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Betriebsübergang Gewohnheitsrecht Firmenwagen sowie Steuerrechtliche Frage dazu

| 19. April 2024 15:50 |
Preis: 70,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von

Zusammenfassung

Eine betriebliche Übung wird regelmäßig von der Rechtssprechung erst ab drei Jahren angenommen. Jedoch gilt es immer den Einzelfall zu betrachten.

Hallo,

Ich befinde mich in einem Betriebsübergang nach Paragraf 316a nach einer Insolvenz meines alten AG.

Bei meinem alter Arbeitgeber hatte ich 18 Monate lang einen Firmenwagen welchen ich zu 1% versteuert habe und es immer noch mache, tatsächlich war der Firmenwagen eine nette Geste an mich, sicher auch zur Mitarbeiterbindung, beruflich habe ich diesen Wagen unter 1% genutzt, also zu 99% Privat. Mir ist bewusst dass ich ihn aber zu mehr als 50% beruflich hätte nutzen müssen um ihn überhaupt mit der 1% Regelung zu versteuern.

Nun möchte mir mein neuer AG diesen Wagen wegnehmen, er beruft sich auf 2 Dinge.
1.) Er steht nicht in meinem Arbeitsvertrag und Gewohnheitsrecht würde seiner Meinung nach nicht zutreffen bei einem Zeitraum von nur 18 Monaten.
2.) Der Wagen wird nicht beruflich genutzt und somit kann er ihn mir gar nicht überlassen selbst wenn er wollte, ich würde mich gerade ohnehin der Steuerhinterziehungen schuldig machen und sollte demnach sehr vorsichtig sein und den Wagen freiwillig aufgeben.

Ich denke die 18 Monate reichen aus zum klagen auf Gewohnheitsrecht, da ich den Wagen aber tatsächlich nicht beruflich nutze und nicht nutzen kann, da ich in meinem Beruf nicht zu Kunden fahre o.ä kann er ihn mir ja eh nicht weiterhin über die 1% überlassen (obgleich ich hier mal unterstelle mehr als die Hälfte der Firmenwagen werden nicht wirklich zu mehr als 50% betrieblich genutzt, aber gut), besteht hier überhaupt eine Chance für mich?

Sollte ich mich daher auf eine Kompensationszahlung einlassen, auch wenn diese gering ist? Und einfach freundlich sein da ich ja weiß dass ich den Wagen so eigentlich gar nicht fahren/versteuern dürfte?

Oder bestehe ich auf mein Gewohnheitsrecht leg mich mit dem neuen Chef an und riskiere vielleicht auch dass er mich beim Finanzamt anschwärzt? Kann er das überhaupt, ist er auch selber haftbar in so einem Fall?

Mit freundlichen Grüßen

20. April 2024 | 17:38

Antwort

von


(87)
Hachelallee 88
75179 Pforzheim
Tel: 07231/1331993-0
Web: https://www.kanzlei-steenberg.de
E-Mail:

Guten Abend,

bezüglich Ihrer Situation und den Fragen zur Nutzung des Dienstwagens im Rahmen des Betriebsübergangs möchte ich Ihnen die folgende Einschätzung geben:

Dienstwagen und Betriebsübergang

Nach § 613a BGB tritt Ihr neuer Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, was grundsätzlich auch Zusatzleistungen wie einen Dienstwagen umfasst, sofern diese fest etabliert sind. Hier scheint die private Nutzung des Dienstwagens und die Anwendung der 1%-Regelung darauf hinzudeuten, dass konkludent ein Vertrag über die private Nutzung des Fahrzeugs zwischen Ihnen und Ihrem alten Arbeitgeber bestand. Dies könnte als Teil Ihrer vertraglichen Vereinbarung gesehen werden, was normalerweise im Rahmen des Betriebsübergangs übergehen sollte. Damit wäre die Diskussion bereits hinfällig.


Betriebliche Übung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine betriebliche Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der oder die Arbeitnehmer schließen können, ihm oder ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Für das Entstehen eines solchen Anspruchs kommt es auf den Verpflichtungswillen des Arbeitgebers nicht an. Maßgeblich ist, ob der oder die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen entsprechenden Bindungswillen schließen durften und das entsprechende Vertragsangebot stillschweigend annehmen konnten. Eine betriebliche Übung erfordert danach eine bestimmte Verhaltensweise des Arbeitgebers, die den Schluss darauf erlaubt, dass er sich vertraglich auf Dauer entsprechend binden will (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, z. B. Urteil vom 7. November 2002 - BAG Aktenzeichen 2AZR74200 2 AZR 742/00-).

