Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Sie möchten für Ihre Mutter und möglicherweise auch Ihre Schwester eine Wohnung erwerben, in der diese künftig zur Miete wohnen sollen. Beide erhalten staatliche Leistungen – Ihre Mutter Grundsicherung im Alter (SGB XII), Ihre Schwester Bürgergeld (SGB II). Ihre Frage zielt darauf ab, ob das Amt die Leistungen kürzen oder streichen könnte, wenn es erfährt, dass Sie als Sohn bzw. Bruder der Vermieter und zugleich einkommensstark sind.
Entscheidend ist hierbei: Die bloße Tatsache, dass Sie der Eigentümer der Wohnung und mit den Leistungsbeziehern verwandt sind, führt allein nicht zu einer Kürzung oder Ablehnung von Sozialleistungen – vorausgesetzt, es wird ein ernsthaftes, rechtswirksames Mietverhältnis zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen.
Die Kosten der Unterkunft werden im Rahmen von Grundsicherung und Bürgergeld grundsätzlich übernommen (§ 22 Abs. 1 SGB II, § 35 Abs. 1 SGB XII), wenn die Miethöhe angemessen ist und ein wirksamer Mietvertrag besteht. Mietverhältnisse unter Verwandten sind dabei ausdrücklich zulässig, unterliegen aber einer strengeren Prüfung. Um anerkannt zu werden, müssen sie so ausgestaltet sein, wie es auch unter fremden Dritten üblich wäre. Das bedeutet: Es muss ein schriftlicher Mietvertrag mit klarer Regelung zur Miethöhe und zu den Nebenkosten vorliegen, die Miete muss regelmäßig gezahlt und auf ein Konto überwiesen werden, und die Miethöhe muss sich im Rahmen des örtlich angemessenen Mietniveaus bewegen.
Die Rechtsprechung – etwa das Bundessozialgericht mit Urteil vom 03.03.2009 (Az. B 4 AS 37/08 R) – stellt klar, dass ein Mietverhältnis unter Angehörigen nicht pauschal ausgeschlossen werden darf. Es kommt allein darauf an, ob es rechtsverbindlich, ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt wird. Auch zahlreiche Landessozialgerichte haben diese Linie bestätigt.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, spielt es keine Rolle, dass Sie als Sohn bzw. Bruder der Leistungsbezieher Eigentümer der Wohnung sind. Ihre Stellung als Vermieter und Ihr Einkommen von über 100.000 Euro jährlich führen in diesem Zusammenhang nicht zur Verpflichtung, Ihre Mutter oder Schwester direkt zu unterhalten, solange keine separate Prüfung einer Unterhaltspflicht nach § 94 SGB XII (Rückgriff bei unterhaltspflichtigen Kindern) erfolgt. Für die Anmietung der Wohnung ist dies aber irrelevant, solange – wie gesagt – ein objektives Mietverhältnis besteht.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Sozialleistungsträger dürfen die Leistungen Ihrer Mutter und Schwester nicht allein deshalb kürzen oder streichen, weil Sie Eigentümer der Wohnung und mit ihnen verwandt sind. Entscheidend ist, dass Sie ein rechtlich wirksames Mietverhältnis zu ortsüblicher Miete begründen und dieses wie unter Dritten durchgeführt wird. In diesem Fall werden die Unterkunftskosten weiterhin übernommen.
Sollten Sie das Vorhaben konkret umsetzen, empfiehlt es sich, die Angemessenheit der Miethöhe vorab mit dem zuständigen Amt abzustimmen oder eine Zusicherung zur Kostenübernahme nach § 22 Abs. 4 SGB II zu beantragen.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Hussein Madani
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Hallo Herr Madani,
Vielen Dank bis hierher. Einen Punkt habe ich noch nicht verstanden: das Sozialamt fragt meine Mutter egelmäßig bei Antrag auf Verlängerung nach dem Einkommen ihrer Kinder, und wenn die dann mein Gehalt erfahren, dürfen die die Grundsicherung meiner Mutter nicht kürzen bzw mich nicht veröffentlichen sie finanziell zu unterstützen?
Ich danke für Ihre Antwort und wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichen Grüßen
Hierzu ist Folgendes wichtig:
Das Sozialamt darf bei der Grundsicherung im Alter (§ 41 ff. SGB XII) tatsächlich nach dem Einkommen der Kinder fragen. Der Hintergrund ist § 43 Abs. 5 SGB XII in Verbindung mit § 94 SGB XII, wonach die Grundsicherungsstelle auf unterhaltspflichtige Kinder zurückgreifen könnte.
Allerdings gilt seit 2020 die sogenannte „Angehörigen-Entlastung" nach § 94 Abs. 1a SGB XII:
Wenn das Jahresbruttoeinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes unter 100.000 Euro liegt, wird kein Unterhalt eingefordert.
Erst wenn das Einkommen über 100.000 Euro liegt – wie bei Ihnen – könnte das Amt theoretisch prüfen, ob Sie unterhaltspflichtig sind.
Aber:
Die Unterhaltspflicht wird nur insoweit relevant, wie Ihre Mutter nicht ausreichend durch Grundsicherung gedeckt ist.
Da Grundsicherung den notwendigen Lebensunterhalt (einschließlich angemessener Miete) vollständig abdeckt, entfällt in der Praxis meist eine Zahlungspflicht, es sei denn, das Amt will die Grundsicherung kürzen und den Rest bei Ihnen einfordern.
In der Praxis leiten viele Sozialämter aber den Anspruch nur in besonderen Fällen über (§ 94 SGB XII) – und auch dann müsste Ihr Leistungsvermögen nach den zivilrechtlichen Unterhaltsregeln (§§ 1601 ff. BGB) berechnet werden, nicht pauschal Ihr volles Gehalt.
Das heißt:
Allein die Tatsache, dass Ihr Einkommen über 100.000 Euro liegt, führt nicht automatisch zu einer Kürzung der Grundsicherung oder zu einer Pflicht, sofort in voller Höhe für Ihre Mutter aufzukommen. Das Amt müsste konkret prüfen, ob ein Unterhaltsanspruch besteht und wie hoch dieser wäre.
Für Ihre Schwester (Bürgergeld) gilt das nicht – hier gibt es keine gesetzliche Unterhaltspflicht von Geschwistern. Ihr Einkommen hat daher auf ihre Leistungen nach SGB II keinerlei Auswirkung.
Mit freundlichen Grüßen
Hussein Madani
Rechtsanwalt