Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Eine Anfechtung gemäß § 119 BGB
ist m.E. nicht möglich, da es sich bei der Hoffnung auf eine langfristige Vertragsverlängerung um einen unbeachtlichen Motivirrtum handeln dürfte. Zudem hätte eine solche Anfechtung unverzüglich erfolgen müssen.
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB
wäre zwar denkbar; dies ist grundsätzlich auch nach Überlassung der Mieträume noch möglich (vgl. BGH, Urteil vom 6.8.2008 - XII ZR 67/06
).
Allerdings müssten Sie hierfür beweisen, dass die Gegenseite Sie vorsätzlich getäuscht hat. Sie müssten im Streitfalle also darlegen und nachweisen können, dass der Vermieter bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wusste, dass ein langfristiger Vertrag nicht möglich ist, und Ihnen dies nur verschwiegen bzw. eine Verlängerungsmöglichkeit vorgetäuscht hat, um Sie zum Abschluss des einjährigen Mietvertrages zu bringen. Hiervon gehe ich nach Ihrer Sachverhaltsschilderung aber nicht aus, zumindest dürfte dies kaum beweisbar sein. Ich befürchte daher, dass eine Anfechtung des Mietvertrages einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten wird.
Rechtsfolge einer wirksamen Anfechtung wäre, dass der Vertrag rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unwirksam wird und nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB
) rückabgewickelt werden müsste. Sie müssten die Praxisräume also umgehend räumen. Der Vermieter müsste zudem die bereits gezahlte Miete zurückerstatten, im Gegenzug müssten Sie Entschädigung für die bisherige Gebrauchsgewährung zahlen (regelmäßig die ortsübliche Miete). Wenn Sie eine hohe Miete zahlen, würden Sie also Geld zurückbekommen, bei niedriger Miete müssten Sie nachzahlen.
Zu denken wäre in Ihrem Fall neben einer Anfechtung noch an Schadensersatz wegen schuldhafter Pflichtverletzung bei der Vertragsanbahnung bzw. aufgrund laufender Geschäftsbeziehung (§§ 311
, 280 BGB
). Hierzu gehört neben dem Inaussichtstellen eines langfristigen Vertrages aber auch, dass die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grung später abgebrochen werden. Hier liegt aber ein solcher Grund wohl vor (Eigennutzung für ein Projekt).
Auch könnte an eine Vertragsanpassung/-auflösung wegen gestörter Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB
) gedacht werden. Hierdurch könnte ggf. eine Verkürzung der Vertragslaufzeit erreicht werden. Eine Verlängerung der Vertragslaufzeit ist auf diesem Wege aber regelmäßig nicht möglich, diesbezüglich hat die Vertragsfreiheit grundsätzlich Vorrang.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
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