Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Eingangs möchte ich Ihnen mitteilen, dass eine abschließende Beurteilung der Rechtslage ohne die Einsicht in den entsprechenden Vertrag nicht möglich ist.
Grundsätzlich haben Sie durch die Annahme des Angebots per Mail einen Winterdienstvertrag geschlossen, der einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB
darstellt.
Hieraus ergibt sich die Pflicht für den Unternehmer, den geschuldeten Erfolg, folglich das Schneeräumen und das Streuen durchzuführen, damit die Wege frei und nicht glatt sind. Das hat der Unternehmen zunächst einmal Ihren Angaben nach getan.
Die Frage ist, wie der Vertrag in zeitlicher Hinsicht auszulegen ist, wenn sich dort keine Regelung zur zeitlichen Durchführung der Räum- und Streudienste findet. Daher wäre es wichtig, den Vertrag tatsächlich durchzusehen bzw. das Angebot, dass Ihre Schwester dann schlicht angenommen hat. Aus der Gesamtbetrachtung des Vertrags ließe sich dann vielleicht die zeitliche Erbringung der Leistung erschließen.
Sollte sich dort kein Hinweis finden, dann würde die mündliche Absprache, dass der Unternehmer die kommunale Räumpflicht übernimmt, als Indiz für die Auslegung gelten, dass die kommunale Räumpflicht die Räumung in der Woche vor sieben Uhr übernimmt, so dass sich diese Pflicht für den Unternehmer ergeben würde. Sie würden dann als Zeuge in Betracht kommen, der das Vorgespräch geführt hat.
Für eine Anfechtung des Vertrags müsst ein Irrtum vorliegen. Eine Partei müsste bei der Abgabe der Willenserklärung, also Angebot oder Annahme, über den Inhalt im Irrtum gewesen sein oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgegeben haben wollen oder über eine solche Eigenschaft geirrt haben, die im Verkehr als wesentlich angesehen wird.
Vorliegend hat sich keine Parte versprochen, verschrieben oder verlesen, so dass ein so genannter Erklärungsirrtum nicht in Betracht kommt. Ein Inhaltsirrtum scheidet aus, da keine der Parteien der Erklärung eine andere rechtliche Bedeutung beigemessen hat. Ebenso liegt kein Eigenschaftsirrtum vor, da niemand sich über verkehrswesentliche Eigenschaften geirrt hat. Denn das, was vereinbart werden sollte, wurde vereinbart, da man sich im Gespräch zeitlich auf die kommunale Räumpflicht bezog, die besagte, dass in der Woche vor sieben Uhr geräumt wird.
Sie könnten möglicherweise vom Vertrag nach §§ 636
, 323
, 326 Abs. 5 BGB
zurücktreten, da der Unternehmer seine Pflichten verletzt. Wenn zeitlich das Räumen vor sieben Uhr vorgesehen war, dann stellt diese eine vertragliche Pflichtverletzung dar. Hier müsste nur darüber nachgedacht werden, ob dem Unternehmer zuvor nicht eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden sollte, um dann den Rücktritt zu erklären, weil vielleicht die Möglichkeit besteht, dass sich der Unternehmer daran hält und doch zeitlich wie vereinbart räumt. Da grundsätzlich Nacherfüllung vorrangig zu verlangen ist, könnte ein Rücktritt unwirksam sein, wenn der Unternehmer die Leistung nicht ernsthaft und endgültig verweigert.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen bei der Entscheidung hinsichtlich des weiteren Vorgehens behilflich sein. Nutzen Sie gerne die einmalige kostenlose Nachfragefunktion, falls Unklarheiten bestehen, damit ich diese gegebenenfalls ausräumen kann.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Michael Pilarski
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Rechtsanwalt Michael Pilarski
Sehr geehrter Herr Pilarski,
vielen Dank für Ihre umfangreiche Antwort. Meine Frage zur Kündigungsmöglichkeit bezog sich auch auf eine reguläre Kündigung, die offenbar angestrebt oder zumindest überdacht werden muss. Zu welchem Termin/mit welcher Frist könnte man sich denn ohne Argumentation und Angabe von Gründen von dem Unternehmen trennen? Wie gesagt: Im Angebot sind keine Fristen genannt . . .
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Nachfrage:
Eine "reguläre" Kündigungsmöglichkeit, die Sie ansprechen, ist an sich nicht vorhanden. Diese wäre vorhanden, wenn es sich bei dem Winterdienstvertrag um einen Dienstvertrag nach § 611ff. BGB
handeln würde. Der Bundesgerichtshof hat aber in einer Entscheidung aus dem Jahre 2013 entschieden, dass der Winterdienstvertag ein Werkvertrag ist und die Regelungen des Werkvertragsrechts anwendbar sind. Das heißt, zunächst ist Nacherfüllung zu verlangen, so dann können Minderung, Rücktritt, Selbstvornahme und Schadenersatz geltend gemacht werden.
§ 639 BGB
sieht lediglich ein Kündigungsrecht des Bestellers vor. Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Hiernach können Sie jederzeit kündigen. Es besteht aber die Gefahr, dass der Unternehmen die vereinbarte Vergütung verlangt. Beim Rücktritt wäre das nicht der Fall.
Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung kann sich allenfalls aus den allgemeinen Regelungen des § 311 BGB
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes ergeben.
Ich kann Ihnen gerne anbieten, dass Sie mich in der Sache beauftragen. Ich würde dann die entsprechenden Schreiben für Sie aufsetzen. Wenn Sie es selbst aufsetzen möchten, dann schauen Sie mal in dem BGH-Urteil vom 06.06.2013, Az. <a href="http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=VII%20ZR%20355/12" target="_blank" class="djo_link" title="BGH, 06.06.2013 - VII ZR 355/12: "Winterdienstvertrag"">VII ZR 355/12</a> nach. Dort ist reichlich Substanz, die Sie verwerten können.