Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Mitteilung zur aktuellen Situation im Zusammenhang mit der Beantragung von Bürgergeld. Gerne gebe ich Ihnen eine Einschätzung zu Ihrer Frage, insbesondere zur Einordnung Ihrer Wohnsituation als Haushaltsgemeinschaft und den sich daraus ergebenden Folgen für Ihren Leistungsanspruch.
Nach den Vorschriften des SGB II bildet eine Bedarfsgemeinschaft in der Regel nur, wer mit bestimmten Personen – insbesondere Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern oder eigenen Kindern – in einem Haushalt lebt und für deren Unterhalt rechtlich oder tatsächlich Verantwortung trägt (§ 7 Abs. 3 SGB II). Eltern und ihre volljährigen Kinder bilden grundsätzlich keine Bedarfsgemeinschaft mehr, sofern die Kinder das 25. Lebensjahr vollendet haben oder nicht mehr im Haushalt der Eltern leben. In Ihrem Fall liegt somit – da Sie offenbar selbstständig und eigenverantwortlich Ihren Lebensunterhalt sichern – keine Bedarfsgemeinschaft mit Ihren Eltern vor.
Anders ist es bei der sogenannten Haushaltsgemeinschaft (§ 9 Abs. 5 SGB II). Hier wird vermutet, dass Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt leben und miteinander verwandt oder verschwägert sind, auch gemeinsam wirtschaften. Diese gesetzliche Vermutung führt dazu, dass Einkommen und Vermögen von Haushaltsangehörigen bei der Berechnung des Leistungsanspruchs berücksichtigt werden können – allerdings nur, wenn tatsächlich eine gemeinsame Wirtschaftsführung vorliegt. Eine solche liegt dann vor, wenn aus einem gemeinsamen „Topf" gewirtschaftet wird, also etwa gemeinsam eingekauft, gekocht und regelmäßig Mahlzeiten eingenommen oder Rechnungen geteilt werden.
Nach Ihrer Schilderung leben Sie zwar im Haus Ihrer Eltern, finanzieren sich aber durch eigene Ersparnisse, die unterhalb der Freibeträge nach § 12 SGB II liegen. Sie tragen Ihre laufenden Ausgaben selbst und nehmen nur gelegentlich Mahlzeiten mit Ihren Eltern ein. Dies spricht deutlich dafür, dass keine gemeinsame Wirtschaftsführung im Sinne einer Haushaltsgemeinschaft vorliegt, sondern vielmehr eine Wohngemeinschaft, wie sie auch unter Verwandten möglich ist. Eine gelegentliche gemeinsame Mahlzeit begründet jedenfalls noch keine wirtschaftliche Abhängigkeit oder gemeinsame Haushaltsführung.
Entscheidend ist hierbei, dass die Beweislast beim Jobcenter liegt. Es muss den Nachweis führen, dass tatsächlich eine Haushaltsgemeinschaft mit gemeinsamer Wirtschaftsführung besteht. Wenn dieser Nachweis nicht gelingt und Sie darlegen können, dass Sie wirtschaftlich eigenständig leben, darf das Jobcenter nicht auf das Einkommen oder Vermögen Ihrer Eltern zugreifen.
Ich empfehle Ihnen daher, gegen den entsprechenden Bescheid Widerspruch einzulegen und darin detailliert zu schildern, dass keine Haushaltsgemeinschaft im Sinne des § 9 Abs. 5 SGB II vorliegt. Führen Sie aus, dass Sie Ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren, keine gemeinsamen Konten oder Ausgaben mit Ihren Eltern bestehen und keine regelmäßige gemeinsame Wirtschaftsführung stattfindet. Hilfreich sind Nachweise wie Kontoauszüge, eine Aufstellung Ihrer laufenden Kosten, gegebenenfalls auch eidesstattliche Versicherungen Ihrerseits und Ihrer Eltern über die getrennte Wirtschaftsführung. Falls vorhanden, kann auch ein Untermietvertrag unterstützend wirken.
Sollte das Jobcenter den Widerspruch ablehnen, bleibt der Klageweg zum Sozialgericht offen. In Anbetracht der dargelegten Umstände bestehen jedoch gute Erfolgsaussichten, die fälschliche Einstufung als Haushaltsgemeinschaft zu widerlegen.
Ich hoffe, diese Ausführungen helfen Ihnen weiter. Bei Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt
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