Betriebsrätin und Schwerbehnidertenvertreterin Büro geschlossen

Question

Liebes Schwarmwissen,     wir haben eine Gesamtschwerbehindertenvertretung und verschiedene Schwerbehindertenvertretungen in Regionen. Die Regionen haben mehrere Büros. Nun wird ein Büro zum Ende des Jahres geschlossen, dort arbeitet nur noch eine Kollegin, die sowohl im Betriebsrat als auch in der Schwerbehindertenvertretung aktiv ist. Wer muss dem Einsatz im anderen Büro der Region zustimmen und warum?  Für rechtliche Hintergründe und Argumente wäre ich dankbar.

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock · Accepted Answer

Antwort vom Rechtsanwalt: Sehr geehrte&lpar;r&rpar; Fragesteller&lpar;in&rpar;,    ich bedanke mich für Ihre freundliche Anfrage, die mir vor wenigen Minuten zugewiesen wurde. Diese möchte ich nun gern anhand der von Ihnen angegebenen Sachverhaltsinformationen beantworten.    Ich verstehe gut, dass die anstehende Büroschließung Verunsicherung auslöst &#8211; zumal eine Kollegin betroffen ist, die sich zugleich im Betriebsrat und in der Schwerbehindertenvertretung engagiert. Ich ordne für Sie die Zuständigkeiten und die rechtlichen Anforderungen ein und gebe Ihnen Argumentationslinien an die Hand.      Kurzantwort vorab    Die Versetzung/Einsatzänderung in ein anderes Büro derselben Region ist in aller Regel eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des &#167; 95 Abs. 3 BetrVG.    Zustimmen muss der für den Ziel-Arbeitsort zuständige Betriebsrat nach &#167; 99 Abs. 1 BetrVG; handelt es sich um ein Betriebsratsmitglied, ist zusätzlich die Zustimmung nach &#167; 103 BetrVG erforderlich.    Die Schwerbehindertenvertretung &lpar;SBV&rpar; ist zwingend vor der Entscheidung zu beteiligen &lpar;&#167; 178 Abs. 2 SGB IX&rpar;; zuständig ist die örtliche SBV des betroffenen Betriebs/Standorts. Die Gesamt-SBV ist nur zuständig, wenn es sich um eine unternehmens- oder betriebsübergreifende Angelegenheit handelt, die die örtliche SBV nicht regeln kann &lpar;&#167; 180 SGB IX&rpar;.    Ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats und der SBV ist die Maßnahme rechtsunwirksam.      Einordnung als Versetzung    Eine Versetzung ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer eines Monats überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist &lpar;&#167; 95 Abs. 3 BetrVG&rpar;. Der Wechsel in ein anderes Büro innerhalb derselben Region erfüllt dies typischerweise, weil sich Arbeitsstätte, organisatorische Einbindung und oft auch Arbeitsabläufe ändern; auf die formale Bezeichnung &lpar;Einsatz, Umsetzung, Rotation&rpar; kommt es nicht an, sondern auf die tatsächliche Veränderung des Arbeitsbereichs.    Rechtsfolge: Der Arbeitgeber hat vor Durchführung die Zustimmung des zuständigen Betriebsrats nach &#167; 99 Abs. 1 BetrVG einzuholen; verweigert der Betriebsrat die Zustimmung aus einem der in &#167; 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Zustimmungsersetzung beantragen &lpar;&#167; 99 Abs. 4 BetrVG&rpar;.      Welche betriebsverfassungsrechtliche Einheit ist betroffen?    Entscheidend ist, ob die einzelnen Büros innerhalb der Region jeweils eigenständige Betriebe/Betriebsteile mit eigenem Betriebsrat sind oder ob ein einheitlicher Betriebsrat die gesamte Region bzw. alle Büros erfasst.    Wird die Kollegin in einen anderen Betrieb &lpar;i.S.d. BetrVG&rpar; versetzt, ist für die zustimmungspflichtige personelle Einzelmaßnahme der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs zuständig &lpar;&#167; 99 Abs. 1 BetrVG&rpar;. Erfolgt die Umsetzung nur innerhalb desselben Betriebs &lpar;anderes Büro als Betriebsteil ohne eigenen BR&rpar;, ist der &#8222;zuständige" Betriebsrat derselbe.    