Sehr geehrte/r Rechtsratsuchende/r,
gerne nehme ich zu Ihrer Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Bewertung des Mehrfamilienhauses Stellung:
a) Gilt der Absatz auch für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus?
Ja, die maßgebliche Regelung findet sich in § 198 des Bewertungsgesetzes und gilt für sämtliche in den §§ 179, 182 bis 196 BewG genannte Immobilien des Grundvermögens.
b) Wann genau ist der Bewertungsstichtag? Stimmt meine Annahme, dass er mit Übergang des Erbes auf uns Ende April 2022 (nach der Ausschlagung durch meine Mutter) definiert ist oder bezieht er sich auf den Todestag?
Auch bei einer Erbschaft infolge Erbausschlagung ist der Bewertungsstichtag gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Todestag des Erblassers.
c) Was bedeutet das Wort "kann" im Text? Muss das Finanzamt einen niedrigeren Verkaufspreis als Nachweis akzeptieren oder gibt es Ausnahmen, in denen es sich auf den Marktwert der Wohnung am Bewertungsstichtag berufen kann?
Aus dem Wort "kann" ergibt sich, dass das Finanzamt dem Ansatz des Kaufpreises nicht folgen muss. Hierzu ist zum Verständnis der gesamte Text des § 198 BewG wie folgt im Kontext zu sehen:
"§ 198 Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts
(1) Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen. Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften.
(2) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann regelmäßig ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. des Baugesetzbuchs oder von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind, dienen.
(3) Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Bewertungsstichtag unverändert sind."
Aufgrund des letzten Halbsatzes in § 198 Abs. 3 BewG ist leider davon auszugehen, dass das Finanzamt in Ihrem Fall dem voraussichtlich geringeren Wert bei Verkauf gem. Kaufpreis nicht folgen wird, da sich die maßgeblichen Verhältnisse - wie Sie selbst schreiben - in den letzten Monaten verändert haben.
Es wäre daher im Fall eines hohen Wertansatzes des Finanzamts empfehlenswert, eine Auskunft des Gutachterausschusses des örtlichen Katasteramtes einzuholen. Diese ist sehr kostengünstig zu erlangen und liefert einen unabhängigen Wert. Falls das Finanzamt auch diesem Wert nicht folgen sollte, was eher unwahrscheinlich ist, wäre als letzte Alternative ein Wertgutachten eines Immobiliensachverständigen einzuholen, was allerdings hohe Kosten verursacht.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben, wünsche Ihnen viel Erfolg und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Andrea Fey
Rechtsanwältin und Notarin
Fachanwältin für Steuerrecht
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