Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage möchte ich anhand der von Ihnen gemachten Angaben gerne wie folgt beantworten:
Nach Art. 38 Abs. 1 des Statuts des IGH-Statut ist das Völkergewohnheitsrecht neben den völkerrechtlichen Verträgen und den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen" eine der Rechtsquellen des Völkerrechts.
Nach der allgemein anerkannten Definition entsteht Völkergewohnheitsrecht durch eine übereinstimmende gemeinsame Rechtsüberzeugung der internationalen Rechtsgemeinschaft, also der Staaten, und durch die gleichzeitige allgemeine Übung. Diese zwei Kernelemente finden sich auch in der Definition des Art. 38 Abs. 1 b IGH-Statut.
Art. 25 GG
bezieht sich auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die insofern inhaltlich vom Völkergewohnheitsrecht abzugrenzen sind. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze bestehen aus gemeinsamen Rechtsprinzipien, die allen innerstaatlichen Rechtsordnungen grundsätzlich gemeinsamen sind und deshalb „grenzübergreifend" anerkannt werden. Hierzu zählen insbesondere Regeln wie, dass Verträge einzuhalten sind oder auch, dass das speziellere Recht dem allgemeinen Rechtssatz vorgeht. Insofern sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts, so dass z.B. auch Bundesgesetze im Sinne dieser allgemeinen Regeln ausgelegt werden müssen, um einen völkerrechtlichen Verstoß zu vermeiden.
Eine UN Resolution bindet grundsätzlich insofern nicht, sondern ist vielmehr als unverbindliche Empfehlung zu verstehen, sich ihrem Inhalt entsprechend zu verhalten. Die Staaten, die einer Resolution zustimmen, binden sich damit grundsätzlich nicht rechtlich, bedeuten aber, dass sie gewillt sind, sich an die Vorgaben der Resolution zu halten. UN-Resolutionen sind somit zu forderst Beschlüsse, die das Ergebnis einer Aussprache bestimmter Hauptorgane schriftlich festlegen. Sie enthalten Bewertungen und Forderungen, die sich auf Interpretationen beziehungsweise den Wortlaut der UN-Charta beziehen.
Ob der Inhalt einer Resolution zu völkerrechtlichem Gewohnheitsrecht erwächst, was sicherlich grundsätzlich möglich ist, richtet sich aber nach den oben genannten Kriterien (Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung innerhalb der Staatengemeinschaft). Entsprechend langwierig ist die Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht und schwierig auch dieses letztlich festzustellen.
Die von Ihnen angesprochene Resolution hält fest, dass alle Menschen frei und gleich hinsichtlich ihrer Würde und ihren Rechten geboren werden und dass jeder ohne jeglichen Unterschied von allen Rechten und Freiheiten profitieren muss.
Auch wird zugleich eine Untersuchung zu diskriminierenden Gesetzen und zur Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gefordert. In den meisten afrikanischen Staaten finden Sie z.B. die Situation vor, dass Homosexualität illegal ist. In Europa und speziell auch in Deutschland finden Sie die rechtliche Situation nicht. Homosexualität wird im Rahmen des Grundgesetzes vor allem durch den Persönlichkeitsrechtsschutz des Art. 2 GG
gewährleistet. Da bislang aber ein explizites Diskriminierungsverbot z.B. auch in Art 3 Abs. 3 GG
fehlt und die Handlungsfreiheit bzw. die Persönlichkeitsentfaltung noch durch einschränkende "Sittengesetze" begrenzt ist, ist es auch grundsätzlich aus rechtlicher Sichtweise nicht unmöglich, diese Normen auch wieder zu „aktivieren". Es ist somit nicht gänzlich sichergestellt, dass sich unsere Gesellschaft immer weiter in Richtung Liberalisierung bewegt. Rückschritte sind also nicht ausgeschlossen und eine Verfassungsergänzung in Artikel 3 Absatz 3 GG
wäre deshalb ein wirksamer Sperrriegel. Als Sittengesetz wird die herrschende Moralvorstellung einer Gesellschaft verstanden und wirkt so auf die verfassungsmäßige Ordnung, soweit der Gesetzgeber durch diese beschränkt ist (BVerfGE 6, 389
/434). Sittengesetz in diesem Sinn ist also die Gesamtheit der Normen, die Allgemeingut des abendländlichen Kulturkreises. Hierbei können aber nur elementarste Grundsätze rechtlich relevant werden. Auf dieser Grundlage ist aktuell auf der homosexuelle Mensch geschützt. Eine allgemeine Regel des Völkerrecht oder gar ein bindendes Völkergewohnheitsrecht, dass Homosexualität universell vor Diskriminierung schützt ist nach m.E. aktuell nicht ersichtlich. Jedoch führen die liberalen Bewegungen insbesondere in den westlichen Kulturen hin zu einer steigenden auch rechtlichen und vollständigen Gleichberechtigung der Homosexuellen, aber nicht zu dem Gegenteil. So ist z.B. in Kanada die Heirat von gleichgeschlechtlichen Partner bereits seit geraumer Zeit möglich. Aus diesen Gründen ist eine Wiedereinführung des § 175 StGB
wohl als überaus unwahrscheinlich anzusehen, da sich die moralischen Vorstellungen der Gesellschaft, die ja letztlich die Sittengesetze gestalten, konträr zu einem § 175 StGB
verlaufen und eine Umkehr nicht ersichtlich ist, auch wenn diese aufgrund der aktuellen Gestaltung des GG rechtstheoretisch möglich wäre.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Ausführungen eine erste Orientierung in diesem Themenbereich verschaffen. Hinweisen möchte ich noch darauf, dass diese Plattform nur eine erste rechtliche Einschätzung geben kann. Eine umfassende Rechtsberatung kann und soll hierdurch nicht ersetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Vielen Dank mal wieder für diese Antwort.
Ich sehe sie beschäftigen sich damit sehr.
Ist also der Art. 25 nicht in Verbindung mit dem Völkergewohnheitsrecht zu setzen oder doch indirekt ?
ZWeitens.: Können auch Bürger, die denken, dass Gesetze gegen den Art. 25 GG
stehen, zum Bundesverfassungsgericht gehen und ihr Recht einfordern ?
Drittens.: In der ergänzenden Nachantwort des Anwaltes wurde erklärt, dass Staaten, andere Staaten vor dem IGH verklagen können, wenn sie die in Art. 38 IGH Status anerkannten Regeln nicht innerstaatlich umsetzen, es ist also offenbar doch mehr als eine reine Absichtserklärung, da sich darauf geltendes Recht durch das anerkannte Völkergewohnheitsrecht ableiten lässt.
Siehe .: http://www.frag-einen-anwalt.de/Homosexuelle-vor-der-UNO-__f152762.html
Im übrigen steht offenbar in Jarass/Pieroth, 3. Auflage 1995, Rdnrn 1a ff. zu Art. 25 GG
eine andere Definition, was der Art. 25 alles beinhaltet, demnach meint der Artikel offenbar doch auch das Völkergewohnheitsrecht.
Würden sie mir bitte sagen aus welchen Quellen sie ihre Ansichten vertreten, dass es nur um spezielle Grundstze und sich nicht um das Völkergewohnheitsrecht der UN handelt ?
Hier ein Ausschnitt.: Laut Kommentar einfaches Bundesrecht und das gesamte Landesrecht. Und jetzt kommt es: im Rang stehen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts damit unter dem Grundgesetz (BVerfGE 37, 271
, 279 - "Solange I"; BFHE 157, 39
/43)."
