließt.

Verwendung in der BOKraft: In der BOKraft wird der Begriff "Betriebspersonal" verwendet und umfasst das im Fahrdienst eingesetzte Personal, was den Fahrer einschließt.

Die Unterscheidung zwischen Fahr- und Betriebspersonal in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BOKraft könnte auf eine organisatorische Trennung hinweisen, ändert jedoch nichts an der Zugehörigkeit des Fahrers zum Betriebspersonal im Kontext der Gurtpflicht.

Literaturmeinung: Die von Ihnen zitierte Literatur (Horst Krämer) unterstützt die Auffassung, dass der Fahrer zum Betriebspersonal gehört.


3.

Juristische Einschätzung

Unter Berücksichtigung der systematischen und teleologischen Auslegung sowie der Verwendung des Begriffs in der BOKraft ist es vertretbar, den Fahrer als Teil des Betriebspersonals zu betrachten. Somit wäre der Fahrer gemäß § 21a Abs. 1 Nr. 5 StVO von der Gurtpflicht ausgenommen.


4.

Fazit

Ihre Auffassung, dass das Betriebspersonal in Kraftomnibussen generell von der Gurtpflicht ausgenommen ist und der Fahrer zum Betriebspersonal gehört, ist juristisch vertretbar.

Die grammatikalische und systematische Auslegung der Norm sowie die unterstützende Literaturmeinung stützen diese Sichtweise.


Mit freundlichen Grüßen

Gerhard Raab
Rechtsanwalt


Bewertung des Fragestellers 11. Februar 2025 | 17:28

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