Bei einem Wechsel über Betriebsschwellen hinweg ist der abgebende Betriebsrat nach &#167; 99 BetrVG nicht zuständig; allerdings kommt bei Betriebsratsmitgliedern &#167; 103 BetrVG zum Tragen &lpar;siehe unten&rpar;.      Besonderer Schutz von Betriebsratsmitgliedern: &#167; 103 BetrVG    Ist die betroffene Kollegin Mitglied des Betriebsrats, bedarf eine Versetzung ihrer Person zusätzlich der Zustimmung des Betriebsrats gemäß &#167; 103 BetrVG. Diese Sondervorschrift schützt die Amtsausübung und verhindert eine &#8222;wegversetzende" Einflussnahme.    Die Zustimmung nach &#167; 103 BetrVG ist vom Betriebsrat des Betriebs einzuholen, dem das Betriebsratsmitglied angehört. Verweigert dieser die Zustimmung, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht die Ersetzung beantragen &lpar;&#167; 103 Abs. 2 BetrVG&rpar;. Eine ohne Zustimmung nach &#167; 103 BetrVG durchgeführte Versetzung eines Betriebsratsmitglieds ist unzulässig.      Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung    Die SBV ist in allen Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; ihre Stellungnahme ist zu berücksichtigen &lpar;&#167; 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX&rpar;.  Bei personellen Einzelmaßnahmen nach &#167; 99 BetrVG &#8211; hierzu gehört die Versetzung &#8211; ist die Beteiligung der SBV zwingend neben der Beteiligung des Betriebsrats durchzuführen &lpar;&#167; 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX&rpar;.    Zuständig ist die örtliche SBV des betroffenen Betriebs bzw. des Zielbetriebs. Die Gesamt-SBV ist nur dann zuständig, wenn die Angelegenheit das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betrifft und nicht durch die örtlichen SBVen geregelt werden kann &lpar;&#167; 180 Abs. 6 SGB IX&rpar;. Eine individuelle Versetzung betrifft in der Regel die örtliche Ebene.    Unterbleibt die ordnungsgemäße Beteiligung der SBV, ist die personelle Maßnahme unwirksam; zudem bestehen Unterlassungs- und Beteiligungsansprüche der SBV.      Gesamt-SBV versus örtliche SBV    In Unternehmen mit mehreren SBVen ist eine Gesamt-SBV zu bilden &lpar;&#167; 180 Abs. 1 SGB IX&rpar;. Die Gesamt-SBV ist zuständig für Angelegenheiten, die das Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die nicht durch die einzelne SBV im jeweiligen Betrieb geregelt werden können &lpar;&#167; 180 Abs. 6 SGB IX&rpar;.    Die hier geschilderte Umsetzung einer einzelnen Kollegin in ein anderes Büro innerhalb einer Region ist typischerweise eine betriebs- bzw. standortbezogene Einzelmaßnahme. Folglich ist die örtliche SBV zuständig; eine Beteiligung der Gesamt-SBV ist nur ausnahmsweise erforderlich, wenn die Maßnahme strukturell mehrere Betriebe gleichermaßen betrifft oder auf einer überbetrieblichen unternehmensweiten Entscheidungsebene nur gesamtvertretungsfähig ist.      Warum diese Zuständigkeitsverteilung sachlich geboten ist    Die Mitbestimmung nach &#167; 99 BetrVG schützt die Belegschaft im jeweiligen Betrieb, weil jede Versetzung die personelle Zusammensetzung und die Arbeitsbedingungen vor Ort beeinflusst. Der aufnehmende Betriebsrat ist deshalb &#8222;natürlich zuständig".    Der besondere Versetzungsschutz des &#167; 103 BetrVG dient der Funktionsfähigkeit der betrieblichen Mitbestimmung, indem er verhindert, dass Mandatsträgerinnen und Mandatsträger durch Standortwechsel in ihrer Amtsausübung beeinträchtigt oder faktisch &#8222;entmachtet" werden.    