Die Notwendigkeit, sich auf eine betriebliche Übung zu berufen, könnte in ihrem Fall weniger relevant sein, da bereits eine vertragliche Grundlage für die Nutzung des Dienstwagens besteht. Betriebliche Übung würde hauptsächlich dann eine Rolle spielen, wenn regelmäßige Leistungen vom Arbeitgeber erbracht werden, die nicht explizit im Arbeitsvertrag geregelt sind, jedoch über einen längeren Zeitraum (typischerweise drei Jahre) gewährt wurden. In Ihrem Fall ist die Situation dadurch gekennzeichnet, dass die Nutzung des Fahrzeugs und die entsprechende steuerliche Behandlung bereits fest etablierte Bestandteile Ihres Vertrags geworden sind, da sich die Versteuerung ja auf den Gehaltsabrechnungen findet. Ich würde daher den Fokus auf vertragliche Ansprüche legen und die betriebliche Übung als Rückfallebene vorhalten.

Steuerliche Behandlung

Bitte beachten Sie an dieser Stelle, dass wir als Anwälte keine Steuerberater sind. Ich rate Ihnen daher dazu, dass Sie im Zweifel bitte unbedingt einen Steuerberater konsultieren!
Bezüglich der steuerlichen Behandlung der privaten Nutzung des Dienstwagens ist zu klären, dass es keine gesetzliche Pflicht gibt, dass der Dienstwagen zu mindestens 50% betrieblich genutzt werden muss, zumindest solange Sie "lediglich" einfacher Arbeitnehmer sind und in dem Fahrzug keine verdeckte Gewinnausschüttung (Gesellschafter etc.) zu erkennen sein kann. Die 1%-Regelung, die Sie anwenden, ist eine gängige Methode zur Pauschalversteuerung des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung und wird unabhängig vom Umfang der privaten Nutzung angewendet.

Strategie und Empfehlung

Angesichts der Tatsache, dass Ihr neuer Arbeitgeber den Wegfall des Dienstwagens anstrebt und mögliche steuerliche Komplikationen anführt, wäre eine Verhandlung über eine angemessene Kompensationszahlung eine pragmatische Lösung. Dies würde Ihnen ermöglichen, einen offenen Konflikt zu vermeiden, der sowohl arbeitsrechtlich als auch steuerlich für Sie nachteilig sein könnte.

Fazit

Sie sollten weiterhin dokumentieren, dass die private Nutzung des Dienstwagens und dessen steuerliche Behandlung Teil Ihrer vertraglichen Vereinbarungen waren, was Ihre Position stärken könnte

Gerne können wir natürlich auch für Sie gegenüber dem Arbeitgeber auftreten und versuchen, eine gedeihliche Lösung für die Zukunft zu finden. Treten Sie gerne mit uns in Kontakt.

Beste Grüße

Jan Gregor Steenberg, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz


Rechtsanwalt Jan Gregor Steenberg, LL.M.
Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Gewerblicher Rechtsschutz, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rückfrage vom Fragesteller 24. April 2024 | 15:45

Hallo Herr Steenberg,

Vielen Dank für ihre ausführliche Antwort, was versteht man unter einer angemessenen Kompensationszahlung?

Die 1% die man versteuert als Brutto oben drauf, damit wenigstens der Brutto Lohn gleich bleibt oder der tatsächliche persönliche Gewinn den ein Firmenwagen mit sich bringt?

Mit freundlichen Grüßen

Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt 24. April 2024 | 16:12

Guten Abend,
dies ist wirklich eine reine Verhandlungssache und schlussendlich auch vom Wert des Fahrzeugs abhängig.
Am Ende ist ein Dienstwagen eine Möglichkeit die Arbeitgeberattraktivität zu steigern (in Ihrem Fall wohl nahezu 100%). Bei der aktuellen Lage am Arbeitsmarkt sollte der Arbeitgeber eigentlich ein Interesse daran haben, Sie in dem Bertrieb zu halten. Daher würde ich an Ihrer Stelle keine Zahl nennen. Ich würde ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber forcieren und darlegen, dass Sie seine Sich zwar verstehen, jedoch naturgemäß auch darauf vertraut haben, dass der Wagen bestehen bleibt (bei einer 1%-Versteuerung). Der Arbeitgeber soll dann darlegen, was er Ihnen anbieten möchte. Ansonsten müsste man aber auch ehrlich überlegen, ob dies noch der richtige Arbeitgeber ist. Gehen Sie dann doch einfach in einen Rechtsstreit und bestehen Sie auf der Überlassung als Gehaltsbestandteil. Im Zweifel kommt es zu einem Prozess, in welchem dann eben auch über eine Beendigung des Arbeitsverhätnisses gesprochen wird.

Beste Grüße

Jan Gregor Steenberg

Bewertung des Fragestellers 21. April 2024 | 06:49

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