Sehr geehrter Ratsuchender,
gern beantworte ich Ihre Fragen aufgrund der von Ihnen getätigten Angaben wie folgt.
Das englische Recht unterscheidet sich von dem Deutschen doch immens. So auch das jeweilige Erbrecht.
Eine „Erbausschlagung" nach deutschem Verständnis gibt es in England schon deshalb nicht, weil es dort auch keinen „Erben" gibt.
Statt Gesamtrechtsnachfolge und Direkterwerb gilt in UK das Prinzip, dass der Nachlass immer von einem Nachlassverwalter in Besitz genommen wird, der diesen Nachlass (Estate) dann abwickelt (Estate Administration), insbesondere Steuern und Schulden bezahlt.
Erst im zweiten Schritt wird das verbleibende Nachlassvermögen (Residuary Estate) dann an die Begünstigten (Beneficiaries) verteilt. Auch für die Erbschaftsteuern in England (Inheritance Tax, abgekürzt IHT) haftet nur der Nachlass, nicht die Begünstigten selbst.
Streng genommen ist eine Ausschlagung daher nicht erforderlich. Denn ist der Nachlass tatsächlich überschuldet, gibt es nichts zu verteilen. Eine persönliche von „Erben" für Schulden des Verstorbenen kennt das englische Recht nicht.
Lediglich für die Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker kann es brenzlig werden, wenn er oder sie zu spät bemerkt, dass der Nachlass überschuldet ist.
Hat der Executor nämlich bereits Gelder aus der Erbmasse verteilt, haftet er oder sie persönlich für Verbindlichkeiten, die eventuell später noch auftauchen. Diese Haftung hat aber nichts mit einer Erbenhaftung analog § 1967 BGB zu tun, sondern resultiert aus einer fehlerhaften Nachlassabwicklung.
Wer also in einem englischen Testament als Begünstigter genannt ist oder wer einen in UK Verstorbenen nach gesetzlicher Erbfolge beerbt, kann – zumindest aus Sicht des englischen Rechts – beruhigt abwarten, welches Ergebnis der Nachlassverwalter zu gegebener Zeit mitteilt.
Wollen Sie dennoch Klarheit schaffen und absolut nichts mit dem Nachlass zu tun haben, so können Sie selbstverständlich einen Verzicht erklären.
Bei einer testamentarischen Erbeinsetzung heißt dieser Verzicht „to renounce a gift made under a will", bei gesetzlicher Erbfolge nennt man die Ausschlagung „to disclaim one’s interest under an intestacy". Diese Erklärung schickt man schriftlich an das (englische) Nachlassgericht (Probate Court), den Executor bzw. Administrator sowie ggf. auch an das englische Finanzamt (HMRC).
https://www.gov.uk/hmrc-internal-manuals/inheritance-tax-manual/ihtm35161
https://www.thegazette.co.uk/all-notices/content/101535
https://www.gov.uk/applying-for-probate
Eine solche schriftliche Verzichtserklärung in England erfüllt nicht die formellen Anforderungen an eine Ausschlagung in Deutschland. Handelt es sicher daher um einen internationalen, grenzüberschreitenden Erbfall, so kann es nötig sein, in mehreren Ländern Ausschlagungen zu erklären, die dann jeweils die nationalen Formvorschriften erfüllen müssen.
Sollte sich insoweit Nachlass in Deutschland befinden, mit dem Sie nichts zu tun haben wollen, müssen Sie am örtlichen Nachlassgericht oder die bei einem Notar Ihrer Wahl dafür die Ausschlagung erklären.
Ist dies nicht der Fall, interessiert sich in Deutschland niemand für Ihren Erbfall in GB, außer das Finanzamt. Hier möchte ich auf §§ 30 f. ErbStG hinweisen, für den Fall, dass Sie den Ihnen zugewiesenen Nachlass annehmen.
Ich hoffe Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Wehle
Rechtsanwalt /Aachen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wehle
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Rechtsanwalt Andreas Wehle
Guten Tag,
ich danke Ihnen vielmals für Ihre ausführliche Antwort! Allerdings ist diese sehr auf die englische Seite fokussiert. meine Frage war aber mehr auf der deutschen Seite.
In Deutschland gibt es keinen Nachlass. Sehe ich es also korrekt, dass
a) Wir es NUR dem Finanzamt melden müssten und das auch nur
b) in dem Fall, dass er tatsächlich etwas erhält UND dies auch annimmt
Müssen wir uns also NICHT beim Finanzamt melden, wenn er kein Erbe erhält oder annimmt?
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Nachfrage.
Soweit es in Deutschland keinen Nachlass gibt, müssen hinsichtlich einer Ausschlagung in Deutschland nicht tätig werden.
Wenn Sie darüber hinaus auch nach englischem Recht verzichten und hier nichts erhalten, müssen Sie auch dem deutschen Finanzamt keine Meldung machen und/oder eine Erbschaftssteuererklärung einreichen. Warum auch? Die Pflicht dazu besteht ja auch nur, wenn Sie etwas erhalten.
Ich hoffe nun Ihre Fragen beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
RA A. Wehle /Aachen