Die Beteiligung der SBV stellt sicher, dass behinderungsbezogene Belange &#8211; etwa Wegezeiten, Barrierefreiheit, technische Hilfen, behinderungsgerechte Arbeitsorganisation &#8211; in die Entscheidung einfließen und gewahrt werden.      Rechtsgrundlagen &lpar;Auszug&rpar;    &#167; 95 Abs. 3 BetrVG &lpar;Begriff der Versetzung&rpar;  &#167; 99 BetrVG &lpar;Mitbestimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen&rpar;  &#167; 103 BetrVG &lpar;Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung von Betriebsratsmitgliedern; gerichtliche Ersetzung&rpar;  &#167; 178 Abs. 2 SGB IX &lpar;Unterrichtung/Anhörung der SBV; Beteiligung bei &#167; 99, &#167; 102 BetrVG&rpar;  &#167; 180 Abs. 1 und Abs. 6 SGB IX &lpar;Bildung und Zuständigkeit der Gesamt-SBV&rpar;      Rechtsprechung &#8211; Kernaussagen    Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.03.2016 &#8211; 1 ABR 14/14: Die SBV ist bei personellen Einzelmaßnahmen nach &#167; 99 BetrVG rechtzeitig und umfassend zu beteiligen; unterbleibt dies, ist die Maßnahme unwirksam.      Hinweise zur praktischen Umsetzung    Schritt 1: Prüfen, ob der Wechsel die Voraussetzungen einer Versetzung i.S.d. &#167; 95 Abs. 3 BetrVG erfüllt &lpar;Dauer, inhaltliche/örtliche Änderung&rpar;. In der Praxis ist dies hier regelmäßig zu bejahen.    Schritt 2: Zuständigen Betriebsrat identifizieren &lpar;einheitlicher Betriebsrat für die Region oder jeweils standortbezogene Betriebsräte&rpar;. Bei Betriebsratsmitgliedern: zusätzlich &#167; 103 BetrVG beachten; Zustimmung beim &#8222;Heimat"-Betriebsrat einholen.    Schritt 3: Örtliche SBV des Zielstandorts frühzeitig und umfassend unterrichten und vor der Entscheidung anhören &lpar;&#167; 178 Abs. 2 SGB IX&rpar;; die Stellungnahme dokumentieren und berücksichtigen.    Schritt 4: Bei Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats: ggf. Zustimmungsersetzungsverfahren nach &#167; 99 Abs. 4 BetrVG bzw. &#167; 103 Abs. 2 BetrVG betreiben. Beachten Sie die Darlegungs- und Beweislast sowie die Eilbedürftigkeit bei Schließungen.    Schritt 5: Individuelle Belange der Kollegin &lpar;u.a. Wegezeit, Mobilität, Barrierefreiheit, Hilfsmittel, Arbeitszeit&rpar; frühzeitig klären; dies ist nicht nur aus Fürsorgegesichtspunkten, sondern auch im Lichte des Benachteiligungsverbots &lpar;&#167; 164 Abs. 2 SGB IX&rpar; und der Pflicht zu angemessenen Vorkehrungen &lpar;&#167; 164 Abs. 4 SGB IX&rpar; bedeutsam.      Antwort auf Ihre Kernfrage    Zustimmen muss der zuständige Betriebsrat nach &#167; 99 Abs. 1 BetrVG des Zielstandorts.    Ist die Kollegin Betriebsratsmitglied, ist zusätzlich die besondere Zustimmung nach &#167; 103 BetrVG vom Betriebsrat ihres bisherigen Betriebs erforderlich.    Die örtliche SBV ist zwingend zu beteiligen &lpar;&#167; 178 Abs. 2 SGB IX&rpar;; die Gesamt-SBV nur dann, wenn es sich ausnahmsweise um eine unternehmensweite, die örtlichen Gremien übersteigende Angelegenheit handelt &lpar;&#167; 180 Abs. 6 SGB IX&rpar;.      Falls Sie möchten, prüfe ich für Sie die betriebliche Struktur &lpar;Betriebsbegriff, Zuständigkeit der Gremien&rpar; und formuliere die notwendigen Beteiligungsschreiben samt Begründung, damit die Maßnahme rechtssicher und zugleich rücksichtsvoll umgesetzt werden kann. Ich weiß, dass solche Veränderungen belastend sind &#8211; umso wichtiger ist eine saubere rechtskonforme Lösung, die die Integrität der Mandatsträgerin und die Rechte schwerbehinderter Menschen achtet.      Mit freundlichen Grüßen    Cedric Hohnstock  Rechtsanwalt

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Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Cedric Hohnstock

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