Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich ist ein Gläubiger nicht verpflichtet, vor der gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche Kontakt zum Schuldner aufzunehmen. Nach Ihren Schilderungen ist jedoch tatsächlich zu hinterfragen, ob die öffentliche Zustellung zu Recht und damit wirksam erfolgt ist.
Allerdings lässt sich dies nicht pauschal beantworten. Zur endgültigen Klärung ist eine mehrschichtige Prüfung und insbesondere Einblick in die Prozessakte zur Klärung der Abläufe bis zur öffentlichen Zustellung notwendig.
Dabei hängen die Erfolgsaussichten Ihres weiteren Vorgehens nicht nur davon ab, ob das Vorgehen Ihres Gläubigers tatsächlich rechtsmißbräuchlich war, sondern auch davon, ob tatsächlich noch ein Rechtsmittel (z.B. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zur Beseitigung der Rechtsfolgen der öffentliche Zustellung gegeben ist.
Das wiederum hängt auch davon ab, wann und auf welchem Weg Sie nun tatsächlich Kenntnis von dem zugrundeliegenden Urteil erhalten haben. Hier besteht wahrscheinlich sehr kurzfristiger Handlungsbedarf zur Wahrung Ihrer Rechte.
Grundsätzlich lassen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen wie folgt zusammenfassen:
Die öffentliche Zustellung ist eine besondere, in der Zivilprozessordnung (ZPO) nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehene, Form der Bekanntmachung.
§185 ZPO
besagt dazu, dass die öffentliche Zustellung z.B. zulässig ist, wenn
- der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist, [...] oder
- eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist oder keinen Erfolg verspricht.
Die Öffentliche Zustellung erfolgt daher nur auf ausdrücklichen Antrag einer Klagepartei und entsprechende Bewilligung durch das Prozessgericht nach Prüfen der notwendigen Voraussetzungen
Unbekannt ist ein Aufenthalt des Zustelladressaten nur, wenn auch die Allgemeinheit den Aufenthalt des Zustelladressaten nicht kennt. Wenn Sie wie geschildert also bei Ihrem Einwohnermeldeamt ordnungsgemäße Angaben gemacht haben, konnte Ihr Aufenthalt nicht als unbekannt gewertet werden. Auch gegen eine Zustellung in UK als Zustellung im europäischen Ausland gem. §183 ZPO
spricht erfahrungsgemäß zunächst nichts, so dass ohne Akteneinsicht nicht nachvollzogen werden kann, warum dennoch die öffentliche Zustellung angeordnet wurde.
Das Gericht hatte nach den gesetzlichen Vorgaben auch in Ihrem Verfahren im Zuge der Bewilligung der öffentlichen Zustellung zu prüfen, ob der Kläger (Gläubiger) alle der Sache nach geeigneten und zumutbaren Nachforschungen angestellt hat, um eine öffentliche Zustellung zu vermeiden, und die ergebnislosen Bemühungen gegenüber dem Gericht dargelegt hat (vgl. BGH Beschluss vom 06.12.2012, Az.: VII ZR 74/12
).
Dies bedeutet insbesondere, dass die durch die öffentliche Zustellung begünstigte Prozesspartei (hier: Gläubiger) alle ihr zur Verfügung stehenden und zumutbaren Mittel zur Ermittlung Ihres Aufenthaltsortes und damit der Zustellung dort ausgeschöpft haben musste.
Dies beinhaltet z.B. die Anfrage beim Einwohnermeldeamt, Postamt, dem letzten bekannten Vermieter, Arbeitgeber, bei Sozialbehörden etc.
Hatte Ihr Gläubiger diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft und erfolgt dennoch eine öffentliche Zustellung, so liegt eine Verletzung Ihres rechtlichen Gehörs als Zustelladressat vor und das öffentlich zugestelltes Urteil ist möglicherweise noch angreifbar.
Wenn die öffentliche Zustellung vorliegend angreifbar ist, wäre im nächsten Schritt zu prüfen, ob ausreichende Erfolgsaussichten bestehen, sich dann auch tatsächlich noch gegen den geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu wehren.
Denn Sie werden dann nicht so gestellt, als ob die Klage nie erhoben wurde, sondern so, dass Sie ihre rechtlichen Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Klage noch ergreifen können.
Dabei ist die von Ihnen aufgeworfene Frage der möglichen
Anspruchsverjährung zu trennen von möglicherweise auch bestehenden materiell-rechtlichen Einwendungen gegen den Anfechtungsanspruch an sich.
Ob eine Verjährung eingetreten sein kann, ist insbesondere davon abhängig, ob durch die Klageerhebung und den Rechtsschein des erstrittenen Urteils der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen wurde und ob der Gläubiger sich darauf auch berufen darf.
Ich gehe nach Ihren Schilderungen zunächst davon aus, dass Sie in der Sache gegen das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen keine Einwendungen geltend machen können. Dies wäre aber im Rahmen der gesamten Sachverhaltsprüfung nach Akteneinsicht ebenfalls zu klären.
Insgesamt hängen die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen das öffentlich zugestellte Urteil aus April 2014 daher von folgenden Faktoren ab:
1. Wann und auf welchem Weg Sie Kenntnis von dem Urteil und seinem Inhalt erhalten haben.
2. Ob die öffentliche Zustellung zivilprozessual ordnungsgemäß angeordnet wurde (Klärung durch Akteneinsichtnahme).
3. Ob dann gegenüber dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch materiell-rechtliche oder prozessuale Einwendungen geltend gemacht werden können.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
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