Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die Approbation ist zu widerrufen, wenn sich der Arzt nach der Approbation eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 der Bundesärzteordnung (BÄO).
Dieser unbestimmte Rechtsbegriff hat durch die Verwaltungsrechtsprechung gewisse Konturen gefunden. Zur Unwürdigkeit hat beispielsweise der VGH Bayern (Urt. v. 30.09.2010 - 21 BV 09.1279
-, Jurion, Tz. 23) ausgeführt:
Ein Arzt ist zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig, wenn er durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist. Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Sie verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt (st. Rspr. vgl. BVerwG vom 9.1.1991 a.a.O., vom 14.4.1998 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 100, vom 28.1.2003 Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 104). Dieser Entziehungstatbestand stellt auch nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BVerwG vom 28.1.2003 a.a.O.). Unwürdigkeit liegt demnach dann vor, wenn ein bestimmtes Fehlverhalten gegeben ist, das nicht mit der Vorstellung in Einklang gebracht werden kann, die mit der Einschätzung der Persönlichkeit eines Arztes gemeinhin verbunden wird. Der Begriff der Unwürdigkeit ist demnach daran gebunden, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten Berufsbild und den Vorstellungen übereinstimmt, die die Bevölkerung allgemein vom Arzt hat. Von einem Arzt, dem auch von seinen Patienten besonderes Vertrauen entgegen gebracht wird, erwartet man nicht nur eine sorgfältige Behandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung.
Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erstreckt sich nicht nur auf das Verhalten eines Arztes bei der Behandlung der Patienten, also auf den Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit, sondern erfasst darüber hinaus alle berufsbezogenen, d.h. mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehenden Handlungen und Unterlassungen, und, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises (vgl. BVerwG vom 16.9.1997 a.a.O.). Unwürdigkeit kann dementsprechend auch Folge von Straftaten sein, die nicht unmittelbar die ärztlichen Pflichten gegenüber Patienten betreffen (vgl. OVG NW vom 12.11.2002 Az. 13 A 683/00
<a.a.O.>) (Tz. 29).
Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalles an, die ein schematisches Vorgehen etwa anhand von einzelnen Straftatbeständen, der Häufigkeit von Straftaten und der verhängten Strafe verbieten.
Nach diesen Grundsätzen wäre eine Entziehung der Approbation wegen des einmaligen Delikts der Fahrerflucht (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142
des Strafgesetzbuches - StGB; Höchststrafe: 3 Jahre Haft oder Geldstrafe) nicht vertretbar.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonNotar und Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
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Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sehr geehrter Herr Geißler,
Vielen Dank für Ihre kompetente Antwort. Gestatten Sie eine kurze Nachfrage, um das insgesamt besser einordnen zu können. Bei einer einmaligen, erstmaligen Verurteilung z.B. wegen Beleidigung ( "Stinkefinger" im Straßenverkehr (die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung sei hier ebenfalls Mal dahingestellt)) wäre nach diesen Ausführungen ebenfalls kein Approbationsentzug durch die Approbationsbehörde möglich? Also es müssen schon schwerwiegende Verfehlungen sein.
Ganz genau! Es sei denn, die Straftat wäre ein schweres Verbrechen. Bei einem Berufsbezug der Straftat (was in diesen Fällen nicht vorliegt) würde man es allerdings etwas strenger sehen.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt