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Betriebliche Minusstunden - Regelung bei bevorstehender Kündigung

29. September 2025 16:32 |
Preis: 51,00 € |

Arbeitsrecht


Beantwortet von


in unter 1 Stunde

Guten Tag,
seit dem 1.11.2024 bin ich in Vollzeit unbefristet bei einem Restaurant angestellt. Am 19.11.2024 wurde als Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag eine Regelung bzgl. der Stundenverteilung geschlossen. Hierbei ging es darum, Überstunden im Sommer (Hauptsaison) mit Minusstunden im Winter zu verrechnen.

Wortlaut: "Mit Beginn der 47. KW des Jahres 2024 wird in dem Betrieb „xxx" ein Zeitkonto für jeden Mitarbeitenden geführt. Es handelt sich um ein kurzfristiges Zeitkonto (Jahreszeitraum). Saisonbedingte Mehrarbeit (Plusstunden) werden mit saisonbedingten Minusstunden verrechnet. Dies ermöglicht eine konstante und zuverlässige Gehaltszahlung an alle Mitarbeitenden.
Am Ende eines Jahreszeitraums übrig gebliebene Minusstunden werden nicht zum Nachteil des Mitarbeitenden abgerechnet, übrig gebliebene Plusstunden werden mit 15 €/Stunde verrechnet. Beim vorzeitigen Ausscheiden des Mitarbeitenden werden Plus- und Minusstunden unterjährig mit der letzten Gehaltszahlung verrechnet."

-> Entgegen früheren mündlichen Absprachen teilte das Restaurant nun mit, dass der Betrieb über den kommenden Winter insgesamt fünf Monate geschlossen werde und ich daher mit meiner Kündigung rechnen müsse. Ich habe mir daraufhin eine alternative Arbeitsstelle gesucht. Diese kann ich zum 1.11.2025 antreten. Noch wurde die Kündigung weder vom Arbeitgeber noch von mir ausgesprochen.

Laut Arbeitgeber habe ich nun noch 150 Minusstunden, die im verbleibenden Monat der Anstellung (Oktober) realistischerweise nicht genommen werden können – zumal mir noch elf Urlaubstage zustehen.

-> Hat der Arbeitgeber das Recht, verbleibende Minusstunden vom letzten Gehalt abzuziehen?
-> Kann der Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubs verweigern (wie es mit Verweis auf „betriebliche Gründe" bereits angedeutet wurde, trotz Genehmigung von fünf Urlaubstagen für Oktober bereits im Februar)? Falls ja, muss dann der verbleibende Urlaub ausgezahlt werden? Darf der Arbeitgeber eine „Verrechnung" von Minusstunden mit Urlaubsanspruch vornehmen?
-> Spielt es für die Bewertung eine Rolle, ob die Kündigung (müsste bis morgen erfolgen) vom Arbeitgeber oder von mir ausgeht?

Vermutlich wird es im Kern darum gehen, ob der letzte Satz der Zusatzvereinbarung bzgl. der Verrechnung rechtlich Bestand hat oder als sittenwidrig bzw. konträr zur gängigen Arbeitsrechtsprechung anzusehen ist und was ggf. „unterjährig" hier konkret bedeutet – ob also ab dem 1.11.2024 (Beginn Arbeitsvertrag) oder 19.11.24 (Abschluss Zusatzvereinbarung) zu rechnen ist.

Vielen Dank für Ihre Rückmeldung!

29. September 2025 | 16:55

Antwort

von


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Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:

1. Hat der Arbeitgeber das Recht, verbleibende Minusstunden vom letzten Gehalt abzuziehen?

Grundsätzlich ist eine Verrechnung von Minusstunden mit dem letzten Gehalt nur dann zulässig, wenn die Minusstunden vom Arbeitnehmer selbst zu vertreten sind, also wenn Sie durch eigene Entscheidung (z.B. unentschuldigtes Fernbleiben) weniger gearbeitet haben, als vertraglich vereinbart. Dies ist ständige Rechtsprechung (vgl. BAG, Urteil vom 21.03.2012 – 5 AZR 676/11).

Im vorliegenden Fall beruhen die Minusstunden jedoch auf der saisonalen Schließung des Betriebs, also darauf, dass der Arbeitgeber keine Arbeit anbietet. Das sogenannte Betriebsrisiko, also das Risiko, dass keine Arbeit vorhanden ist, trägt nach § 615 BGB allein der Arbeitgeber. Sie haben Ihre Arbeitskraft angeboten, konnten aber wegen der Betriebsschließung nicht arbeiten. In diesem Fall dürfen Ihnen die Minusstunden nicht vom Gehalt abgezogen werden. Auch eine vertragliche Regelung, die dies vorsieht, ist nach der Rechtsprechung unwirksam, wenn die Minusstunden nicht von Ihnen verschuldet sind (vgl. BAG, Urteil vom 13.12.2000, 5 AZR 334/99).

Die Zusatzvereinbarung sieht zwar eine Verrechnung bei vorzeitigem Ausscheiden vor, dies ist aber nur dann zulässig, wenn die Minusstunden tatsächlich von Ihnen zu vertreten sind. Da die Minusstunden hier auf der Entscheidung des Arbeitgebers zur Betriebsschließung beruhen, ist eine Verrechnung mit dem Gehalt nicht zulässig.


2. Kann der Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubs verweigern? Muss der verbleibende Urlaub ausgezahlt werden?

Urlaub kann nur aus dringenden betrieblichen Gründen verweigert werden. Die Rechtsprechung stellt hier hohe Anforderungen. Wenn der Betrieb ohnehin geschlossen ist, spricht dies gerade nicht für einen dringenden betrieblichen Grund, sondern eher dafür, dass Urlaub genommen werden kann oder sogar muss. Wurde der Urlaub bereits genehmigt, kann der Arbeitgeber die Genehmigung nur in Ausnahmefällen widerrufen, etwa bei unvorhersehbaren, gravierenden betrieblichen Notwendigkeiten. Die bloße Schließung des Betriebs im Winter ist kein ausreichender Grund, den Urlaub zu verweigern.


Kann der Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden und endet das Arbeitsverhältnis, ist der Urlaub abzugelten, d.h. auszuzahlen (§ 7 Abs. 4 BUrlG).


3. Darf der Arbeitgeber eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaubsanspruch vornehmen?

Eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaubsansprüchen ist grundsätzlich unzulässig, wenn die Minusstunden nicht vom Arbeitnehmer verschuldet sind. Der Arbeitgeber kann also nicht den Urlaubsanspruch kürzen oder mit Minusstunden verrechnen, die auf seiner eigenen Entscheidung zur Betriebsschließung beruhen.


4. Spielt es eine Rolle, ob die Kündigung vom Arbeitgeber oder von Ihnen ausgeht?

Die Frage, wer kündigt, kann im Einzelfall eine Rolle spielen, etwa wenn tarifvertragliche Regelungen dies vorsehen. In Ihrem Fall ist aber entscheidend, dass die Minusstunden auf einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Betriebsschließung beruhen. Unabhängig davon, wer kündigt, dürfen diese Minusstunden nicht zu Ihrem Nachteil verrechnet werden.


5. Ist die Regelung in der Zusatzvereinbarung wirksam?

Die Regelung, dass bei vorzeitigem Ausscheiden Plus- und Minusstunden unterjährig mit der letzten Gehaltszahlung verrechnet werden, ist nur insoweit wirksam, als die Minusstunden vom Arbeitnehmer zu vertreten sind. Soweit die Minusstunden auf der Entscheidung des Arbeitgebers zur Betriebsschließung beruhen, ist die Regelung unwirksam, da sie das Betriebsrisiko unzulässig auf den Arbeitnehmer abwälzt (vgl. § 615 BGB und die zitierte Rechtsprechung).


6. Was bedeutet „unterjährig"?

„Unterjährig" meint in diesem Zusammenhang, dass bei einem Ausscheiden vor Ablauf des vereinbarten Jahreszeitraums (hier wohl 1.11.2024 bis 31.10.2025) eine Verrechnung erfolgen soll. Dies ändert aber nichts daran, dass nur solche Minusstunden verrechnet werden dürfen, die Sie selbst zu vertreten haben.


Fazit:

- Der Arbeitgeber darf die Minusstunden, die auf der Betriebsschließung beruhen, nicht vom letzten Gehalt abziehen.

- Eine Verrechnung von Minusstunden mit Urlaubsansprüchen ist unzulässig.

- Nicht genommener Urlaub ist auszuzahlen.

- Die Kündigungsseite ist für die Frage der Verrechnung in Ihrem Fall nicht entscheidend.

- Die Zusatzvereinbarung ist insoweit unwirksam, als sie das Betriebsrisiko auf Sie abwälzt.

Sie können sich daher gegen einen Abzug der Minusstunden und gegen eine Verrechnung mit Urlaubsansprüchen erfolgreich zur Wehr setzen.


Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.

Mit freundlichen Grüßen


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