Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich - die Richtigkeit Ihrer Angaben vorausgesetzt - anhand der von Ihnen gemachten Angaben gerne wie folgt summarisch beantworten möchte:
Lassen Sie mich bitte vorwegschicken, dass ich Ihren Fall so verstanden habe, dass Sie ein verbindliches und bis zum 30.06.2007 nicht widerrufliches Kaufangebot unterschrieben haben. Sollte dem nicht so sein, dann bitte ich um kurze Nachricht. Es könnte nämlich - bitte gestatten Sie mir diesen freundlich gemeinten Hinweis - auch sein, dass entgegen Ihrer Annahme, dass Sie bis zum 30.06.2007 an den Kaufvertrag gebunden seien, vielmehr bis zu diesem Zeitpunkt zurücktreten können (dass es sich also um ein vertragliches Rücktrittsrecht handelt).
Notarielle Kaufverträge über Wohnungseigentum sind grundsätzlich bindend. Wenn den Käufer die Kaufentscheidung im Anschluss reut, dann geht dies grundsätzlich einmal zu seinen Lasten, da er das wirtschaftliche Risiko seiner Kaufentscheidung trägt. Ein generelles Rücktritts- oder Widerrufsrecht gibt es nicht (es sei denn, man hat andere vertragliche Vereinbarungen geschlossen, siehe weiter unten).
Bislang haben Sie aber noch gar keinen wirksamen Kaufvertrag geschlossen, weil der Bauträger bislang noch nicht die Annahme erklärt hat. Wenn Sie sich jedoch wirksam verpflichtet haben, sich bis zum 30.06.2007 an Ihr Kaufangebot zu binden, dann kann der Bauträger dieses Angebot auch bis zum Ende dieser Frist noch annehmen. Spätestens dann haben Sie einen wirksamen Kaufvertrag mit den sich daraus ergebenden Folgen geschlossen. Bitte beachten Sie jedoch, dass man sich die betreffende Klausel in dem Vertrag einmal ansehen und auf Wirksamkeit überprüfen sollte. Hier kann sich im Einzelfall eine andere Betrachtung ergeben.
Unabhängig davon hat die Rechtsprechung in einigen Fällen die Vereinbarung einer unangemessen langen Annahmefrist zugunsten des Bauträgers als einen Verstoß gegen die §§ 305ff. BGB
eingestuft, da Vertragsabschlussklauseln als „Vertragsbedingungen“ im Sinne des AGBG (jetzt §§ 305ff. BGB
) zu werten sind und sich daher daran messen lassen müssen, ob sie den Vertragspartner des Verwenders unangemessen benachteiligen. Danach haben die Gerichte eine Annahmefrist von zehn Wochen bzw. sechs Monaten als zu lang und damit unwirksam eingestuft (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 26.06.2003, Az. 19 U 512/03
- die Nichtzulassungsbeschwerde des BGH wurde durch Beschluss vom 13.05.2004, Az. VII ZR 370/03
- zurückgewiesen; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 30.06.2005, Az. 5 U 118/03
). Es könnten sich daher gute Chancen für Sie ergeben, dass der notarielle Kaufvertrag unwirksam ist und Sie nicht daran gebunden sind. Wie das für Ihren Fall zuständige Gericht den Fall entscheiden wird, kann man gleichsam nicht vorhersagen. Eine verbindliche Aussage müsste ich jedoch einer Prüfung Ihres Kaufvertrages vorbehalten.
Bitte beachten Sie jedoch, dass bei den vorstehenden Ausführungen wichtig ist, dass der notarielle Kaufvertrag vom Bauträger verfasst und gestellt wurde (wovon ich ausgehe), da nur dann der Bauträger auch „Verwender“ im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB
wäre.
Die folgenden Ausführungen gelten weiterhin hilfsweise:
In Ihrem Fall ist es wichtig, den Kaufvertrag darauf zu überprüfen, ob der Bauträger sich verbindlich verpflichtet hat, eine gewisse Mindestanzahl an Wohnungen bereits vor Baubeginn bzw. zu einem bestimmten Datum zu verkaufen sowie diese Anlage nicht selbst an Dritte zu vermieten. Eine „Gesetzesvorgabe“, wie Sie es vermuten, gibt es hier nicht. Es kommt insoweit alleine auf die vertraglichen Regelungen an, die Sie getroffen haben, da diese Geschäftsgrundlage geworden sind. Auch kann vertragliche Auslegung bei der Frage, welche Rechtsfolgen sich aus der Verletzung dieser Pflichten ergeben sollen, eine Rolle spielen. Soweit der Bauträger sich vertraglich gebunden hat, die vereinbarten Ziele (Verkauf einer Mindestanzahl an Wohnungen, ggf. zu einem bestimmten Datum, Verbot der Selbstvermietung) zu erfüllen, kann sich im Falle der Nichterfüllung dieser Pflichten durchaus ein Rücktrittsrecht vom Vertrag ergeben.
Da mir Ihr Kaufvertrag leider nicht vorliegt, kann ich auch keine abschließende Aussage treffen. Gerade bei mündlichen Aussagen haben Sie oftmals Beweisprobleme, wenn der Bauträger die von ihm gemachten Zusagen bestreitet. Deshalb ist es zunächst wichtig zu prüfen, was überhaupt verbindlich und nachweisbar in einem Kaufvertrag geregelt wurde. In einem nächsten Schritt müsste man dann prüfen, ob man die Zusagen des Bauträgers anderweitig (z.B. durch außergerichtlich geführten Schriftverkehr oder Zeugenaussagen) beweisen kann.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Prüfung der Rechtslage eine erste rechtliche Orientierung vermittelt zu haben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass diese Plattform eine ausführliche und persönliche Rechtsberatung nicht ersetzen kann, sondern ausschließlich dazu dient, eine erste überschlägige Einschätzung Ihres Rechtsproblems von einem Rechtsanwalt zu erhalten.
Sofern Sie eine abschließende Beurteilung Ihres Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem konkret zu erörtern. Bitte beachten Sie, dass bei dieser Vorgehensweise weitere Kosten für die Beratung anfallen.
Gerne bin ich auch bereit, die weitere Vertretung und Beratung in der Angelegenheit für Sie zu übernehmen. Sie können mich jederzeit für eine weitere Beauftragung kontaktieren.
Mit freundlichen Grüßen
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