Sehr geehrter Ratsuchende /-er,
unter Berücksichtigung der Angaben und Ihres Einsatzes nehme ich zu Ihren Fragen gern wie folgt Stellung,
In der Tat ist dies eine nicht ganz einfache Materie. Ich will dennoch versuchen, im Rahmen der kurzen Zeitspanne Ihnen einen ersten Überblick zu geben.
Zu Frage 1.) Wo ist geregelt, dass Tagespflege nur anerkannt wird, wenn sie über das Jugendamt läuft?
- Die Förderung von Kindertagespflege ist nach der Umsetzung des Kinderförderungsgesetzes in den §§ 2 II Nr. 3 und 22 bis 25 Sozialgesetzbuch 8 (SGB VIII) neu geregelt worden. Es stellt ein familienergänzendes Angebot dar. Im Kern ist das Gesetz ein Abkommen zwischen Bund und Ländern über die Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung. Den Großteil der Finanzierung übernehmen dabei die Länder, weshalb ihnen auch die Gesetzgebungskompetenz obliegt. Das Land NRW hat im 1. Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) die örtliche Kinder- und Jugendhilfe als Aufgabe den Landkreisen und größeren Städte mit ihren Jugendämtern übertragen.
Somit unterliegt die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII
dem für Ihre Stadt zuständigen Jugendamt.
Insofern ist die Haltung der Stadt, dass das Vorliegen des Bewilligungsbescheides des Jugendamts zwingende Voraussetzung für den Erlass des günstigeren Kindergartenbeitrages sei, völlig korrekt.
Auch, dass der Zeitpunkt der Antragsstellung erst bei Vorliegen der vollständigen Unterlagen festgesetzt wird, ist nicht zu beanstanden.
Zu bemängeln ist dagegen, wieso Ihnen die Informationen erst 8 Wochen nach der ersten Einreichung Ihres Antrags mitgeteilt wurden. Auch wenn dies ärgerlich ist, kann aus diesem Umstand jedoch noch kein pflichtwidriges Verhalten des Sachbearbeiters so ohne weitere Anhaltspunkte angenommen werden.
ZU Frage 2.) Wäre ein Klageverfahren gegen die Stadt oder gegen das Jugendamt erfolgversprechend?
Ich nehme an, da Sie sofort ein Klageverfahren ansprechen, dass die Widerspruchsfrist gem. § 70 VwGO
(Monatsfrist nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes = Bescheid der Stadt) bereits abgelaufen ist. Abschließend kann dies jedoch nur überprüft werden, wenn der Bescheid auf die ordentliche Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 58 VwGO
untersucht wird.
Sofern also die Frist für einen Widerspruch abgelaufen wäre, käme gegen den Bescheid der Stadt eine Verpflichtungsklage auf positive Bescheidung ab Mai 2010 in Betracht.
Erfolg würde diese nur versprechen, wenn man mit dem Argument durchdringen könnte, das Jugendamt hätte pflichtwidrig den Bewilligungsbescheid verspätet erst ab August 2010 erlassen. So dass die Unterlagen von Ihnen bereits im Mai nicht vollständig mit dem Antrag eingereicht werden konnten.
Dies sehe ich hier nicht ganz unproblematisch. Denn die Annahme einer Pflichtwidrigkeit oder gar ein Verschulden auf Seiten des Jugendamtes kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht von vornherein bejaht werden.
Eine Anfechtung des positiven Bewilligungsbescheides des Jugendamtes halte ich zwar für möglich, wenn man nur den Bewilligungszeitpunkt (ab August 2010) angreift, hilft Ihnen jedoch nicht wirklich weiter. Denn wenn dieser durch die Anfechtung zurückgenommen wird, liegt erst recht eine wesentliche Voraussetzung für den Bescheid der Stadt nicht mehr vor.
Ihren Angaben nach entgehen Ihnen durch den späteren Bescheid (ab August 2010) die Erlassbeträge für 3 Monate. (Mai, Juni, Juli).
Im Ergebnis zur Frage 2) würde ich Ihnen somit unter Beachtung der rein wirtschaftlichen Aspekte raten, dass Prozess- und Kostenrisiko im konkreten Fall von einem Rechtsanwalt ermitteln zu lassen und dann dieses gegen die Erfolgschancen abzuwägen.
Ich bedauere, Ihnen keine für Sie erfolgversprechendere Einschätzung geben zu können.
Abschließend erlaube ich mir noch ein Hinweis:
Bei der obigen Beantwortung Ihrer Frage, die ausschließlich auf Ihren Angaben basiert, handelt es sich lediglich um eine erste rechtliche Einschätzung des Sachverhaltes. Bitte berücksichtigen Sie deshalb, dass dies eine umfassende juristische Begutachtung nicht ersetzen kann und soll.
Durch Hinzufügen oder Weglassen relevanter Informationen kann die rechtliche Beurteilung unter Umständen sogar völlig anders ausfallen. Nutzen Sie deshalb die kostenlose Rückfragemöglichkeit, sollten noch Fragen offen stehen.
Über eine positive Bewertung durch Sie würde ich mich sehr freuen.
Antwort
vonRechtsanwalt Marko Setzer
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Tel: 030 40054861
Web: https://ra-setzer.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Marko Setzer
Vielen Dank für Ihre rasche Antwort!
Eine letzte Frage noch: Die Widerspruchsfrist ist natürlich noch nicht abgelaufen, doch im Bescheid wird ausgeführt, dass aufgrund des Bürokratieabbaugesetzes das Widerspruchsverfahren aufgehoben wurde und nur noch direkt das Klageverfahren gegeben ist. Somit besteht doch für mich keine Möglichkeit einer kostenfreien Überprüfung durch eine weitere Stelle mehr?
Sehr geehrte Ratsuchende /-er,
vielen Dank für die Nutzung der Nachfragefunktion.Dazu möchte ich gern wie folgt Stellung nehmen:
Das ist natürlich richtig (meine Ausführungen zum Widerspruchsverfahren erübrigen sich dann), wenngleich auch höchst bedauerlich. In Berlin und Brandenburg ist das Widerspruchsverfahren glücklicherweise den Bürgern noch erhalten geblieben.
In NRW kommt dagegen nur noch ein Vorverfahren in Ausnahmefällen (Schulrecht, Rundfunkrecht, berufsbezogene Leistungen) in Betracht. Leider trifft in Ihrem Bsp. keine der Ausnahmen zu.
Da Sie die Gerichtskosten im Rahmen einer Klage vorzustrecken haben, gilt dennoch weiterhin das oben gesagte. Die Prozesskosten und das Risiko im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Erfolgschancen durch einen Anwalt berechnen und abwägen zu lassen.
Trotz der weniger für Sie positiven Ausführungen wünsche ich Ihnen ein schönes WE.