Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
§ 543 BGB
enthält das allgemeine Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietvertrages aus wichtigem Grund. Hierfür bedarf es insbesondere der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung nach umfassender Interessenabwägung. Die Kündigungsgründe müssen aus dem Einflussbereich des Kündigungsgegners kommen und ihm zurechenbar sein. Der Vermieter kann nicht mit Risiken belastet werden, die der Sphäre des Mieters und dessen Lebensumständen zuzurechnen sind. Ein Kündigungsrecht wegen besonderer Umstände, die in der Person des Mieters liegen, wird daher grundsätzlich nicht anerkannt. So wurde eine schwere Erkrankung des Mieters z.B. an Krebs oder Alzheimer (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 25.07.2008, Az. I-24 W 53/08
, LG Hildesheim ZMR 2000, 679
), nicht als ausreichend anerkannt, um eine außerordentliche Kündigung des Mieters zu bejahen. Hierbei gilt auch die gesetzliche Regelung zu beachten, wobei selbst beim Versterben eines Mieters die Erben die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten haben. Es steht daher zu befürchten, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung gestützt auf § 543 BGB
im Streitfall nicht anerkannt werden würde.
Der Vermieter darf sich aber auch nicht treuwidrig oder rücksichtslos verhalten. Die Rechtsprechung ist daher der Ansicht, dass Senioren bei Umzug in ein Altenpflegeheim oder Seniorenheim einen Anspruch auf vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis haben können, vgl. AG Münster, Urteil vom 16. März 2000, Az: 54 C 6052/99
; AG Altötting, Urteil vom 14. Februar 1997, Az: 2 C 3625/96
. Dies wird in erster Linie damit begründet, dass in den Betreuungsfällen die jeweiligen Mieter die gleichzeitige Zahlung des bisherigen Mietzinses der nicht mehr benutzten Wohnung und der meist sehr hohen Kosten des Pflegeheimes kaum aufzubringen vermögen.
Die Kündigungsfrist kann jedoch nur angemessen verkürzt werden, wobei die jeweilige Situation auf dem Wohnungsmarkt zu berücksichtigen ist. Eine sehr leichte Möglichkeit einer Neuvermietung kann eine entsprechend kurze Kündigungsfrist rechtfertigen. Ebenfalls kann durch Stellung eines Nachmieters (der aufgrund des vorliegenden Härtefalls vom Vermieter nur unter besonderen Umständen abgelehnt werden dürfte) eine vorzeitige Beendigung erreicht werden.
Ihre Mutter sollte daher unter Schilderung der Umstände den Mietvertrag mit einer angemessenen Frist außerordentlich unter Berufung auf § 543 Abs. 1 BGB
kündigen, wobei sie aber zugleich hilfsweise ihre vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag gestützt auf Treu und Glauben (§ 242 BGB
) zum gleichen Termin vom Vermieter verlangen und höchst hilfsweise die ordentliche Kündigung erklären sollte. Da zumindest eine ordentliche Kündigung gemäß § 573c BGB
für den Mieter jederzeit ohne Angabe eines Grundes möglich ist, muss die Miete dann maximal für die dreimonatige Regel-Kündigungsfrist weitergezahlt werden. Ob in Ihrem Fall diese Frist unterschritten werden kann und welche kürzere Frist angemessen wäre, hängt wie gesagt vom konkreten Einzelfall (insbesondere der Möglichkeit der Neuvermietung bzw. Stellung eines Nachmieters) ab.
Alternativ bietet sich natürlich auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit dem Vermieter an, wenn dieser sich darauf einlässt.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
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