Der genannte Kommentar ist Jarass/Pieroth, 3. Auflage 1995, Rdnrn 1a ff. zu Art. 25 GG
. Hier Scan 1 und Scan 2. Hier steht ausdrücklich, daß das Völkervertragsrecht nicht zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählt und zwar unter Bezug auf das sog. "Konkordatsurteil", BVerfGE 6, 309
, 363. Dort heißt es:.."
"Es ist in der Tat wenig Raum für allgemeine Regeln des Völkerrechtes, die nach der Verfassung als unmittelbar innerstaatliches Recht gelten. Hiermit ist das universelle Völkergewohnheitsrecht gemeint, welches eben nicht in völkerrechtlichen Verträgen kodifiziert wurde. Da sich das Völkerrecht zwischenzeitlich fast vollständig in internationalen Verträgen und Abkommen niederschlägt, bleibt für diese Regelung recht wenig Raum..."
Hat also der Art. 25 GG
eine direkte Wirkung für die Resolutionen in der UN Vollversammlung oder nicht ?
Vielen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Ausdrücklich bezieht sich Art. 25 GG
nur auf die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die als Rechtsquelle vom Völkergewohnheitsrecht und von völkerrechtlichen Verträgen zu unterscheiden sind.
Bei einer Verfassungsbeschwerde geht es um Gesetzesrecht, das gegen das Grundgesetz verstößt. Die Regeln des GG „strahlen" in ihrer Wirkung auch u.a. auf Normen des Bundesrechts aus. Da es sind bei den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, wie ausgeführt, um Normen handelt, die in den Rechtsordnungen der Staaten ihre Entsprechung haben, wird es dann auch um deutschen Gesetzesrecht handeln müssen, das gegen das GG verstößt.
Art. 38 IGH Statut bezieht sich auf anerkannte Regeln. Eine Resolution hat aber keine Verbindlichkeit für die Staatengemeinschaft bzw. einzelne Staaten. Dies führt auch in der Praxis dazu, dass Staaten „unliebsame" Resolutionen nicht befolgen, woraus für sie aber keine unmittelbar rechtlichen Konsequenzen erwachsen können, da es sich gerade noch nicht um anerkannte Regeln handelt.
Die Regeln des Völkerrechts stehen grundsätzlich solange im Rang unter dem Grundgesetz, wie dieses die gleichen Rechtsvoraussetzungen schafft, wie die völkerrechtlichen Regelungen. Erst wenn das GG „weniger" bietet als anerkannte Regeln des Völkerrechts, könnten nach der Solange I Entscheidung diese Regeln unmittelbar zur Anwendung kommen.
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind die Regelungen, die nicht nur von wenigen Völkerrechtssubjekten anerkannt werden, sondern eine globale Anerkennung erfahren haben. Dies sind in aller Regel Normen, die in den Rechtsordnungen und Gesetzen der Staaten verankert sind bzw. sich dort wiederfinden lassen. Beispiele wurden in der Ausgangsantwort genannt. Völkergewohnheitsrecht kann ebenfalls eine globale Wirkung entfalten, häufiger entwickelt sich aber regionales Gewohnheitsrecht, insbesondere bei regionsspezifischen Regelungen, die u.a. den jeweiligen Kulturkreis reflektieren.
Zwar können Regelungen einer Resolution in Völkergewohnheitsrecht erwachsen, jedoch ist die Resolution selbst zunächst grundsätzlich nicht bindend für die Staaten. Sofern eine Resolution bereits existierendes Völkergewohnheitsrecht wiedergibt, was im vorliegenden Fall nicht der Fall sein dürfte, da die Rechte von homosexuellen Menschen sehr unterschiedlich in den Rechtssystemen der Staaten anerkannt und ausgestaltet sind und teilweise noch gar keine Anerkennung erfahren haben, können dann auch die Regelungen einer Resolution insofern bindend sein aus dem Grund, dass die Regelungen schon zum Völkerrecht gehören.
Ich hoffe, ich konnte mit diesen weiteren Ausführungen Ihre Nachfrage beantworten und verbleibe mit freundlichen Grüßen.