Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Basierend auf den von Ihnen geschilderten Informationen und den zitierten Dokumenten komme ich zu folgender rechtlichen Einschätzung:
1. Für die Beurteilung Ihres Erlassantrags ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich (vgl. § 51 Abs. 1 VwVfG). Wenn Sie den Antrag im November 2023 gestellt haben und zu diesem Zeitpunkt der Einkommensteuerbescheid 2020 der aktuellste war, muss dieser für die Entscheidung herangezogen werden.
Eine spätere Änderung der Verhältnisse darf nicht zu Ihrem Nachteil berücksichtigt werden. Insofern ist Ihr Vergleich mit dem Kindergeld zutreffend.
2. Sie sind Ihrer Mitwirkungspflicht durch Einreichung des Steuerbescheids 2020 und der KV-Bescheinigung 2022 bereits nachgekommen. Die Behörde darf nicht nachträglich weitere Unterlagen anfordern, die zum Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht vorlagen (vgl. § 26 Abs. 2 VwVfG). Eine "ergänzende" Anforderung der Steuerbescheide 2021/2022 ist daher unzulässig.
3. Nein, die Behörde kann sich nicht auf fehlende Mitwirkung berufen, wenn Sie die bei Antragstellung erforderlichen Unterlagen vollständig eingereicht haben. Ein Nachfordern weiterer Bescheide verstößt gegen den Grundsatz der Sachverhaltsermittlung zum Zeitpunkt der Antragstellung (§ 24 Abs. 1 VwVfG).
4. In Ihrer Antwort an die Behörde sollten Sie sich auf § 51 Abs. 1 VwVfG berufen, wonach für die Entscheidung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend ist.
Mein Vorschlag für eine Antwort:
" für die Entscheidung über meinen Erlassantrag vom November 2023 ist nach § 51 Abs. 1 VwVfG die Sach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt maßgeblich. Mit Einreichung des Steuerbescheids 2020 bin ich meiner Mitwirkungspflicht nach § 26 Abs. 2 VwVfG vollständig nachgekommen. Die nachträgliche Anforderung weiterer Bescheide ist daher unzulässig. Ich bitte um Entscheidung auf Basis der vorliegenden Unterlagen."
Bitte beachten Sie, dass dieses nur eine erste Einschätzung der Sach- und Rechtslage ist, ohne abschließenden Charakter.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
auf Ihre Antwort kann ich nur sagen, dass ich das Gefühl habe, im Voraus zu wenig gedankt zu haben. Ein großes Dankeschön nochmal an dieser Stelle!
Diese abschließenden -bewusst kritisch gestellten- Fragen hätte ich in Bezug auf Ihre Antwort, um sicher zu gehen, dass ich das auch richtig verstanden habe:
1. Sie verweisen auf (§26 Abs. 2 VwVfG), welcher besagt, dass die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben sollen.
In Abs. 1 steht auch, dass die Behörde sich an jedem Beweismittel bedienen kann. Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art einholen (1.1) sowie Urkunden und Akten beziehen (1.2).
Bin ich demnach trotzdem nicht mehr verpflichtet, hier mitzuwirken, weil die Behörde hier Urkunden anfordert, die über den Zustand hinausgehen, der zum Antragszeitpunkt existierte?
Bezieht sich also der Gesetzestext auf alles, was ausschließlich bis zum Antragsdatum existiert hat?
2. Bezüglich des (§24 Abs. 1 VwVfG) wird gesagt, dass die Behörde die Art und den Umfang der Ermittlungen bestimmt. Wenn ich Ihre Antwort richtig verstehe bedeutet das aber trotzdem nicht, dass die Behörde den Umfang der Ermittlung über den Antragszeitpunkt hinaus erweitern kann und somit -obwohl sie die Art und den Umfang der Ermittlungen bestimmen kann- von mir keine weiteren Unterlagen einfordern kann, die es zum Antragszeitpunkt nicht gegeben hätte, ist das richtig?
Wenn ich das alles richtig verstanden habe, darf die Behörde also insgesamt auch keine Steuerbescheide zur Prüfung des Antrags als Grundlage nutzen, die zum Antragszeitpunkt nicht existiert hätten. Auch wenn Sie diese nicht von mir bekommen, sondern auch auf dem Wege der Amtshilfe, bspw. durch eine Anfrage beim zuständigen Finanzamt erhalten würden.
3. Finden all diese Gesetze trotzdem Anwendung, auch wenn auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums folgendes gesagt wird (insbesondere: es besteht kein Rechtsanspruch):
-7.1.1 Was sind die rechtlichen Voraussetzungen?
Die Voraussetzungen des Erlasses sind in Art. 59 Abs. 1 Nr. 3 BayHO und den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften (VV zu Art. 59 BayHO) geregelt.
-7.1.3 Habe ich, wenn ich die Eckpunkte erfülle, einen Anspruch auf Erlass?
Nein. Beim Erlass handelt es sich immer um eine Einzelfallprüfung ohne Rechtsanspruch.
Ich danke Ihnen nochmals für Ihre professionelle Beratung.
Das gibt 6 von 5 Sternen!
Sehr geehrter Fragesteller,
es freut mich zunächst, dass ich Ihnen weiterhelfen konnte.
Ich antworte Ihnen gerne wie folgt:
1.
Ja, genau, richtig, darauf können Sie sich berufen.
2.
Korrekt, hier ist es derart wie von Ihnen geschildert.
3.
Gut, ein Erlass muss immer gesondert nach Ermessen der Behörde geprüft werden.
Das ist eine andere Thematik.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Mit freundlichen Grüßen Daniel Hesterberg Rechtsanwalt